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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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men wollte, dem mußte die Gemeinde, das ist, die
Kirche, die Pathenstelle vertreten; die Vorgesezten
übernahmen die Pflichten dieser heiligen Verbind-
lichkeit, und bey Arners Ordnung mangelten sie
nicht, dieselbe zu erfüllen.

Auch die heuchlerischen Taufzedel, in denen
Schaaren verlassener Würmchen von ihren Tauf-
zeugen dem lieben Heiland übergeben werden, wie
der Joseph von seinen Brüdern den Arabern, damit
er nicht umkomme, aber ihnen doch aus den Au-
gen -- verbot er. Die Pfarrer, sagte er, sollen
Taufscheine machen, und das sey genug. -- Der
Misbrauch dieser Heuchlerzedel empörte ihn äußerst.
In der Zeit, da er hierinn diese Aenderung traf,
sagte er mehrmalen, wann er die Stube auf- und
abgieng, zu sich selber, Gottesdienst! Gottesdienst!
was machst du aus den Menschen? wenn deine
Handlungen keine bürgerlichen Verbindlichkeiten ha-
ben, und blos auf den schwankenden Sinn einer
Gutmüthigkeit ruhen, die jeder Wind wehet, wo-
hin er will! -- Arner wollte es nicht so; er bauete
den Gottesdienst auf den Einfluß seiner gesezgebe-
rischen Volksbildung, die den Geist seiner Bonnaler
in allen Sachen auf das Wesentliche derselben auf-
merksam, und für dasselbe real betriebsam machten.

Daß das Kind in der Wiegen versorget, daß
das Alter am Rande des Grabes beruhiget, daß

die

men wollte, dem mußte die Gemeinde, das iſt, die
Kirche, die Pathenſtelle vertreten; die Vorgeſezten
uͤbernahmen die Pflichten dieſer heiligen Verbind-
lichkeit, und bey Arners Ordnung mangelten ſie
nicht, dieſelbe zu erfuͤllen.

Auch die heuchleriſchen Taufzedel, in denen
Schaaren verlaſſener Wuͤrmchen von ihren Tauf-
zeugen dem lieben Heiland uͤbergeben werden, wie
der Joſeph von ſeinen Bruͤdern den Arabern, damit
er nicht umkomme, aber ihnen doch aus den Au-
gen — verbot er. Die Pfarrer, ſagte er, ſollen
Taufſcheine machen, und das ſey genug. — Der
Misbrauch dieſer Heuchlerzedel empoͤrte ihn aͤußerſt.
In der Zeit, da er hierinn dieſe Aenderung traf,
ſagte er mehrmalen, wann er die Stube auf- und
abgieng, zu ſich ſelber, Gottesdienſt! Gottesdienſt!
was machſt du aus den Menſchen? wenn deine
Handlungen keine buͤrgerlichen Verbindlichkeiten ha-
ben, und blos auf den ſchwankenden Sinn einer
Gutmuͤthigkeit ruhen, die jeder Wind wehet, wo-
hin er will! — Arner wollte es nicht ſo; er bauete
den Gottesdienſt auf den Einfluß ſeiner geſezgebe-
riſchen Volksbildung, die den Geiſt ſeiner Bonnaler
in allen Sachen auf das Weſentliche derſelben auf-
merkſam, und fuͤr daſſelbe real betriebſam machten.

Daß das Kind in der Wiegen verſorget, daß
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[368/0386] men wollte, dem mußte die Gemeinde, das iſt, die Kirche, die Pathenſtelle vertreten; die Vorgeſezten uͤbernahmen die Pflichten dieſer heiligen Verbind- lichkeit, und bey Arners Ordnung mangelten ſie nicht, dieſelbe zu erfuͤllen. Auch die heuchleriſchen Taufzedel, in denen Schaaren verlaſſener Wuͤrmchen von ihren Tauf- zeugen dem lieben Heiland uͤbergeben werden, wie der Joſeph von ſeinen Bruͤdern den Arabern, damit er nicht umkomme, aber ihnen doch aus den Au- gen — verbot er. Die Pfarrer, ſagte er, ſollen Taufſcheine machen, und das ſey genug. — Der Misbrauch dieſer Heuchlerzedel empoͤrte ihn aͤußerſt. In der Zeit, da er hierinn dieſe Aenderung traf, ſagte er mehrmalen, wann er die Stube auf- und abgieng, zu ſich ſelber, Gottesdienſt! Gottesdienſt! was machſt du aus den Menſchen? wenn deine Handlungen keine buͤrgerlichen Verbindlichkeiten ha- ben, und blos auf den ſchwankenden Sinn einer Gutmuͤthigkeit ruhen, die jeder Wind wehet, wo- hin er will! — Arner wollte es nicht ſo; er bauete den Gottesdienſt auf den Einfluß ſeiner geſezgebe- riſchen Volksbildung, die den Geiſt ſeiner Bonnaler in allen Sachen auf das Weſentliche derſelben auf- merkſam, und fuͤr daſſelbe real betriebſam machten. Daß das Kind in der Wiegen verſorget, daß das Alter am Rande des Grabes beruhiget, daß die

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/386>, abgerufen am 29.03.2024.