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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Arner ließ Niemanden am Nothwendigen Mangel
leiden, und Niemanden durch unvorgesehene Be-
dürfnisse in Verwirrung kommen.

Die Einsicht, die er in alle Theile der Dorf-
haushaltung hatte, und die Ordnung und das
Licht, das er in ihre Verwaltung hineinbrachte,
sezte ihn in den Stand, so vieles leisten zu können.

Er gab bey überhandnehmendem Holzmangel ih-
nen die Freyheit, in seinen Waldungen die alten Stöcke
auszugraben; schafte ihnen große starke Ausstockungs-
Instrumente an; und damit sie der Aermste wie der
Reiche genieße, mußten sie die Vorgesezten der Reihe
nach den Haushaltungen zu diesem Gebrauch zustel-
len. Eben so mußten die Gassenaufseher von Haus zu
Haus untersuchen, ob die Feuerstätte zu Ersparung
des Holzes gut eingerichtet; ob die Mauern, Wän-
de, Tielen ihrer Stuben die Wärme halten? Den
Vermöglichen, die etwas hieran mangeln ließen,
schlug er das Gnadenholz ab, den Unvermöglichen
half er zur Nothdurft selbst darzu; aber dann ahn-
dete er den Holzfrevel in dem Grade streng, als
es dem wahren Bedürfnis des Volks hierin ein Ge-
nügen geschah, und überhaupt den Reiz zum Räu-
berleben minderte. Er strafte den Holzfrevel wie
Diebstahl, und das nächtliche Rauben desselben;
das Umhauen junger Stämme mit kleinen Sägen,
das Umbinden der dickern mit Seilern, den Ton

Arner ließ Niemanden am Nothwendigen Mangel
leiden, und Niemanden durch unvorgeſehene Be-
duͤrfniſſe in Verwirrung kommen.

Die Einſicht, die er in alle Theile der Dorf-
haushaltung hatte, und die Ordnung und das
Licht, das er in ihre Verwaltung hineinbrachte,
ſezte ihn in den Stand, ſo vieles leiſten zu koͤnnen.

Er gab bey uͤberhandnehmendem Holzmangel ih-
nen die Freyheit, in ſeinen Waldungen die alten Stoͤcke
auszugraben; ſchafte ihnen große ſtarke Ausſtockungs-
Inſtrumente an; und damit ſie der Aermſte wie der
Reiche genieße, mußten ſie die Vorgeſezten der Reihe
nach den Haushaltungen zu dieſem Gebrauch zuſtel-
len. Eben ſo mußten die Gaſſenaufſeher von Haus zu
Haus unterſuchen, ob die Feuerſtaͤtte zu Erſparung
des Holzes gut eingerichtet; ob die Mauern, Waͤn-
de, Tielen ihrer Stuben die Waͤrme halten? Den
Vermoͤglichen, die etwas hieran mangeln ließen,
ſchlug er das Gnadenholz ab, den Unvermoͤglichen
half er zur Nothdurft ſelbſt darzu; aber dann ahn-
dete er den Holzfrevel in dem Grade ſtreng, als
es dem wahren Beduͤrfnis des Volks hierin ein Ge-
nuͤgen geſchah, und uͤberhaupt den Reiz zum Raͤu-
berleben minderte. Er ſtrafte den Holzfrevel wie
Diebſtahl, und das naͤchtliche Rauben deſſelben;
das Umhauen junger Staͤmme mit kleinen Saͤgen,
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[297/0315] Arner ließ Niemanden am Nothwendigen Mangel leiden, und Niemanden durch unvorgeſehene Be- duͤrfniſſe in Verwirrung kommen. Die Einſicht, die er in alle Theile der Dorf- haushaltung hatte, und die Ordnung und das Licht, das er in ihre Verwaltung hineinbrachte, ſezte ihn in den Stand, ſo vieles leiſten zu koͤnnen. Er gab bey uͤberhandnehmendem Holzmangel ih- nen die Freyheit, in ſeinen Waldungen die alten Stoͤcke auszugraben; ſchafte ihnen große ſtarke Ausſtockungs- Inſtrumente an; und damit ſie der Aermſte wie der Reiche genieße, mußten ſie die Vorgeſezten der Reihe nach den Haushaltungen zu dieſem Gebrauch zuſtel- len. Eben ſo mußten die Gaſſenaufſeher von Haus zu Haus unterſuchen, ob die Feuerſtaͤtte zu Erſparung des Holzes gut eingerichtet; ob die Mauern, Waͤn- de, Tielen ihrer Stuben die Waͤrme halten? Den Vermoͤglichen, die etwas hieran mangeln ließen, ſchlug er das Gnadenholz ab, den Unvermoͤglichen half er zur Nothdurft ſelbſt darzu; aber dann ahn- dete er den Holzfrevel in dem Grade ſtreng, als es dem wahren Beduͤrfnis des Volks hierin ein Ge- nuͤgen geſchah, und uͤberhaupt den Reiz zum Raͤu- berleben minderte. Er ſtrafte den Holzfrevel wie Diebſtahl, und das naͤchtliche Rauben deſſelben; das Umhauen junger Staͤmme mit kleinen Saͤgen, das Umbinden der dickern mit Seilern, den Ton

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/315>, abgerufen am 19.04.2024.