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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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seiner sinkenden Hand, und konnte ihn ihr fast nicht
geben. --

Hätt' mich, hätt' mich, erwiederte Er, --
und seine Augen starrten -- hätt' mich nur ein
Hund gebissen, aber es nagt ein schlimmers Thier
an meinem Herzen. --

So ein Wort hatte Arner in seinem Leben
nicht geredt; auch erschrack Therese mehr darob,
als sie ob einem Donnerschlag, die sie doch fürch-
tete, erschrocken wäre. Sie sah, daß Er aufs
Aeußerste getrieben, und dem Ausbruch einer Krank-
heit nahe sey, und stammelte mehr, als sie sagte:
"Geh doch ins Bett, wann du heimkommst, du
bist krank --!"

Immer noch so innig herzgut, sagte Er, sie
würden dann meynen, es wäre eine Schalkheit um
des Hunds willen. --

Da sie gegen die Linde kamen, stund Sylvia
vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort.
Das that Arnern von neuem weh. -- Da Er auf
sein Zimmer kam, legte er seinen Kopf auf sein Pult
ab. Alles, was heute begegnet war, stund ihm wie
ein Gemählde vor seinen Augen -- und Sylvia
war der Anfang und das Ende von allem, was ihm
vor Augen stund, sein Blut wallte, und sein In-
nerstes empörte sich immer stärker, je mehr er sie
vor Augen sah. Es überfiel ihn ein Frost, daß

ſeiner ſinkenden Hand, und konnte ihn ihr faſt nicht
geben. —

Haͤtt' mich, haͤtt' mich, erwiederte Er, —
und ſeine Augen ſtarrten — haͤtt' mich nur ein
Hund gebiſſen, aber es nagt ein ſchlimmers Thier
an meinem Herzen. —

So ein Wort hatte Arner in ſeinem Leben
nicht geredt; auch erſchrack Thereſe mehr darob,
als ſie ob einem Donnerſchlag, die ſie doch fuͤrch-
tete, erſchrocken waͤre. Sie ſah, daß Er aufs
Aeußerſte getrieben, und dem Ausbruch einer Krank-
heit nahe ſey, und ſtammelte mehr, als ſie ſagte:
„Geh doch ins Bett, wann du heimkommſt, du
biſt krank —!„

Immer noch ſo innig herzgut, ſagte Er, ſie
wuͤrden dann meynen, es waͤre eine Schalkheit um
des Hunds willen. —

Da ſie gegen die Linde kamen, ſtund Sylvia
vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort.
Das that Arnern von neuem weh. — Da Er auf
ſein Zimmer kam, legte er ſeinen Kopf auf ſein Pult
ab. Alles, was heute begegnet war, ſtund ihm wie
ein Gemaͤhlde vor ſeinen Augen — und Sylvia
war der Anfang und das Ende von allem, was ihm
vor Augen ſtund, ſein Blut wallte, und ſein In-
nerſtes empoͤrte ſich immer ſtaͤrker, je mehr er ſie
vor Augen ſah. Es uͤberfiel ihn ein Froſt, daß

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[41/0059] ſeiner ſinkenden Hand, und konnte ihn ihr faſt nicht geben. — Haͤtt' mich, haͤtt' mich, erwiederte Er, — und ſeine Augen ſtarrten — haͤtt' mich nur ein Hund gebiſſen, aber es nagt ein ſchlimmers Thier an meinem Herzen. — So ein Wort hatte Arner in ſeinem Leben nicht geredt; auch erſchrack Thereſe mehr darob, als ſie ob einem Donnerſchlag, die ſie doch fuͤrch- tete, erſchrocken waͤre. Sie ſah, daß Er aufs Aeußerſte getrieben, und dem Ausbruch einer Krank- heit nahe ſey, und ſtammelte mehr, als ſie ſagte: „Geh doch ins Bett, wann du heimkommſt, du biſt krank —!„ Immer noch ſo innig herzgut, ſagte Er, ſie wuͤrden dann meynen, es waͤre eine Schalkheit um des Hunds willen. — Da ſie gegen die Linde kamen, ſtund Sylvia vor ihren Augen von der Bank auf und gieng fort. Das that Arnern von neuem weh. — Da Er auf ſein Zimmer kam, legte er ſeinen Kopf auf ſein Pult ab. Alles, was heute begegnet war, ſtund ihm wie ein Gemaͤhlde vor ſeinen Augen — und Sylvia war der Anfang und das Ende von allem, was ihm vor Augen ſtund, ſein Blut wallte, und ſein In- nerſtes empoͤrte ſich immer ſtaͤrker, je mehr er ſie vor Augen ſah. Es uͤberfiel ihn ein Froſt, daß

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/59>, abgerufen am 29.03.2024.