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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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nicht ewig vor ihrem Gelde und Namen in einer
kindisch-sclavischen Admiration auf den Knieen lä-
gen, sondern ihnen mit aller Humanität, und immer
noch mit mehr Artigkeit, als sie uns in England be-
zeigen, doch fühlen ließen, daß wir Deutsche in
Deutschland Herren vom Hause sind, und folg-
lich mehr Ansehn zu behaupten und zu fordern ha-
ben als sie, die ohnedieß nur zu uns kommen, ent-
weder um zu sparen, oder sich ein wenig abzuhobeln
und vornehme Liaisons zu formiren, die ihnen bei
mittlerm Stande zu Hause verschlossen bleiben, oder
mit Behaglichkeit sich zu überzeugen, daß, den phy-
sischen Lebensgenuß betreffend, wir gegen sie noch
halbe Barbaren sind.

Es ist in der That unbegreiflich, und ein wah-
res Zeichen, daß es hinreichend ist, uns nur schlecht
und geringschätzend zu behandeln, um von uns ver-
ehrt zu werden, daß bei uns, wie schon erwähnt,
der bloße Name Engländer statt des höchsten Titels
dient, weshalb auch jeden Augenblick ein Mensch, der
in England, wo die ganze Gesellschaft bis zur niedrig-
sten Stufe hinab so schroff aristokratisch ist, kaum in
den vulgärsten Zirkeln Einlaß erhält, in deutschen
Ländern bei Hofe und vom vornehmsten Adel fetirt
und auf den Händen getragen, jede seiner Verstöße
und Unbehülflichkeiten aber als eine liebenswürdige
englische Originalität angesehen wird, bis zufällig
ein wirklich angesehener Engländer in den Ort kömmt,
und man nun mit Erstaunen erfährt, daß man nur

nicht ewig vor ihrem Gelde und Namen in einer
kindiſch-ſclaviſchen Admiration auf den Knieen lä-
gen, ſondern ihnen mit aller Humanität, und immer
noch mit mehr Artigkeit, als ſie uns in England be-
zeigen, doch fühlen ließen, daß wir Deutſche in
Deutſchland Herren vom Hauſe ſind, und folg-
lich mehr Anſehn zu behaupten und zu fordern ha-
ben als ſie, die ohnedieß nur zu uns kommen, ent-
weder um zu ſparen, oder ſich ein wenig abzuhobeln
und vornehme Liaiſons zu formiren, die ihnen bei
mittlerm Stande zu Hauſe verſchloſſen bleiben, oder
mit Behaglichkeit ſich zu überzeugen, daß, den phy-
ſiſchen Lebensgenuß betreffend, wir gegen ſie noch
halbe Barbaren ſind.

Es iſt in der That unbegreiflich, und ein wah-
res Zeichen, daß es hinreichend iſt, uns nur ſchlecht
und geringſchätzend zu behandeln, um von uns ver-
ehrt zu werden, daß bei uns, wie ſchon erwähnt,
der bloße Name Engländer ſtatt des höchſten Titels
dient, weshalb auch jeden Augenblick ein Menſch, der
in England, wo die ganze Geſellſchaft bis zur niedrig-
ſten Stufe hinab ſo ſchroff ariſtokratiſch iſt, kaum in
den vulgärſten Zirkeln Einlaß erhält, in deutſchen
Ländern bei Hofe und vom vornehmſten Adel fetirt
und auf den Händen getragen, jede ſeiner Verſtöße
und Unbehülflichkeiten aber als eine liebenswürdige
engliſche Originalität angeſehen wird, bis zufällig
ein wirklich angeſehener Engländer in den Ort kömmt,
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[117/0157] nicht ewig vor ihrem Gelde und Namen in einer kindiſch-ſclaviſchen Admiration auf den Knieen lä- gen, ſondern ihnen mit aller Humanität, und immer noch mit mehr Artigkeit, als ſie uns in England be- zeigen, doch fühlen ließen, daß wir Deutſche in Deutſchland Herren vom Hauſe ſind, und folg- lich mehr Anſehn zu behaupten und zu fordern ha- ben als ſie, die ohnedieß nur zu uns kommen, ent- weder um zu ſparen, oder ſich ein wenig abzuhobeln und vornehme Liaiſons zu formiren, die ihnen bei mittlerm Stande zu Hauſe verſchloſſen bleiben, oder mit Behaglichkeit ſich zu überzeugen, daß, den phy- ſiſchen Lebensgenuß betreffend, wir gegen ſie noch halbe Barbaren ſind. Es iſt in der That unbegreiflich, und ein wah- res Zeichen, daß es hinreichend iſt, uns nur ſchlecht und geringſchätzend zu behandeln, um von uns ver- ehrt zu werden, daß bei uns, wie ſchon erwähnt, der bloße Name Engländer ſtatt des höchſten Titels dient, weshalb auch jeden Augenblick ein Menſch, der in England, wo die ganze Geſellſchaft bis zur niedrig- ſten Stufe hinab ſo ſchroff ariſtokratiſch iſt, kaum in den vulgärſten Zirkeln Einlaß erhält, in deutſchen Ländern bei Hofe und vom vornehmſten Adel fetirt und auf den Händen getragen, jede ſeiner Verſtöße und Unbehülflichkeiten aber als eine liebenswürdige engliſche Originalität angeſehen wird, bis zufällig ein wirklich angeſehener Engländer in den Ort kömmt, und man nun mit Erſtaunen erfährt, daß man nur

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/157>, abgerufen am 19.04.2024.