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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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sagte Madame Vais freundlich und klopfte Indra auf die Schulter. Unmerklich streifte diese die Berührung ab und ein leises, fast rätselhaftes Lächeln huschte über ihre Züge. Indra -- und "zahm kriegen". Die Frau würde sehen! Freiwillig tat sie alles, "zahm kriegen" ließ sie sich nie. -- Die ganze Gesellschaft stieg nun in Rickshaws, und es ging erst durch die neue, schöne Fremdenstadt, an Raffles Hotel, vor den großen Wiesen, vorbei, dann bog man in ein Gewirr zahlloser, kleiner Gäßchen, die einen merkwürdigen, fast ausgestorbenen Eindruck machten, oder als ob hier alles im Dornröschenschlaf läge. -- In der Chinatown war's etwas lebendiger, aber dann ging es wieder in schmale, schmutzige Gassen mit niederen, dunklen Häusern. Es schien Indra, als ob sie aus diesem Labyrinth, ohne den Faden der Ariadne, niemals wieder herausfände. Die Rickshaws hielten. -- "Meine Fräuleins schlafen noch, wir halten bis spät nachts Gesellschaft", sagte Madame Vais. "Komm, Kind, ich zeig dir dein Zimmer, -- ich nenne alle meine Fräulein du. Die acht Tage, die Boris hier bleibt, darfst du dich

sagte Madame Vais freundlich und klopfte Indra auf die Schulter. Unmerklich streifte diese die Berührung ab und ein leises, fast rätselhaftes Lächeln huschte über ihre Züge. Indra — und „zahm kriegen“. Die Frau würde sehen! Freiwillig tat sie alles, „zahm kriegen“ ließ sie sich nie. — Die ganze Gesellschaft stieg nun in Rickshaws, und es ging erst durch die neue, schöne Fremdenstadt, an Rafflés Hotel, vor den großen Wiesen, vorbei, dann bog man in ein Gewirr zahlloser, kleiner Gäßchen, die einen merkwürdigen, fast ausgestorbenen Eindruck machten, oder als ob hier alles im Dornröschenschlaf läge. — In der Chinatown war’s etwas lebendiger, aber dann ging es wieder in schmale, schmutzige Gassen mit niederen, dunklen Häusern. Es schien Indra, als ob sie aus diesem Labyrinth, ohne den Faden der Ariadne, niemals wieder herausfände. Die Rickshaws hielten. — „Meine Fräuleins schlafen noch, wir halten bis spät nachts Gesellschaft“, sagte Madame Vais. „Komm, Kind, ich zeig dir dein Zimmer, — ich nenne alle meine Fräulein du. Die acht Tage, die Boris hier bleibt, darfst du dich

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[49/0048] sagte Madame Vais freundlich und klopfte Indra auf die Schulter. Unmerklich streifte diese die Berührung ab und ein leises, fast rätselhaftes Lächeln huschte über ihre Züge. Indra — und „zahm kriegen“. Die Frau würde sehen! Freiwillig tat sie alles, „zahm kriegen“ ließ sie sich nie. — Die ganze Gesellschaft stieg nun in Rickshaws, und es ging erst durch die neue, schöne Fremdenstadt, an Rafflés Hotel, vor den großen Wiesen, vorbei, dann bog man in ein Gewirr zahlloser, kleiner Gäßchen, die einen merkwürdigen, fast ausgestorbenen Eindruck machten, oder als ob hier alles im Dornröschenschlaf läge. — In der Chinatown war’s etwas lebendiger, aber dann ging es wieder in schmale, schmutzige Gassen mit niederen, dunklen Häusern. Es schien Indra, als ob sie aus diesem Labyrinth, ohne den Faden der Ariadne, niemals wieder herausfände. Die Rickshaws hielten. — „Meine Fräuleins schlafen noch, wir halten bis spät nachts Gesellschaft“, sagte Madame Vais. „Komm, Kind, ich zeig dir dein Zimmer, — ich nenne alle meine Fräulein du. Die acht Tage, die Boris hier bleibt, darfst du dich

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/48>, abgerufen am 18.04.2024.