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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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werden könne. -- Aber die gute Mutter hatte ihre kleinstädtischen Vorurteile.

Nachdem sie vier Kinder so jäh verloren, ahnte sie wohl, daß eine Zukunft für Indra als Tippfräulein oder Büfettdame auch kein Glück bringen könnte. Obgleich Indra meinte, sie könne ja eine "Sekretärin" werden und hohes Salär erhalten. Aber die Mutter sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen, und Indra fühlte zu wenig inneren Drang zu der ganzen Sache, um ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen.

So ging dies kleine Pfennigkampfleben draußen in Friedenau, das nur dem Namen nach eine Vorstadt mit freien Lüften ist, Jahr für Jahr unverändert weiter. Indra hatte in einem englischen Buch eine Stelle gefunden, die ihr tiefen Eindruck machte. "Die letzten schönen Jugendjahre zögerten vorbei in Kleinlichkeit und Alltag." -- Daran mußte sie immer denken. -- Würde ihr ganzes Leben in Kleinlichkeit und Alltag ersticken? -- Mußte sie ewig draußen stehen und die herrlichen Weihnachtslichter des Lebens nur für andere brennen sehen?

werden könne. — Aber die gute Mutter hatte ihre kleinstädtischen Vorurteile.

Nachdem sie vier Kinder so jäh verloren, ahnte sie wohl, daß eine Zukunft für Indra als Tippfräulein oder Büfettdame auch kein Glück bringen könnte. Obgleich Indra meinte, sie könne ja eine „Sekretärin“ werden und hohes Salär erhalten. Aber die Mutter sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen, und Indra fühlte zu wenig inneren Drang zu der ganzen Sache, um ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen.

So ging dies kleine Pfennigkampfleben draußen in Friedenau, das nur dem Namen nach eine Vorstadt mit freien Lüften ist, Jahr für Jahr unverändert weiter. Indra hatte in einem englischen Buch eine Stelle gefunden, die ihr tiefen Eindruck machte. „Die letzten schönen Jugendjahre zögerten vorbei in Kleinlichkeit und Alltag.“ — Daran mußte sie immer denken. — Würde ihr ganzes Leben in Kleinlichkeit und Alltag ersticken? — Mußte sie ewig draußen stehen und die herrlichen Weihnachtslichter des Lebens nur für andere brennen sehen?

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[22/0021] werden könne. — Aber die gute Mutter hatte ihre kleinstädtischen Vorurteile. Nachdem sie vier Kinder so jäh verloren, ahnte sie wohl, daß eine Zukunft für Indra als Tippfräulein oder Büfettdame auch kein Glück bringen könnte. Obgleich Indra meinte, sie könne ja eine „Sekretärin“ werden und hohes Salär erhalten. Aber die Mutter sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen, und Indra fühlte zu wenig inneren Drang zu der ganzen Sache, um ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen. So ging dies kleine Pfennigkampfleben draußen in Friedenau, das nur dem Namen nach eine Vorstadt mit freien Lüften ist, Jahr für Jahr unverändert weiter. Indra hatte in einem englischen Buch eine Stelle gefunden, die ihr tiefen Eindruck machte. „Die letzten schönen Jugendjahre zögerten vorbei in Kleinlichkeit und Alltag.“ — Daran mußte sie immer denken. — Würde ihr ganzes Leben in Kleinlichkeit und Alltag ersticken? — Mußte sie ewig draußen stehen und die herrlichen Weihnachtslichter des Lebens nur für andere brennen sehen?

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/21>, abgerufen am 28.03.2024.