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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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vielleicht auch unsern Stammvater Adam, hauptsäch-
lich nur, um ihn nicht vor langer Weile daselbst um-
kommen zu lassen, aus dem Paradiese jagte.

Heute war indeß für einige Schattenbeimischung
gesorgt. Wegen der großen Concurrenz zum Wett-
rennen traf ich auf allen Stationen nur höchst abge-
triebene Pferde, manchmal gar keine, so daß ich, we-
nigstens nach englischem Maßstabe, erbärmlich ge-
fahren wurde, und erst spät in der Nacht Newmar-
ket erreichte.

Nirgends war in den Gasthöfen Platz zu finden,
und ich mußte mich zuletzt noch sehr glücklich schätzen,
in einem Privathause eine kleine Stube für 5 Gui-
neen die Woche zu erhalten. Glücklicherweise traf
ich einen guten Bekannten in demselben Hause an,
einen kleinen ungarischen Magnaten-Sohn, der durch
Anspruchslosigkeit und frohe Lebenslust dazu gemacht
scheint, sich und Andern in der Welt zu gefallen.
Ich verehre solche Naturen, weil sie so grade Alles
besitzen, was mir fehlt.

Den nächsten Morgen schon ritt ich mit ihm umher, um
uns ein wenig zu orientiren. Ein Tag gleicht hier dem
andern, wie ein Ey dem andern. Früh 1/2 9 Uhr sieht
man zuerst auf einem Hügel einige hundert Rennpferde,
in Decken eingehüllt, ihre Morgenpromenade machen.
Der weit ausgedehnte kahle Grashügel ist überall mit ih-
nen, wie mit einer Heerde bedeckt, einige gehen im Schritt
umher, andere gallopiren, bald langsamer, bald schnel-
ler, doch nie im vollen Lauf. Ein Aufseher, auf ei-

vielleicht auch unſern Stammvater Adam, hauptſäch-
lich nur, um ihn nicht vor langer Weile daſelbſt um-
kommen zu laſſen, aus dem Paradieſe jagte.

Heute war indeß für einige Schattenbeimiſchung
geſorgt. Wegen der großen Concurrenz zum Wett-
rennen traf ich auf allen Stationen nur höchſt abge-
triebene Pferde, manchmal gar keine, ſo daß ich, we-
nigſtens nach engliſchem Maßſtabe, erbärmlich ge-
fahren wurde, und erſt ſpät in der Nacht Newmar-
ket erreichte.

Nirgends war in den Gaſthöfen Platz zu finden,
und ich mußte mich zuletzt noch ſehr glücklich ſchätzen,
in einem Privathauſe eine kleine Stube für 5 Gui-
neen die Woche zu erhalten. Glücklicherweiſe traf
ich einen guten Bekannten in demſelben Hauſe an,
einen kleinen ungariſchen Magnaten-Sohn, der durch
Anſpruchsloſigkeit und frohe Lebensluſt dazu gemacht
ſcheint, ſich und Andern in der Welt zu gefallen.
Ich verehre ſolche Naturen, weil ſie ſo grade Alles
beſitzen, was mir fehlt.

Den nächſten Morgen ſchon ritt ich mit ihm umher, um
uns ein wenig zu orientiren. Ein Tag gleicht hier dem
andern, wie ein Ey dem andern. Früh ½ 9 Uhr ſieht
man zuerſt auf einem Hügel einige hundert Rennpferde,
in Decken eingehüllt, ihre Morgenpromenade machen.
Der weit ausgedehnte kahle Grashügel iſt überall mit ih-
nen, wie mit einer Heerde bedeckt, einige gehen im Schritt
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ler, doch nie im vollen Lauf. Ein Aufſeher, auf ei-

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[73/0113] vielleicht auch unſern Stammvater Adam, hauptſäch- lich nur, um ihn nicht vor langer Weile daſelbſt um- kommen zu laſſen, aus dem Paradieſe jagte. Heute war indeß für einige Schattenbeimiſchung geſorgt. Wegen der großen Concurrenz zum Wett- rennen traf ich auf allen Stationen nur höchſt abge- triebene Pferde, manchmal gar keine, ſo daß ich, we- nigſtens nach engliſchem Maßſtabe, erbärmlich ge- fahren wurde, und erſt ſpät in der Nacht Newmar- ket erreichte. Nirgends war in den Gaſthöfen Platz zu finden, und ich mußte mich zuletzt noch ſehr glücklich ſchätzen, in einem Privathauſe eine kleine Stube für 5 Gui- neen die Woche zu erhalten. Glücklicherweiſe traf ich einen guten Bekannten in demſelben Hauſe an, einen kleinen ungariſchen Magnaten-Sohn, der durch Anſpruchsloſigkeit und frohe Lebensluſt dazu gemacht ſcheint, ſich und Andern in der Welt zu gefallen. Ich verehre ſolche Naturen, weil ſie ſo grade Alles beſitzen, was mir fehlt. Den nächſten Morgen ſchon ritt ich mit ihm umher, um uns ein wenig zu orientiren. Ein Tag gleicht hier dem andern, wie ein Ey dem andern. Früh ½ 9 Uhr ſieht man zuerſt auf einem Hügel einige hundert Rennpferde, in Decken eingehüllt, ihre Morgenpromenade machen. Der weit ausgedehnte kahle Grashügel iſt überall mit ih- nen, wie mit einer Heerde bedeckt, einige gehen im Schritt umher, andere gallopiren, bald langſamer, bald ſchnel- ler, doch nie im vollen Lauf. Ein Aufſeher, auf ei-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/113>, abgerufen am 29.03.2024.