Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_015.001
das, unerklärbar nach seinem Ursprunge, nach ppo_015.002
seiner Ankündigung aber in einer gleichmäßigen Thätigkeit ppo_015.003
des Gefühlsvermögens und der Einbildungskraft ppo_015.004
besteht, ist die Bedingung der äußern dichterischen ppo_015.005
Darstellung
vermittelst der Sprache. ppo_015.006
Wo jenes innere dichterische Leben fehlt; da kann die ppo_015.007
Sprachform, -- sogar bei aller technischen Vollkommenheit, ppo_015.008
-- den dichterischen Charakter nicht an ppo_015.009
sich tragen; allein eben so wenig darf auch der dichterischen ppo_015.010
Darstellung, wenn sie aus jener Fülle des ppo_015.011
innern Lebens entsprungen ist, die äußere Vollendung ppo_015.012
der Form fehlen, weil sie nur nach dieser ppo_015.013
unter das höchste Gesetz für alle stylistische Darstellung, ppo_015.014
unter das Gesetz der Form (Th. 1, S. ppo_015.015
224), gebracht werden kann. -- Der Charakter ppo_015.016
eines dichterischen Kunstwerkes beruht also darauf, ppo_015.017
daß in demselben, als Stoff, reine und unmittelbare ppo_015.018
Gefühle
versinnlicht, diese aber, vermittelst ppo_015.019
der schöpferischen Thätigkeit der Einbildungskraft, ppo_015.020
zu einer idealischen Form für die innere ppo_015.021
Anschauung,
und, in Angemessenheit zu diesem ppo_015.022
dem Dichter im Bewußtseyn vorschwebenden Urbilde, ppo_015.023
sodann in der Sprachdarstellung zu einer ppo_015.024
vollendeten äußern Form erhoben werden. Jndem ppo_015.025
auf diese Weise das dichterische Erzeugniß entsteht, ppo_015.026
erscheint es, wie jedes andere Kunstwerk, als die ppo_015.027
Versinnlichung eines im Bewußtseyn vergegenwärtigten ppo_015.028
Jdeals,
als unmittelbare Folge ppo_015.029
der vorhergegangenen hohen Rührung und Bewegung ppo_015.030
des Gefühlsvermögens, und als selbstthätiges Erzeugniß ppo_015.031
der Einbildungskraft.

ppo_015.032

Durch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sich ppo_015.033
aber auch der wahre Dichter von dem Prosaiker, ppo_015.034
welcher seine unmittelbaren Begriffe und Jdeen darstellt,

ppo_015.001
das, unerklärbar nach seinem Ursprunge, nach ppo_015.002
seiner Ankündigung aber in einer gleichmäßigen Thätigkeit ppo_015.003
des Gefühlsvermögens und der Einbildungskraft ppo_015.004
besteht, ist die Bedingung der äußern dichterischen ppo_015.005
Darstellung
vermittelst der Sprache. ppo_015.006
Wo jenes innere dichterische Leben fehlt; da kann die ppo_015.007
Sprachform, — sogar bei aller technischen Vollkommenheit, ppo_015.008
— den dichterischen Charakter nicht an ppo_015.009
sich tragen; allein eben so wenig darf auch der dichterischen ppo_015.010
Darstellung, wenn sie aus jener Fülle des ppo_015.011
innern Lebens entsprungen ist, die äußere Vollendung ppo_015.012
der Form fehlen, weil sie nur nach dieser ppo_015.013
unter das höchste Gesetz für alle stylistische Darstellung, ppo_015.014
unter das Gesetz der Form (Th. 1, S. ppo_015.015
224), gebracht werden kann. — Der Charakter ppo_015.016
eines dichterischen Kunstwerkes beruht also darauf, ppo_015.017
daß in demselben, als Stoff, reine und unmittelbare ppo_015.018
Gefühle
versinnlicht, diese aber, vermittelst ppo_015.019
der schöpferischen Thätigkeit der Einbildungskraft, ppo_015.020
zu einer idealischen Form für die innere ppo_015.021
Anschauung,
und, in Angemessenheit zu diesem ppo_015.022
dem Dichter im Bewußtseyn vorschwebenden Urbilde, ppo_015.023
sodann in der Sprachdarstellung zu einer ppo_015.024
vollendeten äußern Form erhoben werden. Jndem ppo_015.025
auf diese Weise das dichterische Erzeugniß entsteht, ppo_015.026
erscheint es, wie jedes andere Kunstwerk, als die ppo_015.027
Versinnlichung eines im Bewußtseyn vergegenwärtigten ppo_015.028
Jdeals,
als unmittelbare Folge ppo_015.029
der vorhergegangenen hohen Rührung und Bewegung ppo_015.030
des Gefühlsvermögens, und als selbstthätiges Erzeugniß ppo_015.031
der Einbildungskraft.

ppo_015.032

Durch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sich ppo_015.033
aber auch der wahre Dichter von dem Prosaiker, ppo_015.034
welcher seine unmittelbaren Begriffe und Jdeen darstellt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="15"/><lb n="ppo_015.001"/> das, unerklärbar nach seinem Ursprunge, nach <lb n="ppo_015.002"/>seiner Ankündigung aber in einer gleichmäßigen Thätigkeit <lb n="ppo_015.003"/>des Gefühlsvermögens und der Einbildungskraft <lb n="ppo_015.004"/>besteht, ist die Bedingung der <hi rendition="#g">äußern dichterischen <lb n="ppo_015.005"/>Darstellung</hi> vermittelst der Sprache. <lb n="ppo_015.006"/>Wo jenes innere dichterische Leben fehlt; da kann die <lb n="ppo_015.007"/>Sprachform, &#x2014; sogar bei aller technischen Vollkommenheit, <lb n="ppo_015.008"/>&#x2014; den dichterischen Charakter nicht an <lb n="ppo_015.009"/>sich tragen; allein eben so wenig darf auch der dichterischen <lb n="ppo_015.010"/>Darstellung, wenn sie aus jener Fülle des <lb n="ppo_015.011"/>innern Lebens entsprungen ist, die äußere Vollendung <lb n="ppo_015.012"/>der Form fehlen, weil sie <hi rendition="#g">nur nach dieser</hi> <lb n="ppo_015.013"/>unter das höchste Gesetz für alle stylistische Darstellung, <lb n="ppo_015.014"/>unter das <hi rendition="#g">Gesetz der Form</hi> (Th. 1, S. <lb n="ppo_015.015"/>224), gebracht werden kann. &#x2014; Der Charakter <lb n="ppo_015.016"/>eines dichterischen Kunstwerkes beruht also darauf, <lb n="ppo_015.017"/>daß in demselben, als <hi rendition="#g">Stoff, reine</hi> und <hi rendition="#g">unmittelbare <lb n="ppo_015.018"/>Gefühle</hi> versinnlicht, diese aber, vermittelst <lb n="ppo_015.019"/>der schöpferischen Thätigkeit der Einbildungskraft, <lb n="ppo_015.020"/>zu einer <hi rendition="#g">idealischen Form für die innere <lb n="ppo_015.021"/>Anschauung,</hi> und, in Angemessenheit zu diesem <lb n="ppo_015.022"/>dem Dichter im Bewußtseyn vorschwebenden <hi rendition="#g">Urbilde,</hi> <lb n="ppo_015.023"/>sodann <hi rendition="#g">in der Sprachdarstellung</hi> zu einer <lb n="ppo_015.024"/>vollendeten <hi rendition="#g">äußern</hi> Form erhoben werden. Jndem <lb n="ppo_015.025"/>auf diese Weise das dichterische Erzeugniß entsteht, <lb n="ppo_015.026"/>erscheint es, wie jedes andere Kunstwerk, als die <lb n="ppo_015.027"/><hi rendition="#g">Versinnlichung eines im Bewußtseyn vergegenwärtigten <lb n="ppo_015.028"/>Jdeals,</hi> als unmittelbare Folge <lb n="ppo_015.029"/>der vorhergegangenen hohen Rührung und Bewegung <lb n="ppo_015.030"/>des Gefühlsvermögens, und als selbstthätiges Erzeugniß <lb n="ppo_015.031"/>der Einbildungskraft.</p>
          <lb n="ppo_015.032"/>
          <p>  Durch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sich <lb n="ppo_015.033"/>aber auch der wahre Dichter von dem Prosaiker, <lb n="ppo_015.034"/>welcher seine unmittelbaren Begriffe und Jdeen darstellt,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0027] ppo_015.001 das, unerklärbar nach seinem Ursprunge, nach ppo_015.002 seiner Ankündigung aber in einer gleichmäßigen Thätigkeit ppo_015.003 des Gefühlsvermögens und der Einbildungskraft ppo_015.004 besteht, ist die Bedingung der äußern dichterischen ppo_015.005 Darstellung vermittelst der Sprache. ppo_015.006 Wo jenes innere dichterische Leben fehlt; da kann die ppo_015.007 Sprachform, — sogar bei aller technischen Vollkommenheit, ppo_015.008 — den dichterischen Charakter nicht an ppo_015.009 sich tragen; allein eben so wenig darf auch der dichterischen ppo_015.010 Darstellung, wenn sie aus jener Fülle des ppo_015.011 innern Lebens entsprungen ist, die äußere Vollendung ppo_015.012 der Form fehlen, weil sie nur nach dieser ppo_015.013 unter das höchste Gesetz für alle stylistische Darstellung, ppo_015.014 unter das Gesetz der Form (Th. 1, S. ppo_015.015 224), gebracht werden kann. — Der Charakter ppo_015.016 eines dichterischen Kunstwerkes beruht also darauf, ppo_015.017 daß in demselben, als Stoff, reine und unmittelbare ppo_015.018 Gefühle versinnlicht, diese aber, vermittelst ppo_015.019 der schöpferischen Thätigkeit der Einbildungskraft, ppo_015.020 zu einer idealischen Form für die innere ppo_015.021 Anschauung, und, in Angemessenheit zu diesem ppo_015.022 dem Dichter im Bewußtseyn vorschwebenden Urbilde, ppo_015.023 sodann in der Sprachdarstellung zu einer ppo_015.024 vollendeten äußern Form erhoben werden. Jndem ppo_015.025 auf diese Weise das dichterische Erzeugniß entsteht, ppo_015.026 erscheint es, wie jedes andere Kunstwerk, als die ppo_015.027 Versinnlichung eines im Bewußtseyn vergegenwärtigten ppo_015.028 Jdeals, als unmittelbare Folge ppo_015.029 der vorhergegangenen hohen Rührung und Bewegung ppo_015.030 des Gefühlsvermögens, und als selbstthätiges Erzeugniß ppo_015.031 der Einbildungskraft. ppo_015.032 Durch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sich ppo_015.033 aber auch der wahre Dichter von dem Prosaiker, ppo_015.034 welcher seine unmittelbaren Begriffe und Jdeen darstellt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/27
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/27>, abgerufen am 14.10.2024.