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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Dieses Geschlecht wird nicht anders und nicht
besser, als wo es durch eine mit seiner Natur über-
einstimmende Bildung und Führung, mit Weis-
heit, zu seiner bürgerlichen Bestimmung empor
gehoben, und zu dem gemacht wird, was es in
der Welt wirklich seyn soll.

So redete der Lieutenant über den Fundamen-
talirrthum der neuern Gesezgebungen. Es machte
den Herren beyderseits bange: denn obwohl diese
Vorstellungsart dem Pfarrer eine wichtige Frage
in seinem Katechismus erklärte, und auch dem Jun-
ker Stück für Stück nichts dagegen in den Sinn
kam, so sahen sie doch, daß dieselbe nicht weniger
weit lange, als die ganze im philosophischen Jahr-
hundert wirklich in Ausübung stehende Gesezgebung
auf den Kopf zu stellen -- und wenn sie Holländer
gewesen wären, so hätten sie die Sache ad refe-
rendum genommen, oder als ein unlauteres Ge-
schäft ihre Aufheiterung Gott und der Zeit über-
lassen; aber sie waren deutsche Männer, und gien-
gen ohne Furcht und Seitensprünge ihren geraden
Weg fort, mit dem Bleymaß in der Hand, den
Grund und Boden des Gewässers zu sondieren, wel-
ches zu befahren sie nun einmal sich verpflichtet
hielten.

Dieſes Geſchlecht wird nicht anders und nicht
beſſer, als wo es durch eine mit ſeiner Natur uͤber-
einſtimmende Bildung und Fuͤhrung, mit Weis-
heit, zu ſeiner buͤrgerlichen Beſtimmung empor
gehoben, und zu dem gemacht wird, was es in
der Welt wirklich ſeyn ſoll.

So redete der Lieutenant uͤber den Fundamen-
talirrthum der neuern Geſezgebungen. Es machte
den Herren beyderſeits bange: denn obwohl dieſe
Vorſtellungsart dem Pfarrer eine wichtige Frage
in ſeinem Katechiſmus erklaͤrte, und auch dem Jun-
ker Stuͤck fuͤr Stuͤck nichts dagegen in den Sinn
kam, ſo ſahen ſie doch, daß dieſelbe nicht weniger
weit lange, als die ganze im philoſophiſchen Jahr-
hundert wirklich in Ausuͤbung ſtehende Geſezgebung
auf den Kopf zu ſtellen — und wenn ſie Hollaͤnder
geweſen waͤren, ſo haͤtten ſie die Sache ad refe-
rendum genommen, oder als ein unlauteres Ge-
ſchaͤft ihre Aufheiterung Gott und der Zeit uͤber-
laſſen; aber ſie waren deutſche Maͤnner, und gien-
gen ohne Furcht und Seitenſpruͤnge ihren geraden
Weg fort, mit dem Bleymaß in der Hand, den
Grund und Boden des Gewaͤſſers zu ſondieren, wel-
ches zu befahren ſie nun einmal ſich verpflichtet
hielten.

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[174/0192] Dieſes Geſchlecht wird nicht anders und nicht beſſer, als wo es durch eine mit ſeiner Natur uͤber- einſtimmende Bildung und Fuͤhrung, mit Weis- heit, zu ſeiner buͤrgerlichen Beſtimmung empor gehoben, und zu dem gemacht wird, was es in der Welt wirklich ſeyn ſoll. So redete der Lieutenant uͤber den Fundamen- talirrthum der neuern Geſezgebungen. Es machte den Herren beyderſeits bange: denn obwohl dieſe Vorſtellungsart dem Pfarrer eine wichtige Frage in ſeinem Katechiſmus erklaͤrte, und auch dem Jun- ker Stuͤck fuͤr Stuͤck nichts dagegen in den Sinn kam, ſo ſahen ſie doch, daß dieſelbe nicht weniger weit lange, als die ganze im philoſophiſchen Jahr- hundert wirklich in Ausuͤbung ſtehende Geſezgebung auf den Kopf zu ſtellen — und wenn ſie Hollaͤnder geweſen waͤren, ſo haͤtten ſie die Sache ad refe- rendum genommen, oder als ein unlauteres Ge- ſchaͤft ihre Aufheiterung Gott und der Zeit uͤber- laſſen; aber ſie waren deutſche Maͤnner, und gien- gen ohne Furcht und Seitenſpruͤnge ihren geraden Weg fort, mit dem Bleymaß in der Hand, den Grund und Boden des Gewaͤſſers zu ſondieren, wel- ches zu befahren ſie nun einmal ſich verpflichtet hielten.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/192>, abgerufen am 26.04.2024.