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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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benswürdige Hausfrau selbst mit mir herzlich lachen
mußte.

Ich kann hier nicht umhin zu bemerken, daß Lord
und Lady D. zu den aufgeklärtesten, anspruchlosesten
und deshalb angenehmsten hiesigen Vornehmen ge-
hören. Er ist von der mäßigen Opposition, die das
wahre Gute des Landes und nur dieses will, ein
wahrer, von allem Egoismus freier Patriot, der
schönste Titel, den ein gebildeter Mensch tragen kann.
Sie ist die Güte, Herzlichkeit und Anspruchlosigkeit
selbst.

Nach Mitternacht und nachdem vorher noch ge-
wöhnlich ein leichtes Soupe, aus Früchten und kal-
ten Speisen bestehend, servirt worden ist, wobei sich
Jeder selbst bedient, retirirt man sich. Zu diesem
Behufe stehen auf einem Seitentische eine Quantität
kleiner Handleuchter parat, von denen sich jeder den
Seinigen anzündet, und damit selbst hinaufleuchtet,
denn der größte Theil der Dienerschaft, welcher frü-
her aufstehen muß, ist darum billigerweise schon längst
zur Ruhe. Das ewige Sitzen der Bedienten im Vor-
zimmer ist hier nicht Mode, und ausser den bestimm-
ten Zeiten, wo man ihrer Hilfe gewärtig ist, sieht
man sie wenig, und bedient sich selbst.

Für die Nacht erwartete mich heute auf meiner
Stube ein vortreffliches altes chinesisches Himmelbett,
groß genug, um als Sultan mit sechs Weibern in
seinem weiten Raume schlafen zu können, aber allein

benswürdige Hausfrau ſelbſt mit mir herzlich lachen
mußte.

Ich kann hier nicht umhin zu bemerken, daß Lord
und Lady D. zu den aufgeklärteſten, anſpruchloſeſten
und deshalb angenehmſten hieſigen Vornehmen ge-
hören. Er iſt von der mäßigen Oppoſition, die das
wahre Gute des Landes und nur dieſes will, ein
wahrer, von allem Egoismus freier Patriot, der
ſchönſte Titel, den ein gebildeter Menſch tragen kann.
Sie iſt die Güte, Herzlichkeit und Anſpruchloſigkeit
ſelbſt.

Nach Mitternacht und nachdem vorher noch ge-
wöhnlich ein leichtes Soupé, aus Früchten und kal-
ten Speiſen beſtehend, ſervirt worden iſt, wobei ſich
Jeder ſelbſt bedient, retirirt man ſich. Zu dieſem
Behufe ſtehen auf einem Seitentiſche eine Quantität
kleiner Handleuchter parat, von denen ſich jeder den
Seinigen anzündet, und damit ſelbſt hinaufleuchtet,
denn der größte Theil der Dienerſchaft, welcher frü-
her aufſtehen muß, iſt darum billigerweiſe ſchon längſt
zur Ruhe. Das ewige Sitzen der Bedienten im Vor-
zimmer iſt hier nicht Mode, und auſſer den beſtimm-
ten Zeiten, wo man ihrer Hilfe gewärtig iſt, ſieht
man ſie wenig, und bedient ſich ſelbſt.

Für die Nacht erwartete mich heute auf meiner
Stube ein vortreffliches altes chineſiſches Himmelbett,
groß genug, um als Sultan mit ſechs Weibern in
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[344/0390] benswürdige Hausfrau ſelbſt mit mir herzlich lachen mußte. Ich kann hier nicht umhin zu bemerken, daß Lord und Lady D. zu den aufgeklärteſten, anſpruchloſeſten und deshalb angenehmſten hieſigen Vornehmen ge- hören. Er iſt von der mäßigen Oppoſition, die das wahre Gute des Landes und nur dieſes will, ein wahrer, von allem Egoismus freier Patriot, der ſchönſte Titel, den ein gebildeter Menſch tragen kann. Sie iſt die Güte, Herzlichkeit und Anſpruchloſigkeit ſelbſt. Nach Mitternacht und nachdem vorher noch ge- wöhnlich ein leichtes Soupé, aus Früchten und kal- ten Speiſen beſtehend, ſervirt worden iſt, wobei ſich Jeder ſelbſt bedient, retirirt man ſich. Zu dieſem Behufe ſtehen auf einem Seitentiſche eine Quantität kleiner Handleuchter parat, von denen ſich jeder den Seinigen anzündet, und damit ſelbſt hinaufleuchtet, denn der größte Theil der Dienerſchaft, welcher frü- her aufſtehen muß, iſt darum billigerweiſe ſchon längſt zur Ruhe. Das ewige Sitzen der Bedienten im Vor- zimmer iſt hier nicht Mode, und auſſer den beſtimm- ten Zeiten, wo man ihrer Hilfe gewärtig iſt, ſieht man ſie wenig, und bedient ſich ſelbſt. Für die Nacht erwartete mich heute auf meiner Stube ein vortreffliches altes chineſiſches Himmelbett, groß genug, um als Sultan mit ſechs Weibern in ſeinem weiten Raume ſchlafen zu können, aber allein

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/390>, abgerufen am 18.04.2024.