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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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mit Kopfschütteln, Maulverziehen, Augenverziehen,
Nasenrümpfen, und dergleichen Zeichen, mit denen
sie sämtlich gar wohl versehen sind, zu verstehen
geben.

Auch brachte er seine Bonnaler Bauern dahin,
daß sie ihre wahre Meynung gar nicht mehr vor
ihm verbargen, und z. Ex. über das Stehlen, vor
dem Junker und dem Pfarrer gerade heraussagten,
das Volk stehle allenthalben, wo man ihns nicht
mit vieler Mühe, Arbeit und Sorgfalt dahinbrin-
ge, daß es nicht mehr stehle.



§. 43.
Volksbegriffe über das Stehlen.

Sie sagten gerade heraus, das Stehlen stecke in
dem Menschen, und das Nichtstehlen müsse man
ihn lehren; aber an den meisten Orten könne man
nicht einmal das, und an vielen Orten wolle man
es nicht.

Allenthalben, wo keine Ordnung sey; allent-
halben, wo der Landes Fleiß nicht fest gegründet;
allenthalben, wo Zügellosigkeit und Liederlichkeit
im Schwang geht, da stihlt das Volk. -- Wie-
der, wo es unterdrückt wird, und keinen Schutz
findet -- wieder, wo es nicht lernt zum Geld

mit Kopfſchuͤtteln, Maulverziehen, Augenverziehen,
Naſenruͤmpfen, und dergleichen Zeichen, mit denen
ſie ſaͤmtlich gar wohl verſehen ſind, zu verſtehen
geben.

Auch brachte er ſeine Bonnaler Bauern dahin,
daß ſie ihre wahre Meynung gar nicht mehr vor
ihm verbargen, und z. Ex. uͤber das Stehlen, vor
dem Junker und dem Pfarrer gerade herausſagten,
das Volk ſtehle allenthalben, wo man ihns nicht
mit vieler Muͤhe, Arbeit und Sorgfalt dahinbrin-
ge, daß es nicht mehr ſtehle.



§. 43.
Volksbegriffe uͤber das Stehlen.

Sie ſagten gerade heraus, das Stehlen ſtecke in
dem Menſchen, und das Nichtſtehlen muͤſſe man
ihn lehren; aber an den meiſten Orten koͤnne man
nicht einmal das, und an vielen Orten wolle man
es nicht.

Allenthalben, wo keine Ordnung ſey; allent-
halben, wo der Landes Fleiß nicht feſt gegruͤndet;
allenthalben, wo Zuͤgelloſigkeit und Liederlichkeit
im Schwang geht, da ſtihlt das Volk. — Wie-
der, wo es unterdruͤckt wird, und keinen Schutz
findet — wieder, wo es nicht lernt zum Geld

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[180/0198] mit Kopfſchuͤtteln, Maulverziehen, Augenverziehen, Naſenruͤmpfen, und dergleichen Zeichen, mit denen ſie ſaͤmtlich gar wohl verſehen ſind, zu verſtehen geben. Auch brachte er ſeine Bonnaler Bauern dahin, daß ſie ihre wahre Meynung gar nicht mehr vor ihm verbargen, und z. Ex. uͤber das Stehlen, vor dem Junker und dem Pfarrer gerade herausſagten, das Volk ſtehle allenthalben, wo man ihns nicht mit vieler Muͤhe, Arbeit und Sorgfalt dahinbrin- ge, daß es nicht mehr ſtehle. §. 43. Volksbegriffe uͤber das Stehlen. Sie ſagten gerade heraus, das Stehlen ſtecke in dem Menſchen, und das Nichtſtehlen muͤſſe man ihn lehren; aber an den meiſten Orten koͤnne man nicht einmal das, und an vielen Orten wolle man es nicht. Allenthalben, wo keine Ordnung ſey; allent- halben, wo der Landes Fleiß nicht feſt gegruͤndet; allenthalben, wo Zuͤgelloſigkeit und Liederlichkeit im Schwang geht, da ſtihlt das Volk. — Wie- der, wo es unterdruͤckt wird, und keinen Schutz findet — wieder, wo es nicht lernt zum Geld

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/198>, abgerufen am 28.03.2024.