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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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Mutter war noch immer kein Lebenszeichen gekommen. Indra fing nun allen Ernstes an zu glauben, Frau Versen wolle nichts mehr von ihrer Tochter wissen. Nachdem auch auf den beschwörenden Brief mit der Bitte um telegraphische Geldsendung, dem am anderen Tage eine nochmalige flehende Bittkarte um Eile gefolgt war, die ihr Boris sofort besorgt hatte, kein Lebenszeichen erfolgt war, auch nicht das leiseste Lebenszeichen! Nun hatte sie niemand, zu dem sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatte, außer Boris. Aber auch an ihm fing sie wieder an zu zweifeln, nachdem ihr Margot mancherlei über ihn erzählt. Dunkle Gerüchte umgaben seine Person. Man sagte, er sei durch schändliches Gewerbe schwer reich geworden.

Nun war bald Weihnacht. Tiefe Wehmut überkam Indra bei diesem Gedanken. Ihre einzige Rettung war, sich mit Feuereifer auf den Hausstand zu werfen. Noch nie hatten die Damen der "pension" Vais so gut gegessen wie seit Indras Regiment. Und noch nie hatte Madame Vais so wenig Wirtschaftsgeld verbraucht. Indra hatte

Mutter war noch immer kein Lebenszeichen gekommen. Indra fing nun allen Ernstes an zu glauben, Frau Versen wolle nichts mehr von ihrer Tochter wissen. Nachdem auch auf den beschwörenden Brief mit der Bitte um telegraphische Geldsendung, dem am anderen Tage eine nochmalige flehende Bittkarte um Eile gefolgt war, die ihr Boris sofort besorgt hatte, kein Lebenszeichen erfolgt war, auch nicht das leiseste Lebenszeichen! Nun hatte sie niemand, zu dem sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatte, außer Boris. Aber auch an ihm fing sie wieder an zu zweifeln, nachdem ihr Margot mancherlei über ihn erzählt. Dunkle Gerüchte umgaben seine Person. Man sagte, er sei durch schändliches Gewerbe schwer reich geworden.

Nun war bald Weihnacht. Tiefe Wehmut überkam Indra bei diesem Gedanken. Ihre einzige Rettung war, sich mit Feuereifer auf den Hausstand zu werfen. Noch nie hatten die Damen der „pension“ Vais so gut gegessen wie seit Indras Regiment. Und noch nie hatte Madame Vais so wenig Wirtschaftsgeld verbraucht. Indra hatte

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[81/0080] Mutter war noch immer kein Lebenszeichen gekommen. Indra fing nun allen Ernstes an zu glauben, Frau Versen wolle nichts mehr von ihrer Tochter wissen. Nachdem auch auf den beschwörenden Brief mit der Bitte um telegraphische Geldsendung, dem am anderen Tage eine nochmalige flehende Bittkarte um Eile gefolgt war, die ihr Boris sofort besorgt hatte, kein Lebenszeichen erfolgt war, auch nicht das leiseste Lebenszeichen! Nun hatte sie niemand, zu dem sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatte, außer Boris. Aber auch an ihm fing sie wieder an zu zweifeln, nachdem ihr Margot mancherlei über ihn erzählt. Dunkle Gerüchte umgaben seine Person. Man sagte, er sei durch schändliches Gewerbe schwer reich geworden. Nun war bald Weihnacht. Tiefe Wehmut überkam Indra bei diesem Gedanken. Ihre einzige Rettung war, sich mit Feuereifer auf den Hausstand zu werfen. Noch nie hatten die Damen der „pension“ Vais so gut gegessen wie seit Indras Regiment. Und noch nie hatte Madame Vais so wenig Wirtschaftsgeld verbraucht. Indra hatte

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/80>, abgerufen am 25.04.2024.