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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Gestaltung mußte nothwendig von der höhern ppo_026.002
Reife der Sprache selbst abhängen, und nur ppo_026.003
nach seiner Ankündigung in diesem spätern und gereiftern ppo_026.004
Zeitalter kann über ihn entschieden werden, ppo_026.005
wenn man nicht ungerecht über diese eigenthümliche ppo_026.006
äußere Form der teutschen Dichtkunst absprechen ppo_026.007
will. Denn allerdings war die Accentuation ppo_026.008
der teutschen Sprache, als prosodischer Charakter ppo_026.009
derselben, bereits bestimmt, bevor die ersten Gesänge ppo_026.010
teutscher Dichter ertönten. Diese Dichter ppo_026.011
waren daher, sogleich bei ihrem ersten Auftreten in ppo_026.012
der Mitte des Volkes, in Hinsicht der Länge und ppo_026.013
Kürze der Sylben an die vorgefundene Herrschaft ppo_026.014
des Accents gebunden, wodurch zugleich die Prosodie ppo_026.015
der teutschen Sprache, in ihrer damaligen Gestalt, ppo_026.016
von der Prosodie der quantitirenden Sprachen wesentlich ppo_026.017
sich unterscheiden mußte.

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Nach dem geschichtlichen Charakter der teutschen ppo_026.019
Sprache, als einer accentuirten, sind aber, in ppo_026.020
der Prosodie derselben, accentuirte Sylben lange, ppo_026.021
und accentlose Sylben kurze Sylben. Der Zeit ppo_026.022
nach füllen die ersten zwei Theile aus, während ppo_026.023
den letzten nur ein Theil zukommt, so daß für eine ppo_026.024
jede lange Sylbe zwei kurze, und für zwei kurze ppo_026.025
eine lange stehen können. Zugleich erscheint, nach ppo_026.026
dem prosodischen Verhältnisse, die rhythmisch accentuirte ppo_026.027
Sylbe als Grund, die rhythmisch accentlose ppo_026.028
als Folge, und durch die Verbindung beider in ppo_026.029
der Rede entsteht eine rhythmische Sylbenreihe. Weil ppo_026.030
aber, ihrem Grundcharakter nach, in der teutschen ppo_026.031
Sprache der Accent nur auf Sylben gelegt wird, ppo_026.032
welchen die Bezeichnung des Sinnes in der Rede ppo_026.033
zukommt; so hängt auch in der teutschen Sprache ppo_026.034
das Verhältniß der accentuirten und accentlosen

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Gestaltung mußte nothwendig von der höhern ppo_026.002
Reife der Sprache selbst abhängen, und nur ppo_026.003
nach seiner Ankündigung in diesem spätern und gereiftern ppo_026.004
Zeitalter kann über ihn entschieden werden, ppo_026.005
wenn man nicht ungerecht über diese eigenthümliche ppo_026.006
äußere Form der teutschen Dichtkunst absprechen ppo_026.007
will. Denn allerdings war die Accentuation ppo_026.008
der teutschen Sprache, als prosodischer Charakter ppo_026.009
derselben, bereits bestimmt, bevor die ersten Gesänge ppo_026.010
teutscher Dichter ertönten. Diese Dichter ppo_026.011
waren daher, sogleich bei ihrem ersten Auftreten in ppo_026.012
der Mitte des Volkes, in Hinsicht der Länge und ppo_026.013
Kürze der Sylben an die vorgefundene Herrschaft ppo_026.014
des Accents gebunden, wodurch zugleich die Prosodie ppo_026.015
der teutschen Sprache, in ihrer damaligen Gestalt, ppo_026.016
von der Prosodie der quantitirenden Sprachen wesentlich ppo_026.017
sich unterscheiden mußte.

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Nach dem geschichtlichen Charakter der teutschen ppo_026.019
Sprache, als einer accentuirten, sind aber, in ppo_026.020
der Prosodie derselben, accentuirte Sylben lange, ppo_026.021
und accentlose Sylben kurze Sylben. Der Zeit ppo_026.022
nach füllen die ersten zwei Theile aus, während ppo_026.023
den letzten nur ein Theil zukommt, so daß für eine ppo_026.024
jede lange Sylbe zwei kurze, und für zwei kurze ppo_026.025
eine lange stehen können. Zugleich erscheint, nach ppo_026.026
dem prosodischen Verhältnisse, die rhythmisch accentuirte ppo_026.027
Sylbe als Grund, die rhythmisch accentlose ppo_026.028
als Folge, und durch die Verbindung beider in ppo_026.029
der Rede entsteht eine rhythmische Sylbenreihe. Weil ppo_026.030
aber, ihrem Grundcharakter nach, in der teutschen ppo_026.031
Sprache der Accent nur auf Sylben gelegt wird, ppo_026.032
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[26/0038] ppo_026.001 Gestaltung mußte nothwendig von der höhern ppo_026.002 Reife der Sprache selbst abhängen, und nur ppo_026.003 nach seiner Ankündigung in diesem spätern und gereiftern ppo_026.004 Zeitalter kann über ihn entschieden werden, ppo_026.005 wenn man nicht ungerecht über diese eigenthümliche ppo_026.006 äußere Form der teutschen Dichtkunst absprechen ppo_026.007 will. Denn allerdings war die Accentuation ppo_026.008 der teutschen Sprache, als prosodischer Charakter ppo_026.009 derselben, bereits bestimmt, bevor die ersten Gesänge ppo_026.010 teutscher Dichter ertönten. Diese Dichter ppo_026.011 waren daher, sogleich bei ihrem ersten Auftreten in ppo_026.012 der Mitte des Volkes, in Hinsicht der Länge und ppo_026.013 Kürze der Sylben an die vorgefundene Herrschaft ppo_026.014 des Accents gebunden, wodurch zugleich die Prosodie ppo_026.015 der teutschen Sprache, in ihrer damaligen Gestalt, ppo_026.016 von der Prosodie der quantitirenden Sprachen wesentlich ppo_026.017 sich unterscheiden mußte. ppo_026.018 Nach dem geschichtlichen Charakter der teutschen ppo_026.019 Sprache, als einer accentuirten, sind aber, in ppo_026.020 der Prosodie derselben, accentuirte Sylben lange, ppo_026.021 und accentlose Sylben kurze Sylben. Der Zeit ppo_026.022 nach füllen die ersten zwei Theile aus, während ppo_026.023 den letzten nur ein Theil zukommt, so daß für eine ppo_026.024 jede lange Sylbe zwei kurze, und für zwei kurze ppo_026.025 eine lange stehen können. Zugleich erscheint, nach ppo_026.026 dem prosodischen Verhältnisse, die rhythmisch accentuirte ppo_026.027 Sylbe als Grund, die rhythmisch accentlose ppo_026.028 als Folge, und durch die Verbindung beider in ppo_026.029 der Rede entsteht eine rhythmische Sylbenreihe. Weil ppo_026.030 aber, ihrem Grundcharakter nach, in der teutschen ppo_026.031 Sprache der Accent nur auf Sylben gelegt wird, ppo_026.032 welchen die Bezeichnung des Sinnes in der Rede ppo_026.033 zukommt; so hängt auch in der teutschen Sprache ppo_026.034 das Verhältniß der accentuirten und accentlosen

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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/38>, abgerufen am 28.03.2024.