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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Mit dem Pfarrer redete er von der Unsterblich-
keit der Seele, und sagte, das Leben und Leiden
Christi sey ihm ein größerer Beweis davon, als
seine Auferstehungsgeschichte; und die Gewißheit,
daß der Mensch den stärksten Trieben seiner Natur
entgegen handeln und für andere leiden und sterben
könne, um sich besser, größer und vollkommner zu
fühlen, als wenn er das nicht thun würde, sey
ihm ein größerer Beweis der Unsterblichkeit, als
alles, was man davon sagen könne. --

Der Lieutenant litt mehr, und saß niederge-
schlagener da, als am Abend der Schlacht, da er
sein Bein verloren, und Stunden lang Niemand
für ihn da war, ihn zu besorgen. --

Arner sagte ihm, seyd ein Mann! wenn unter
uns beyden einer sterben muß, so ist es besser ich
sterbe. -- Ihr kommet ohne mich fort, aber ich
würde ohne euch nicht fort kommen -- Gott steh
euch bey! Wann ich sterbe, so ist Bylifsky euer
Freund, und ihr bleibt der Freund meines Hauses
und meiner Dörfer! --

Der Pfarrer litt minder; gewohnt am Tod-
bette der Menschen nur das Drückende ihres nichti-
gen zu Grundgehens, und ihres seelenlosen Auslö-
schens zu sehen, war ihm auf eine Art wirklich
wohl um Arner. --

Mit dem Pfarrer redete er von der Unſterblich-
keit der Seele, und ſagte, das Leben und Leiden
Chriſti ſey ihm ein groͤßerer Beweis davon, als
ſeine Auferſtehungsgeſchichte; und die Gewißheit,
daß der Menſch den ſtaͤrkſten Trieben ſeiner Natur
entgegen handeln und fuͤr andere leiden und ſterben
koͤnne, um ſich beſſer, groͤßer und vollkommner zu
fuͤhlen, als wenn er das nicht thun wuͤrde, ſey
ihm ein groͤßerer Beweis der Unſterblichkeit, als
alles, was man davon ſagen koͤnne. —

Der Lieutenant litt mehr, und ſaß niederge-
ſchlagener da, als am Abend der Schlacht, da er
ſein Bein verloren, und Stunden lang Niemand
fuͤr ihn da war, ihn zu beſorgen. —

Arner ſagte ihm, ſeyd ein Mann! wenn unter
uns beyden einer ſterben muß, ſo iſt es beſſer ich
ſterbe. — Ihr kommet ohne mich fort, aber ich
wuͤrde ohne euch nicht fort kommen — Gott ſteh
euch bey! Wann ich ſterbe, ſo iſt Bylifsky euer
Freund, und ihr bleibt der Freund meines Hauſes
und meiner Doͤrfer! —

Der Pfarrer litt minder; gewohnt am Tod-
bette der Menſchen nur das Druͤckende ihres nichti-
gen zu Grundgehens, und ihres ſeelenloſen Ausloͤ-
ſchens zu ſehen, war ihm auf eine Art wirklich
wohl um Arner. —

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[104/0122] Mit dem Pfarrer redete er von der Unſterblich- keit der Seele, und ſagte, das Leben und Leiden Chriſti ſey ihm ein groͤßerer Beweis davon, als ſeine Auferſtehungsgeſchichte; und die Gewißheit, daß der Menſch den ſtaͤrkſten Trieben ſeiner Natur entgegen handeln und fuͤr andere leiden und ſterben koͤnne, um ſich beſſer, groͤßer und vollkommner zu fuͤhlen, als wenn er das nicht thun wuͤrde, ſey ihm ein groͤßerer Beweis der Unſterblichkeit, als alles, was man davon ſagen koͤnne. — Der Lieutenant litt mehr, und ſaß niederge- ſchlagener da, als am Abend der Schlacht, da er ſein Bein verloren, und Stunden lang Niemand fuͤr ihn da war, ihn zu beſorgen. — Arner ſagte ihm, ſeyd ein Mann! wenn unter uns beyden einer ſterben muß, ſo iſt es beſſer ich ſterbe. — Ihr kommet ohne mich fort, aber ich wuͤrde ohne euch nicht fort kommen — Gott ſteh euch bey! Wann ich ſterbe, ſo iſt Bylifsky euer Freund, und ihr bleibt der Freund meines Hauſes und meiner Doͤrfer! — Der Pfarrer litt minder; gewohnt am Tod- bette der Menſchen nur das Druͤckende ihres nichti- gen zu Grundgehens, und ihres ſeelenloſen Ausloͤ- ſchens zu ſehen, war ihm auf eine Art wirklich wohl um Arner. —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/122>, abgerufen am 29.03.2024.