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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Werk treibt, warst du die erste Siegerin der wil-
den Trieben des ungebändigten Geschlechts. --

Herrscherinn der Erden! auf hundert tausend
Altären opfert die Menschheit, seit dem sie lebt,
Dir ihr Opfer; dann seit dem sie lebt, befriedigt
der Glaube an Gott das Innerste ihrer Natur,
und alle Geschlechter der Erden stammeln kniefällig
vor Dir ihre Bitten und ihren Dank; sie vereh-
ren jeden Schatten des Bilds deines Gottes, und
beten jeden Fußstapfen seiner Wege selbst im trüg-
lichsten Koth an.

Der Fels im Meer bricht die Wellen des
Sturms, sie strömen in hohen Wogen raufend ge-
gen ihn an, reißen an ihm Mitten entzwey -- und
wirbeln schäumend in ihrem Tode um seine uner-
schütternde Kraft -- so zerreißest Du das Rasen
der Macht; und wie ein Feuerstrom, der unter
dem Berge glühet, erschütterst Du den unermeßli-
chen Boden des Reichthums, wie einen Haufen
nichtigen Staubs.

Herrscherin über den Sinn des Volks! Du
bezwingst den Herrscher der deiner nichts will.

Unter den Trümmern der Erde, und unter
den Wellen des Meers, lobet der Mensch seinen
Schöpfer; er erhebt sich über den Troz seiner Na-
tur; und unter dem Fußtritt der Geschöpfen, und

Werk treibt, warſt du die erſte Siegerin der wil-
den Trieben des ungebaͤndigten Geſchlechts. —

Herrſcherinn der Erden! auf hundert tauſend
Altaͤren opfert die Menſchheit, ſeit dem ſie lebt,
Dir ihr Opfer; dann ſeit dem ſie lebt, befriedigt
der Glaube an Gott das Innerſte ihrer Natur,
und alle Geſchlechter der Erden ſtammeln kniefaͤllig
vor Dir ihre Bitten und ihren Dank; ſie vereh-
ren jeden Schatten des Bilds deines Gottes, und
beten jeden Fußſtapfen ſeiner Wege ſelbſt im truͤg-
lichſten Koth an.

Der Fels im Meer bricht die Wellen des
Sturms, ſie ſtroͤmen in hohen Wogen raufend ge-
gen ihn an, reißen an ihm Mitten entzwey — und
wirbeln ſchaͤumend in ihrem Tode um ſeine uner-
ſchuͤtternde Kraft — ſo zerreißeſt Du das Raſen
der Macht; und wie ein Feuerſtrom, der unter
dem Berge gluͤhet, erſchuͤtterſt Du den unermeßli-
chen Boden des Reichthums, wie einen Haufen
nichtigen Staubs.

Herrſcherin uͤber den Sinn des Volks! Du
bezwingſt den Herrſcher der deiner nichts will.

Unter den Truͤmmern der Erde, und unter
den Wellen des Meers, lobet der Menſch ſeinen
Schoͤpfer; er erhebt ſich uͤber den Troz ſeiner Na-
tur; und unter dem Fußtritt der Geſchoͤpfen, und

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[326/0344] Werk treibt, warſt du die erſte Siegerin der wil- den Trieben des ungebaͤndigten Geſchlechts. — Herrſcherinn der Erden! auf hundert tauſend Altaͤren opfert die Menſchheit, ſeit dem ſie lebt, Dir ihr Opfer; dann ſeit dem ſie lebt, befriedigt der Glaube an Gott das Innerſte ihrer Natur, und alle Geſchlechter der Erden ſtammeln kniefaͤllig vor Dir ihre Bitten und ihren Dank; ſie vereh- ren jeden Schatten des Bilds deines Gottes, und beten jeden Fußſtapfen ſeiner Wege ſelbſt im truͤg- lichſten Koth an. Der Fels im Meer bricht die Wellen des Sturms, ſie ſtroͤmen in hohen Wogen raufend ge- gen ihn an, reißen an ihm Mitten entzwey — und wirbeln ſchaͤumend in ihrem Tode um ſeine uner- ſchuͤtternde Kraft — ſo zerreißeſt Du das Raſen der Macht; und wie ein Feuerſtrom, der unter dem Berge gluͤhet, erſchuͤtterſt Du den unermeßli- chen Boden des Reichthums, wie einen Haufen nichtigen Staubs. Herrſcherin uͤber den Sinn des Volks! Du bezwingſt den Herrſcher der deiner nichts will. Unter den Truͤmmern der Erde, und unter den Wellen des Meers, lobet der Menſch ſeinen Schoͤpfer; er erhebt ſich uͤber den Troz ſeiner Na- tur; und unter dem Fußtritt der Geſchoͤpfen, und

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/344>, abgerufen am 19.04.2024.