Nicht wenn du in seinem Morast wühlest, son- dern wenn du seine Wasser tiefer legst, und ihnen einen sichern Ablauf giebst, trocknest du einen Sumpf auf.
Arner machte den Arbeits-Fleiß in Bonnal eben so leicht als angenehm und befriedigend. Das Dorf hatte nicht mehr und rechnete nicht mehr blos von der Hand ins Maul; auch der Arme hatte izt Vorrath und Eigenthum, und darum war ihnen allen Ordnung und Sicherheit wichtig; ein jeder, und auch der Aermste sah, daß er seine Kinder mit Sitzen und Spinnen weiter bringe als mit Strol- chenmuth und Räuberordnung.
Die erste Quelle des Diebstahls, des Gewalts der Reichen, die in der Unordnung des unwirth- schaftlichen Volks, den Frevel zu ihrem Morgen- brod, und den Diebstahl zu ihrem Abendessen mach- ten, war gehoben; die Leute hatten weniger Grund und weniger Anlas zu stehlen; und viele, die es ehedem selber gethan, sagten nunmehr, es müßte izt einer ein Narr seyn, wenn er es thun würde.
§. 54. Seine Geſezgebung wider den Diebſtahl.
Nicht wenn du in ſeinem Moraſt wuͤhleſt, ſon- dern wenn du ſeine Waſſer tiefer legſt, und ihnen einen ſichern Ablauf giebſt, trockneſt du einen Sumpf auf.
Arner machte den Arbeits-Fleiß in Bonnal eben ſo leicht als angenehm und befriedigend. Das Dorf hatte nicht mehr und rechnete nicht mehr blos von der Hand ins Maul; auch der Arme hatte izt Vorrath und Eigenthum, und darum war ihnen allen Ordnung und Sicherheit wichtig; ein jeder, und auch der Aermſte ſah, daß er ſeine Kinder mit Sitzen und Spinnen weiter bringe als mit Strol- chenmuth und Raͤuberordnung.
Die erſte Quelle des Diebſtahls, des Gewalts der Reichen, die in der Unordnung des unwirth- ſchaftlichen Volks, den Frevel zu ihrem Morgen- brod, und den Diebſtahl zu ihrem Abendeſſen mach- ten, war gehoben; die Leute hatten weniger Grund und weniger Anlas zu ſtehlen; und viele, die es ehedem ſelber gethan, ſagten nunmehr, es muͤßte izt einer ein Narr ſeyn, wenn er es thun wuͤrde.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0314"n="296"/><divn="1"><head>§. 54.<lb/>
Seine Geſezgebung wider den Diebſtahl.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>icht wenn du in ſeinem Moraſt wuͤhleſt, ſon-<lb/>
dern wenn du ſeine Waſſer tiefer legſt, und ihnen<lb/>
einen ſichern Ablauf giebſt, trockneſt du einen<lb/>
Sumpf auf.</p><lb/><p>Arner machte den Arbeits-Fleiß in Bonnal<lb/>
eben ſo leicht als angenehm und befriedigend. Das<lb/>
Dorf hatte nicht mehr und rechnete nicht mehr blos<lb/>
von der Hand ins Maul; auch der Arme hatte izt<lb/>
Vorrath und Eigenthum, und darum war ihnen<lb/>
allen Ordnung und Sicherheit wichtig; ein jeder,<lb/>
und auch der Aermſte ſah, daß er ſeine Kinder mit<lb/>
Sitzen und Spinnen weiter bringe als mit Strol-<lb/>
chenmuth und Raͤuberordnung.</p><lb/><p>Die erſte Quelle des Diebſtahls, des Gewalts<lb/>
der Reichen, die in der Unordnung des unwirth-<lb/>ſchaftlichen Volks, den Frevel zu ihrem Morgen-<lb/>
brod, und den Diebſtahl zu ihrem Abendeſſen mach-<lb/>
ten, war gehoben; die Leute hatten weniger Grund<lb/>
und weniger Anlas zu ſtehlen; und viele, die es<lb/>
ehedem ſelber gethan, ſagten nunmehr, es muͤßte<lb/>
izt einer ein Narr ſeyn, wenn er es thun wuͤrde.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[296/0314]
§. 54.
Seine Geſezgebung wider den Diebſtahl.
Nicht wenn du in ſeinem Moraſt wuͤhleſt, ſon-
dern wenn du ſeine Waſſer tiefer legſt, und ihnen
einen ſichern Ablauf giebſt, trockneſt du einen
Sumpf auf.
Arner machte den Arbeits-Fleiß in Bonnal
eben ſo leicht als angenehm und befriedigend. Das
Dorf hatte nicht mehr und rechnete nicht mehr blos
von der Hand ins Maul; auch der Arme hatte izt
Vorrath und Eigenthum, und darum war ihnen
allen Ordnung und Sicherheit wichtig; ein jeder,
und auch der Aermſte ſah, daß er ſeine Kinder mit
Sitzen und Spinnen weiter bringe als mit Strol-
chenmuth und Raͤuberordnung.
Die erſte Quelle des Diebſtahls, des Gewalts
der Reichen, die in der Unordnung des unwirth-
ſchaftlichen Volks, den Frevel zu ihrem Morgen-
brod, und den Diebſtahl zu ihrem Abendeſſen mach-
ten, war gehoben; die Leute hatten weniger Grund
und weniger Anlas zu ſtehlen; und viele, die es
ehedem ſelber gethan, ſagten nunmehr, es muͤßte
izt einer ein Narr ſeyn, wenn er es thun wuͤrde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/314>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.