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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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Tunis einträfe, was bei dem herrlichen Wetter aber nur ein Gewinn sei. Indra war ganz seiner Ansicht und genoß die zwei Tage in seiner anregenden Gesellschaft. Am dritten Morgen legte der Dampfer schon im Hafen an. "Lassen Sie mich nach Frau Meranow Umschau halten, gnädiges Fräulein, bleiben Sie ruhig hier sitzen, ich führe sie Ihnen zu."

Indra saß auf dem Oberdeck und genoß das Schauspiel der Einfahrt. Hunderte brauner Gestalten überschwemmten jetzt das Deck. Nach einiger Zeit kam Brostoczicz mit einer eleganten, schwarzhaarigen Dame, nicht mehr "jung", aber "noch jung", auf Indra zugeschritten. "La voici" rief die Dame und umarmte sie. Indra erwiderte die Umarmung herzlich und wunderte sich, wie schick und jung Madame Meranow noch aussähe. -- "Pauvre petite," sagte jetzt die Fremde, "meine Schwägerin ist vorgestern vom Schlag gerührt worden, ihre Tochter hat mich telegraphisch beauftragt, Sie nun nach Singapore zu führen, wo sie eine große Damenpension unterhält. Sie sollen dort den Haushalt leiten, sich nützlich machen und

Tunis einträfe, was bei dem herrlichen Wetter aber nur ein Gewinn sei. Indra war ganz seiner Ansicht und genoß die zwei Tage in seiner anregenden Gesellschaft. Am dritten Morgen legte der Dampfer schon im Hafen an. „Lassen Sie mich nach Frau Meranow Umschau halten, gnädiges Fräulein, bleiben Sie ruhig hier sitzen, ich führe sie Ihnen zu.“

Indra saß auf dem Oberdeck und genoß das Schauspiel der Einfahrt. Hunderte brauner Gestalten überschwemmten jetzt das Deck. Nach einiger Zeit kam Brostoczicz mit einer eleganten, schwarzhaarigen Dame, nicht mehr „jung“, aber „noch jung“, auf Indra zugeschritten. „La voiçi“ rief die Dame und umarmte sie. Indra erwiderte die Umarmung herzlich und wunderte sich, wie schick und jung Madame Meranow noch aussähe. — „Pauvre petite,“ sagte jetzt die Fremde, „meine Schwägerin ist vorgestern vom Schlag gerührt worden, ihre Tochter hat mich telegraphisch beauftragt, Sie nun nach Singapore zu führen, wo sie eine große Damenpension unterhält. Sie sollen dort den Haushalt leiten, sich nützlich machen und

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[35/0034] Tunis einträfe, was bei dem herrlichen Wetter aber nur ein Gewinn sei. Indra war ganz seiner Ansicht und genoß die zwei Tage in seiner anregenden Gesellschaft. Am dritten Morgen legte der Dampfer schon im Hafen an. „Lassen Sie mich nach Frau Meranow Umschau halten, gnädiges Fräulein, bleiben Sie ruhig hier sitzen, ich führe sie Ihnen zu.“ Indra saß auf dem Oberdeck und genoß das Schauspiel der Einfahrt. Hunderte brauner Gestalten überschwemmten jetzt das Deck. Nach einiger Zeit kam Brostoczicz mit einer eleganten, schwarzhaarigen Dame, nicht mehr „jung“, aber „noch jung“, auf Indra zugeschritten. „La voiçi“ rief die Dame und umarmte sie. Indra erwiderte die Umarmung herzlich und wunderte sich, wie schick und jung Madame Meranow noch aussähe. — „Pauvre petite,“ sagte jetzt die Fremde, „meine Schwägerin ist vorgestern vom Schlag gerührt worden, ihre Tochter hat mich telegraphisch beauftragt, Sie nun nach Singapore zu führen, wo sie eine große Damenpension unterhält. Sie sollen dort den Haushalt leiten, sich nützlich machen und

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/34>, abgerufen am 23.04.2024.