Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

nach mathematischer Lehr-Art.
Dunst herausfährt, giebt es einen gewaltigen
Knall, und der herausgesprungene Gedanke krie-
chet auf der Erde.

Erste Erfahrung.

§ 29. Ein gewisser Poete, der sich einen neu-
en großen Poeten
zu seyn dünkte, hielt sich von
einem andern angestochen. Darauf spannte er
die Segel seiner Dichterey so weit auf, daß alle
vier Winde des Himmels hineinstrichen. Sei-
ne Schutzschrift war voller Phöbus und Gali-
mathias (§ 28, 27). Er that so aufgeblasen,
wie der Frosch in der Fabel. Endlich erkannte
er, daß er ein wahrhaftes würdiges Mitglied
der Hans-Sachsen- und Froschmäusler-Gesell-
schaft sey. Seit der Zeit haben wir Friede vor
ihm in gebundener und ungebundener Rede ge-
habt.

6. Grundsatz.

§ 30. Die kriechende Poesie ist mit Ver-
achtung und Verlachung derer neuen Poeten
beschäfftiget
(§ 2).

Dritter Lehrsatz.

§ 31. Ein solcher satyrischer Poete, der
durch seine Stachel-Verse eines guten Lei-
mund und ehrlichen Namen zu kränken, ja
ihn durch falsche Auflagen um sein zeitlich
Glück zu bringen, und vor der Welt zu pro-
stituiren suchet, gehört bey aller seiner Raffi-
nesse mit unter die kriechende Poeten.

Erweis.
C

nach mathematiſcher Lehr-Art.
Dunſt herausfaͤhrt, giebt es einen gewaltigen
Knall, und der herausgeſprungene Gedanke krie-
chet auf der Erde.

Erſte Erfahrung.

§ 29. Ein gewiſſer Poete, der ſich einen neu-
en großen Poeten
zu ſeyn duͤnkte, hielt ſich von
einem andern angeſtochen. Darauf ſpannte er
die Segel ſeiner Dichterey ſo weit auf, daß alle
vier Winde des Himmels hineinſtrichen. Sei-
ne Schutzſchrift war voller Phoͤbus und Gali-
mathias (§ 28, 27). Er that ſo aufgeblaſen,
wie der Froſch in der Fabel. Endlich erkannte
er, daß er ein wahrhaftes wuͤrdiges Mitglied
der Hans-Sachſen- und Froſchmaͤusler-Geſell-
ſchaft ſey. Seit der Zeit haben wir Friede vor
ihm in gebundener und ungebundener Rede ge-
habt.

6. Grundſatz.

§ 30. Die kriechende Poeſie iſt mit Ver-
achtung und Verlachung derer neuen Poeten
beſchaͤfftiget
(§ 2).

Dritter Lehrſatz.

§ 31. Ein ſolcher ſatyriſcher Poete, der
durch ſeine Stachel-Verſe eines guten Lei-
mund und ehrlichen Namen zu kraͤnken, ja
ihn durch falſche Auflagen um ſein zeitlich
Gluͤck zu bringen, und vor der Welt zu pro-
ſtituiren ſuchet, gehoͤrt bey aller ſeiner Raffi-
neſſe mit unter die kriechende Poeten.

Erweis.
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0041" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach mathemati&#x017F;cher Lehr-Art.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Dun&#x017F;t</hi> herausfa&#x0364;hrt, giebt es einen gewaltigen<lb/>
Knall, und der herausge&#x017F;prungene Gedanke krie-<lb/>
chet auf der Erde.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Er&#x017F;te Erfahrung.</hi> </head><lb/>
              <p>§ 29. Ein gewi&#x017F;&#x017F;er Poete, der &#x017F;ich einen <hi rendition="#fr">neu-<lb/>
en großen Poeten</hi> zu &#x017F;eyn du&#x0364;nkte, hielt &#x017F;ich von<lb/>
einem andern ange&#x017F;tochen. Darauf &#x017F;pannte er<lb/>
die Segel &#x017F;einer Dichterey &#x017F;o weit auf, daß alle<lb/>
vier Winde des Himmels hinein&#x017F;trichen. Sei-<lb/>
ne Schutz&#x017F;chrift war voller Pho&#x0364;bus und Gali-<lb/>
mathias (§ 28, 27). Er that &#x017F;o aufgebla&#x017F;en,<lb/>
wie der Fro&#x017F;ch in der Fabel. Endlich erkannte<lb/>
er, daß er ein wahrhaftes wu&#x0364;rdiges Mitglied<lb/>
der Hans-Sach&#x017F;en- und Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;ey. Seit der Zeit haben wir Friede vor<lb/>
ihm in gebundener und ungebundener Rede ge-<lb/>
habt.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">6. Grund&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
            <p>§ 30. <hi rendition="#fr">Die kriechende Poe&#x017F;ie i&#x017F;t mit Ver-<lb/>
achtung und Verlachung derer neuen Poeten<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;fftiget</hi> (§ 2).</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Dritter Lehr&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
              <p>§ 31. <hi rendition="#fr">Ein &#x017F;olcher &#x017F;atyri&#x017F;cher Poete, der<lb/>
durch &#x017F;eine Stachel-Ver&#x017F;e eines guten Lei-<lb/>
mund und ehrlichen Namen zu kra&#x0364;nken, ja<lb/>
ihn durch fal&#x017F;che Auflagen um &#x017F;ein zeitlich<lb/>
Glu&#x0364;ck zu bringen, und vor der Welt zu pro-<lb/>
&#x017F;tituiren &#x017F;uchet, geho&#x0364;rt bey aller &#x017F;einer Raffi-<lb/>
ne&#x017F;&#x017F;e mit unter die kriechende Poeten.</hi></p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">C</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Erweis.</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0041] nach mathematiſcher Lehr-Art. Dunſt herausfaͤhrt, giebt es einen gewaltigen Knall, und der herausgeſprungene Gedanke krie- chet auf der Erde. Erſte Erfahrung. § 29. Ein gewiſſer Poete, der ſich einen neu- en großen Poeten zu ſeyn duͤnkte, hielt ſich von einem andern angeſtochen. Darauf ſpannte er die Segel ſeiner Dichterey ſo weit auf, daß alle vier Winde des Himmels hineinſtrichen. Sei- ne Schutzſchrift war voller Phoͤbus und Gali- mathias (§ 28, 27). Er that ſo aufgeblaſen, wie der Froſch in der Fabel. Endlich erkannte er, daß er ein wahrhaftes wuͤrdiges Mitglied der Hans-Sachſen- und Froſchmaͤusler-Geſell- ſchaft ſey. Seit der Zeit haben wir Friede vor ihm in gebundener und ungebundener Rede ge- habt. 6. Grundſatz. § 30. Die kriechende Poeſie iſt mit Ver- achtung und Verlachung derer neuen Poeten beſchaͤfftiget (§ 2). Dritter Lehrſatz. § 31. Ein ſolcher ſatyriſcher Poete, der durch ſeine Stachel-Verſe eines guten Lei- mund und ehrlichen Namen zu kraͤnken, ja ihn durch falſche Auflagen um ſein zeitlich Gluͤck zu bringen, und vor der Welt zu pro- ſtituiren ſuchet, gehoͤrt bey aller ſeiner Raffi- neſſe mit unter die kriechende Poeten. Erweis. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/41
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/41>, abgerufen am 28.03.2024.