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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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hab es doch auch so nöthig -- so wenig macht
dem lieben Gott nicht viel -- ich bin sonst doch
auch so geplagt -- ich habe izt just auch müssen da-
zukommen, wie wenn es Gottes Wille gewesen." --

Dergleichen Worte sind ihnen unter berührten
Umständen geläufiger als das Vater Unser; und sie
erlauben sich allenthalben wo sie so verflucht natürlich
denken, das Stehlen -- dennoch gegen Niemand
lieber als gegen die Obrigkeit -- Sie nimmt auch,
wo Sie kann und mag -- haben sie unter diesen
Umständen im Augenblicke gegen die Obrigkeit im
Munde. -- Und auch gegen Fremde macht sich
das Volk unendlich minder aus dem Stehlen --
"wären sie geblieben, wo sie daheim sind" -- sa-
gen die Ehrlichsten; -- "was haben sie uns noch
enger zu machen -- wir sind sonst genug eingesperrt
-- wenn ihnen Zäune und Gärten niedergerissen
worden, so ist ihnen nur recht geschehen." -- *)



*) Anmerkung. Staune nicht Leser! an die-
ser Stelle. Ich werfe keine böse Gedanken
ins Volk: der Bauer denkt das alles ohne mein
Buch; er denkt noch mehr als dieses mit einer
Einseitigkeit, Lebhaftigkeit, und mit einer dun-
keln Stille, gegen deren Gift ich kein bessers
Mittel kenne, als offen gegen ihn zu handeln,
und ihm zu zeigen, daß man weißt was er
denkt; aber daß man mehr weißt, und nichts
sucht, als ihn durch die Wahrheit, so wie er

hab es doch auch ſo noͤthig — ſo wenig macht
dem lieben Gott nicht viel — ich bin ſonſt doch
auch ſo geplagt — ich habe izt juſt auch muͤſſen da-
zukommen, wie wenn es Gottes Wille geweſen.“ —

Dergleichen Worte ſind ihnen unter beruͤhrten
Umſtaͤnden gelaͤufiger als das Vater Unſer; und ſie
erlauben ſich allenthalben wo ſie ſo verflucht natuͤrlich
denken, das Stehlen — dennoch gegen Niemand
lieber als gegen die Obrigkeit — Sie nimmt auch,
wo Sie kann und mag — haben ſie unter dieſen
Umſtaͤnden im Augenblicke gegen die Obrigkeit im
Munde. — Und auch gegen Fremde macht ſich
das Volk unendlich minder aus dem Stehlen —
„waͤren ſie geblieben, wo ſie daheim ſind“ — ſa-
gen die Ehrlichſten; — „was haben ſie uns noch
enger zu machen — wir ſind ſonſt genug eingeſperrt
— wenn ihnen Zaͤune und Gaͤrten niedergeriſſen
worden, ſo iſt ihnen nur recht geſchehen.“ — *)



*) Anmerkung. Staune nicht Leſer! an die-
ſer Stelle. Ich werfe keine boͤſe Gedanken
ins Volk: der Bauer denkt das alles ohne mein
Buch; er denkt noch mehr als dieſes mit einer
Einſeitigkeit, Lebhaftigkeit, und mit einer dun-
keln Stille, gegen deren Gift ich kein beſſers
Mittel kenne, als offen gegen ihn zu handeln,
und ihm zu zeigen, daß man weißt was er
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[182/0200] hab es doch auch ſo noͤthig — ſo wenig macht dem lieben Gott nicht viel — ich bin ſonſt doch auch ſo geplagt — ich habe izt juſt auch muͤſſen da- zukommen, wie wenn es Gottes Wille geweſen.“ — Dergleichen Worte ſind ihnen unter beruͤhrten Umſtaͤnden gelaͤufiger als das Vater Unſer; und ſie erlauben ſich allenthalben wo ſie ſo verflucht natuͤrlich denken, das Stehlen — dennoch gegen Niemand lieber als gegen die Obrigkeit — Sie nimmt auch, wo Sie kann und mag — haben ſie unter dieſen Umſtaͤnden im Augenblicke gegen die Obrigkeit im Munde. — Und auch gegen Fremde macht ſich das Volk unendlich minder aus dem Stehlen — „waͤren ſie geblieben, wo ſie daheim ſind“ — ſa- gen die Ehrlichſten; — „was haben ſie uns noch enger zu machen — wir ſind ſonſt genug eingeſperrt — wenn ihnen Zaͤune und Gaͤrten niedergeriſſen worden, ſo iſt ihnen nur recht geſchehen.“ — *) *) Anmerkung. Staune nicht Leſer! an die- ſer Stelle. Ich werfe keine boͤſe Gedanken ins Volk: der Bauer denkt das alles ohne mein Buch; er denkt noch mehr als dieſes mit einer Einſeitigkeit, Lebhaftigkeit, und mit einer dun- keln Stille, gegen deren Gift ich kein beſſers Mittel kenne, als offen gegen ihn zu handeln, und ihm zu zeigen, daß man weißt was er denkt; aber daß man mehr weißt, und nichts ſucht, als ihn durch die Wahrheit, ſo wie er

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/200>, abgerufen am 03.05.2024.