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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Spaziergang in den Gärten, die das Schloß von
zwei Seiten umgeben, und in ruhiger Größe dem
Charakter desselben ganz angemessen sind. Die Höhe
und Schönheit der Bäume, wie die Ueppigkeit der
Vegetation und des Rasens kann nirgends übertrof-
fen werden, während eine Menge riesenmäßiger Ce-
dern (vom Libanon genannt), und die sich jeden Au-
genblick neu gestaltenden Ansichten der majestätischen
Burg -- in deren hohen Zinnen transparente Kreu-
zesformen, den Lichtstrahlen ein immer wechselndes
Spiel gewähren -- einen solchen Zauber über das
Ganze webten, daß ich mich nur mit Gewalt davon
losreißen konnte. Wir gingen bis zum anbrechenden
Mondschein, der alles noch gigantischer erscheinen
ließ, in den dunkelnden Gängen umher, und konn-
ten deßhalb nur bei Laternenlicht die berühmte colos-
sale Warwick-Vase, welche mehrere hundert Gallonen
Wasser enthalten kann, und mit der schönsten Arbeit
geziert ist, so wie die Alterthümer besehen, welche
in der Loge des Pförtners aufbewahrt werden, und
hauptsächlich in den antediluvianischen Stierhörnern
und Eberzähnen bestehen, die man Thieren zuschreibt,
welche der fabelhafte Ahnherr der ersten Grafen von
Warwick, Guy, aus der Sachsenzeit, erlegt haben
soll. Die Dimensionen seiner, ebenfalls hier aufbe-
wahrten Waffen, verrathen einen Riesen von größe-
ren Kräften, als sie jetzt die Natur hervorbringt.

Hier nahm ich endlich zögernden Abschied von War-
wick-Castle, und legte die Erinnerung wie einen

Spaziergang in den Gärten, die das Schloß von
zwei Seiten umgeben, und in ruhiger Größe dem
Charakter deſſelben ganz angemeſſen ſind. Die Höhe
und Schönheit der Bäume, wie die Ueppigkeit der
Vegetation und des Raſens kann nirgends übertrof-
fen werden, während eine Menge rieſenmäßiger Ce-
dern (vom Libanon genannt), und die ſich jeden Au-
genblick neu geſtaltenden Anſichten der majeſtätiſchen
Burg — in deren hohen Zinnen transparente Kreu-
zesformen, den Lichtſtrahlen ein immer wechſelndes
Spiel gewähren — einen ſolchen Zauber über das
Ganze webten, daß ich mich nur mit Gewalt davon
losreißen konnte. Wir gingen bis zum anbrechenden
Mondſchein, der alles noch gigantiſcher erſcheinen
ließ, in den dunkelnden Gängen umher, und konn-
ten deßhalb nur bei Laternenlicht die berühmte coloſ-
ſale Warwick-Vaſe, welche mehrere hundert Gallonen
Waſſer enthalten kann, und mit der ſchönſten Arbeit
geziert iſt, ſo wie die Alterthümer beſehen, welche
in der Loge des Pförtners aufbewahrt werden, und
hauptſächlich in den antediluvianiſchen Stierhörnern
und Eberzähnen beſtehen, die man Thieren zuſchreibt,
welche der fabelhafte Ahnherr der erſten Grafen von
Warwick, Guy, aus der Sachſenzeit, erlegt haben
ſoll. Die Dimenſionen ſeiner, ebenfalls hier aufbe-
wahrten Waffen, verrathen einen Rieſen von größe-
ren Kräften, als ſie jetzt die Natur hervorbringt.

Hier nahm ich endlich zögernden Abſchied von War-
wick-Caſtle, und legte die Erinnerung wie einen

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[239/0285] Spaziergang in den Gärten, die das Schloß von zwei Seiten umgeben, und in ruhiger Größe dem Charakter deſſelben ganz angemeſſen ſind. Die Höhe und Schönheit der Bäume, wie die Ueppigkeit der Vegetation und des Raſens kann nirgends übertrof- fen werden, während eine Menge rieſenmäßiger Ce- dern (vom Libanon genannt), und die ſich jeden Au- genblick neu geſtaltenden Anſichten der majeſtätiſchen Burg — in deren hohen Zinnen transparente Kreu- zesformen, den Lichtſtrahlen ein immer wechſelndes Spiel gewähren — einen ſolchen Zauber über das Ganze webten, daß ich mich nur mit Gewalt davon losreißen konnte. Wir gingen bis zum anbrechenden Mondſchein, der alles noch gigantiſcher erſcheinen ließ, in den dunkelnden Gängen umher, und konn- ten deßhalb nur bei Laternenlicht die berühmte coloſ- ſale Warwick-Vaſe, welche mehrere hundert Gallonen Waſſer enthalten kann, und mit der ſchönſten Arbeit geziert iſt, ſo wie die Alterthümer beſehen, welche in der Loge des Pförtners aufbewahrt werden, und hauptſächlich in den antediluvianiſchen Stierhörnern und Eberzähnen beſtehen, die man Thieren zuſchreibt, welche der fabelhafte Ahnherr der erſten Grafen von Warwick, Guy, aus der Sachſenzeit, erlegt haben ſoll. Die Dimenſionen ſeiner, ebenfalls hier aufbe- wahrten Waffen, verrathen einen Rieſen von größe- ren Kräften, als ſie jetzt die Natur hervorbringt. Hier nahm ich endlich zögernden Abſchied von War- wick-Caſtle, und legte die Erinnerung wie einen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/285>, abgerufen am 24.04.2024.