geschwollnen Züge schauderhaft verzerrt, und die starren Augen fest auf Johny gerichtet.
Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben dieser Tage hat mich ein wenig dumpfsinnig gemacht, und meine Geschichte trägt die Farbe davon. Sie sieht in der That wie der Traum einer Indigestion aus. Nach einigem Fasten produzire ich Dir indeß vielleicht eine bessere.
En et[t]endant wünsche ich Dir gute Nacht, und angenehmere Träume als dem armen Johny.
Den 21sten.
Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker hier so oft in Contribution gesetzt, daß ich en con- science sie einmal erwiedern mußte, und lud daher vor meiner Abreise heute Alle zu einem kleinen Fest bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht, car il faut hurler avec les loups, dann Conzert des großen Piper's, einen Spazierritt auf ihren eig- nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair et bon feu. Während unsres Rittes kamen wir an eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magistrat, mit Namen Baker, erschossen wurde. Dies war ein Charakter, vollkommen dem der Iffländischen Amt- männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-
geſchwollnen Züge ſchauderhaft verzerrt, und die ſtarren Augen feſt auf Johny gerichtet.
Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben dieſer Tage hat mich ein wenig dumpfſinnig gemacht, und meine Geſchichte trägt die Farbe davon. Sie ſieht in der That wie der Traum einer Indigeſtion aus. Nach einigem Faſten produzire ich Dir indeß vielleicht eine beſſere.
En et[t]endant wünſche ich Dir gute Nacht, und angenehmere Träume als dem armen Johny.
Den 21ſten.
Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker hier ſo oft in Contribution geſetzt, daß ich en con- science ſie einmal erwiedern mußte, und lud daher vor meiner Abreiſe heute Alle zu einem kleinen Feſt bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht, car il faut hurler avec les loups, dann Conzert des großen Piper’s, einen Spazierritt auf ihren eig- nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair et bon feu. Während unſres Rittes kamen wir an eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magiſtrat, mit Namen Baker, erſchoſſen wurde. Dies war ein Charakter, vollkommen dem der Iffländiſchen Amt- männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="132"/>
geſchwollnen Züge ſchauderhaft verzerrt, und die<lb/>ſtarren Augen feſt auf Johny gerichtet.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Herzens <hirendition="#aq">Julie,</hi> ich fürchte, das materielle Leben<lb/>
dieſer Tage hat mich ein wenig dumpfſinnig gemacht,<lb/>
und meine Geſchichte trägt die Farbe davon. Sie<lb/>ſieht in der That wie der Traum einer Indigeſtion<lb/>
aus. Nach einigem Faſten produzire ich Dir indeß<lb/>
vielleicht eine beſſere.</p><lb/><p><hirendition="#aq">En et<supplied>t</supplied>endant</hi> wünſche ich Dir gute Nacht, und<lb/>
angenehmere Träume als dem armen Johny.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 21<hirendition="#sup">ſten.</hi></hi></dateline></opener><lb/><p>Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker<lb/>
hier ſo oft in Contribution geſetzt, daß ich <hirendition="#aq">en con-<lb/>
science</hi>ſie einmal erwiedern mußte, und lud daher<lb/>
vor meiner Abreiſe heute Alle zu einem kleinen Feſt<lb/>
bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht,<lb/><hirendition="#aq">car il faut hurler avec les loups,</hi> dann Conzert<lb/>
des großen Piper’s, einen Spazierritt auf ihren eig-<lb/>
nen Pferden, und zuletzt <hirendition="#aq">grand festin, grande chair<lb/>
et bon feu.</hi> Während unſres Rittes kamen wir an<lb/>
eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magiſtrat, mit<lb/>
Namen Baker, erſchoſſen wurde. Dies war ein<lb/>
Charakter, vollkommen dem der Iffländiſchen Amt-<lb/>
männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0154]
geſchwollnen Züge ſchauderhaft verzerrt, und die
ſtarren Augen feſt auf Johny gerichtet.
Herzens Julie, ich fürchte, das materielle Leben
dieſer Tage hat mich ein wenig dumpfſinnig gemacht,
und meine Geſchichte trägt die Farbe davon. Sie
ſieht in der That wie der Traum einer Indigeſtion
aus. Nach einigem Faſten produzire ich Dir indeß
vielleicht eine beſſere.
En ettendant wünſche ich Dir gute Nacht, und
angenehmere Träume als dem armen Johny.
Den 21ſten.
Ich hatte die Hospitalität der guten Landjunker
hier ſo oft in Contribution geſetzt, daß ich en con-
science ſie einmal erwiedern mußte, und lud daher
vor meiner Abreiſe heute Alle zu einem kleinen Feſt
bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht,
car il faut hurler avec les loups, dann Conzert
des großen Piper’s, einen Spazierritt auf ihren eig-
nen Pferden, und zuletzt grand festin, grande chair
et bon feu. Während unſres Rittes kamen wir an
eine Stelle, wo vor drei Jahren ein Magiſtrat, mit
Namen Baker, erſchoſſen wurde. Dies war ein
Charakter, vollkommen dem der Iffländiſchen Amt-
männer gleich, nur leider ohne eine, ihm entgegen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/154>, abgerufen am 12.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.