Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

vor danke ihnen Niemand, es frage sie Niemand,
wie sie es machen, wie sie mit ihren Leuten und mit
ihren Kindern dahin kommen, wo die andern Bauern
doch nicht sind, und wo man von einem Pfarrer,
der sein Dorf dahinbringen würde, in der ganzen
Welt Rühmens und Wesens machen würde, das
sey eines; das andere sey, man sage ihnen in den
Tag hinein, sie verderben mit ihren Meynungen
die Leute, und zeige ihnen nicht wie, und gebe
ihnen kein Exempel, wie man das Volk besser füh-
ren könne als sie. -- Dann sage man ihnen, sie
seyen dumm und einfältig; und sie sehen doch, daß
sie bey den Leuten mehr ausrichten und mehr Gu-
tes stiften, und in ihren Haushaltungen meistens
glücklicher seyen, als die so sagen, sie seyen dumm;
und seyen sich gewohnt, Vernunft und Verstand
nach dem, was man damit ausrichte, zu messen
und zu schätzen; sie heißen in ihrer Sprache das
etwas ausrichten Segen, und das nichts
ausrichten
Unsegen; und so lang sie den Se-
gen auf ihrer Seite haben, so glauben sie auch
nicht, daß sie die Dummen in der Welt seyen, es
mag es ihnen sagen wer da will.

Dann wirft man ihnen vor, sie seyen hart-
näckig, und lassen sich nicht berichten, und die,
so es ihnen am lautesten vorwerfen, sind, auf das
Gelindeste davon zu reden, im gleichen Spital
krank, und nehmen noch viel weniger von ihnen

vor danke ihnen Niemand, es frage ſie Niemand,
wie ſie es machen, wie ſie mit ihren Leuten und mit
ihren Kindern dahin kommen, wo die andern Bauern
doch nicht ſind, und wo man von einem Pfarrer,
der ſein Dorf dahinbringen wuͤrde, in der ganzen
Welt Ruͤhmens und Weſens machen wuͤrde, das
ſey eines; das andere ſey, man ſage ihnen in den
Tag hinein, ſie verderben mit ihren Meynungen
die Leute, und zeige ihnen nicht wie, und gebe
ihnen kein Exempel, wie man das Volk beſſer fuͤh-
ren koͤnne als ſie. — Dann ſage man ihnen, ſie
ſeyen dumm und einfaͤltig; und ſie ſehen doch, daß
ſie bey den Leuten mehr ausrichten und mehr Gu-
tes ſtiften, und in ihren Haushaltungen meiſtens
gluͤcklicher ſeyen, als die ſo ſagen, ſie ſeyen dumm;
und ſeyen ſich gewohnt, Vernunft und Verſtand
nach dem, was man damit ausrichte, zu meſſen
und zu ſchaͤtzen; ſie heißen in ihrer Sprache das
etwas ausrichten Segen, und das nichts
ausrichten
Unſegen; und ſo lang ſie den Se-
gen auf ihrer Seite haben, ſo glauben ſie auch
nicht, daß ſie die Dummen in der Welt ſeyen, es
mag es ihnen ſagen wer da will.

Dann wirft man ihnen vor, ſie ſeyen hart-
naͤckig, und laſſen ſich nicht berichten, und die,
ſo es ihnen am lauteſten vorwerfen, ſind, auf das
Gelindeſte davon zu reden, im gleichen Spital
krank, und nehmen noch viel weniger von ihnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0232" n="214"/>
vor danke ihnen Niemand, es frage &#x017F;ie Niemand,<lb/>
wie &#x017F;ie es machen, wie &#x017F;ie mit ihren Leuten und mit<lb/>
ihren Kindern dahin kommen, wo die andern Bauern<lb/>
doch nicht &#x017F;ind, und wo man von einem Pfarrer,<lb/>
der &#x017F;ein Dorf dahinbringen wu&#x0364;rde, in der ganzen<lb/>
Welt Ru&#x0364;hmens und We&#x017F;ens machen wu&#x0364;rde, das<lb/>
&#x017F;ey eines; das andere &#x017F;ey, man &#x017F;age ihnen in den<lb/>
Tag hinein, &#x017F;ie verderben mit ihren Meynungen<lb/>
die Leute, und zeige ihnen nicht wie, und gebe<lb/>
ihnen kein Exempel, wie man das Volk be&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;h-<lb/>
ren ko&#x0364;nne als &#x017F;ie. &#x2014; Dann &#x017F;age man ihnen, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;eyen dumm und einfa&#x0364;ltig; und &#x017F;ie &#x017F;ehen doch, daß<lb/>
&#x017F;ie bey den Leuten mehr ausrichten und mehr Gu-<lb/>
tes &#x017F;tiften, und in ihren Haushaltungen mei&#x017F;tens<lb/>
glu&#x0364;cklicher &#x017F;eyen, als die &#x017F;o &#x017F;agen, &#x017F;ie &#x017F;eyen dumm;<lb/>
und &#x017F;eyen &#x017F;ich gewohnt, Vernunft und Ver&#x017F;tand<lb/>
nach dem, was man damit ausrichte, zu me&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und zu &#x017F;cha&#x0364;tzen; &#x017F;ie heißen in ihrer Sprache das<lb/><hi rendition="#g">etwas ausrichten</hi> Segen, und das <hi rendition="#g">nichts<lb/>
ausrichten</hi> Un&#x017F;egen; und &#x017F;o lang &#x017F;ie den Se-<lb/>
gen auf ihrer Seite haben, &#x017F;o glauben &#x017F;ie auch<lb/>
nicht, daß &#x017F;ie die Dummen in der Welt &#x017F;eyen, es<lb/>
mag es ihnen &#x017F;agen wer da will.</p><lb/>
        <p>Dann wirft man ihnen vor, &#x017F;ie &#x017F;eyen hart-<lb/>
na&#x0364;ckig, und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht berichten, und die,<lb/>
&#x017F;o es ihnen am laute&#x017F;ten vorwerfen, &#x017F;ind, auf das<lb/>
Gelinde&#x017F;te davon zu reden, im gleichen Spital<lb/>
krank, und nehmen noch viel weniger von ihnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0232] vor danke ihnen Niemand, es frage ſie Niemand, wie ſie es machen, wie ſie mit ihren Leuten und mit ihren Kindern dahin kommen, wo die andern Bauern doch nicht ſind, und wo man von einem Pfarrer, der ſein Dorf dahinbringen wuͤrde, in der ganzen Welt Ruͤhmens und Weſens machen wuͤrde, das ſey eines; das andere ſey, man ſage ihnen in den Tag hinein, ſie verderben mit ihren Meynungen die Leute, und zeige ihnen nicht wie, und gebe ihnen kein Exempel, wie man das Volk beſſer fuͤh- ren koͤnne als ſie. — Dann ſage man ihnen, ſie ſeyen dumm und einfaͤltig; und ſie ſehen doch, daß ſie bey den Leuten mehr ausrichten und mehr Gu- tes ſtiften, und in ihren Haushaltungen meiſtens gluͤcklicher ſeyen, als die ſo ſagen, ſie ſeyen dumm; und ſeyen ſich gewohnt, Vernunft und Verſtand nach dem, was man damit ausrichte, zu meſſen und zu ſchaͤtzen; ſie heißen in ihrer Sprache das etwas ausrichten Segen, und das nichts ausrichten Unſegen; und ſo lang ſie den Se- gen auf ihrer Seite haben, ſo glauben ſie auch nicht, daß ſie die Dummen in der Welt ſeyen, es mag es ihnen ſagen wer da will. Dann wirft man ihnen vor, ſie ſeyen hart- naͤckig, und laſſen ſich nicht berichten, und die, ſo es ihnen am lauteſten vorwerfen, ſind, auf das Gelindeſte davon zu reden, im gleichen Spital krank, und nehmen noch viel weniger von ihnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/232
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/232>, abgerufen am 12.05.2024.