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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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lustig zu in der Pension Vais. Indra hatte ein Orangenbäumchen als Christbaum mit Lichtern frisiert, und Margot spielte dazu "Stille Nacht, heilige Nacht". Wie eine Blasphemie erschien es Indra. Es wurde viel Punsch konsumiert an jenem Abend, alle Fräulein waren separat beschäftigt, und Madame strahlte.

Drei Angebote hatte sie heute für Indra. Sie vertröstete alle Liebhaber auf die nächste Zukunft. Aber sie mußte dem Mädchen doch sagen, daß, wenn sie nur wolle, sie Margot bald Konkurrenz machen könne. -- "Aber ich will nicht," sagte Indra, "ich bin Hausdame, man kann nicht zweien Herren dienen." -- Und das Leben ging seinen Gang. Es kam kein Brief für sie, ihre Mutter hatte sie vergessen.

Ihr war's, als solle sie innerlich versteinen. Nun war sie vogelfrei -- nun konnte der erste beste seinen Mut an ihr kühlen, und keiner durfte es ihm verwehren. Wenn nur Boris bald kam, sie von hier fortzunehmen. Die "europäische" Sinnenlust ward ihr immer schrecklicher. Wie recht doch Boris hatte, daß die Asiaten alles viel

lustig zu in der Pension Vais. Indra hatte ein Orangenbäumchen als Christbaum mit Lichtern frisiert, und Margot spielte dazu „Stille Nacht, heilige Nacht“. Wie eine Blasphemie erschien es Indra. Es wurde viel Punsch konsumiert an jenem Abend, alle Fräulein waren separat beschäftigt, und Madame strahlte.

Drei Angebote hatte sie heute für Indra. Sie vertröstete alle Liebhaber auf die nächste Zukunft. Aber sie mußte dem Mädchen doch sagen, daß, wenn sie nur wolle, sie Margot bald Konkurrenz machen könne. — „Aber ich will nicht,“ sagte Indra, „ich bin Hausdame, man kann nicht zweien Herren dienen.“ — Und das Leben ging seinen Gang. Es kam kein Brief für sie, ihre Mutter hatte sie vergessen.

Ihr war’s, als solle sie innerlich versteinen. Nun war sie vogelfrei — nun konnte der erste beste seinen Mut an ihr kühlen, und keiner durfte es ihm verwehren. Wenn nur Boris bald kam, sie von hier fortzunehmen. Die „europäische“ Sinnenlust ward ihr immer schrecklicher. Wie recht doch Boris hatte, daß die Asiaten alles viel

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[86/0085] lustig zu in der Pension Vais. Indra hatte ein Orangenbäumchen als Christbaum mit Lichtern frisiert, und Margot spielte dazu „Stille Nacht, heilige Nacht“. Wie eine Blasphemie erschien es Indra. Es wurde viel Punsch konsumiert an jenem Abend, alle Fräulein waren separat beschäftigt, und Madame strahlte. Drei Angebote hatte sie heute für Indra. Sie vertröstete alle Liebhaber auf die nächste Zukunft. Aber sie mußte dem Mädchen doch sagen, daß, wenn sie nur wolle, sie Margot bald Konkurrenz machen könne. — „Aber ich will nicht,“ sagte Indra, „ich bin Hausdame, man kann nicht zweien Herren dienen.“ — Und das Leben ging seinen Gang. Es kam kein Brief für sie, ihre Mutter hatte sie vergessen. Ihr war’s, als solle sie innerlich versteinen. Nun war sie vogelfrei — nun konnte der erste beste seinen Mut an ihr kühlen, und keiner durfte es ihm verwehren. Wenn nur Boris bald kam, sie von hier fortzunehmen. Die „europäische“ Sinnenlust ward ihr immer schrecklicher. Wie recht doch Boris hatte, daß die Asiaten alles viel

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/85>, abgerufen am 24.04.2024.