Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

zahlen müssen, will auch die Satisfaktion genießen,
dies junge Talent bewundern zu lassen. Das quäkt
und trommelt nun rechts und links, daß Einem weh
und weichlich zu Muthe wird, und, selbst wenn eine
Engländerin singen kann, so hat sie doch fast nie
weder Methode noch Stimme. Die Herren sind weit
angenehmere Dilettanten, denn bei ihrem Gesang
hat man wenigstens das Vergnügen einer possirlichen
Farce. Der Matador unter allen solchen hiesigen
Gesellschafts-Sängern ist ein gewisser Kapitän H ....
Dieser Mann hat keine andere Stimme als die eines
heisern Bullenbeißers, keine andere Idee vom Sin-
gen als ein Bauer in der Kirche, und nicht mehr
Gehör als ein Maulwurf.

So ausgestattet, schien er dennoch keinen größern
Genuß zu kennen, als sich hören zu lassen, und der
berühmte David tritt timider auf als er. Das Ori-
ginellste war jedoch die Art seines Vortrags. So-
bald er sich ans Clavier gesetzt hatte, schlug er mit
dem Zeigefinger nur einen Ton auf dem Instru-
mente an, mit welchem, seiner Meinung nach, die
Arie anfangen sollte, und intonirte dann wie ein Ge-
witter, jedesmal aber ein oder zwei Töne tiefer als
der angeschlagene Ton, worauf er ohne Rast noch
Pause, und ohne alles weitere Accompagnement, die
ganze Arie mit den seltsamsten Gesichtsverdrehungen
durcharbeitete. Man muß so etwas selbst gesehen
haben, um es für möglich zu halten, und das in ei-
ner Gesellschaft von wenigstens 50 Personen. Dabei
wählte er gewöhnlich italiänische Terte, obwohl ihm

zahlen müſſen, will auch die Satisfaktion genießen,
dies junge Talent bewundern zu laſſen. Das quäkt
und trommelt nun rechts und links, daß Einem weh
und weichlich zu Muthe wird, und, ſelbſt wenn eine
Engländerin ſingen kann, ſo hat ſie doch faſt nie
weder Methode noch Stimme. Die Herren ſind weit
angenehmere Dilettanten, denn bei ihrem Geſang
hat man wenigſtens das Vergnügen einer poſſirlichen
Farce. Der Matador unter allen ſolchen hieſigen
Geſellſchafts-Sängern iſt ein gewiſſer Kapitän H ....
Dieſer Mann hat keine andere Stimme als die eines
heiſern Bullenbeißers, keine andere Idee vom Sin-
gen als ein Bauer in der Kirche, und nicht mehr
Gehör als ein Maulwurf.

So ausgeſtattet, ſchien er dennoch keinen größern
Genuß zu kennen, als ſich hören zu laſſen, und der
berühmte David tritt timider auf als er. Das Ori-
ginellſte war jedoch die Art ſeines Vortrags. So-
bald er ſich ans Clavier geſetzt hatte, ſchlug er mit
dem Zeigefinger nur einen Ton auf dem Inſtru-
mente an, mit welchem, ſeiner Meinung nach, die
Arie anfangen ſollte, und intonirte dann wie ein Ge-
witter, jedesmal aber ein oder zwei Töne tiefer als
der angeſchlagene Ton, worauf er ohne Raſt noch
Pauſe, und ohne alles weitere Accompagnement, die
ganze Arie mit den ſeltſamſten Geſichtsverdrehungen
durcharbeitete. Man muß ſo etwas ſelbſt geſehen
haben, um es für möglich zu halten, und das in ei-
ner Geſellſchaft von wenigſtens 50 Perſonen. Dabei
wählte er gewöhnlich italiäniſche Terte, obwohl ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0439" n="393"/>
zahlen mü&#x017F;&#x017F;en, will auch die Satisfaktion genießen,<lb/>
dies junge Talent bewundern zu la&#x017F;&#x017F;en. Das quäkt<lb/>
und trommelt nun rechts und links, daß Einem weh<lb/>
und weichlich zu Muthe wird, und, &#x017F;elb&#x017F;t wenn eine<lb/>
Engländerin &#x017F;ingen <hi rendition="#g">kann</hi>, &#x017F;o hat &#x017F;ie doch fa&#x017F;t nie<lb/>
weder Methode noch Stimme. Die Herren &#x017F;ind weit<lb/>
angenehmere Dilettanten, denn bei ihrem Ge&#x017F;ang<lb/>
hat man wenig&#x017F;tens das Vergnügen einer po&#x017F;&#x017F;irlichen<lb/>
Farce. Der Matador unter allen &#x017F;olchen hie&#x017F;igen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chafts-Sängern i&#x017F;t ein gewi&#x017F;&#x017F;er Kapitän H ....<lb/>
Die&#x017F;er Mann hat keine andere Stimme als die eines<lb/>
hei&#x017F;ern Bullenbeißers, keine andere Idee vom Sin-<lb/>
gen als ein Bauer in der Kirche, und nicht mehr<lb/>
Gehör als ein Maulwurf.</p><lb/>
          <p>So ausge&#x017F;tattet, &#x017F;chien er dennoch keinen größern<lb/>
Genuß zu kennen, als &#x017F;ich hören zu la&#x017F;&#x017F;en, und der<lb/>
berühmte David tritt timider auf als er. Das Ori-<lb/>
ginell&#x017F;te war jedoch die Art &#x017F;eines Vortrags. So-<lb/>
bald er &#x017F;ich ans Clavier ge&#x017F;etzt hatte, &#x017F;chlug er mit<lb/>
dem Zeigefinger nur einen Ton auf dem In&#x017F;tru-<lb/>
mente an, mit welchem, &#x017F;einer Meinung nach, die<lb/>
Arie anfangen &#x017F;ollte, und intonirte dann wie ein Ge-<lb/>
witter, jedesmal aber ein oder zwei Töne tiefer als<lb/>
der ange&#x017F;chlagene Ton, worauf er ohne Ra&#x017F;t noch<lb/>
Pau&#x017F;e, und ohne alles weitere Accompagnement, die<lb/>
ganze Arie mit den &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtsverdrehungen<lb/>
durcharbeitete. Man muß &#x017F;o etwas &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen<lb/>
haben, um es für möglich zu halten, und das in ei-<lb/>
ner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von wenig&#x017F;tens 50 Per&#x017F;onen. Dabei<lb/>
wählte er gewöhnlich italiäni&#x017F;che Terte, obwohl ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0439] zahlen müſſen, will auch die Satisfaktion genießen, dies junge Talent bewundern zu laſſen. Das quäkt und trommelt nun rechts und links, daß Einem weh und weichlich zu Muthe wird, und, ſelbſt wenn eine Engländerin ſingen kann, ſo hat ſie doch faſt nie weder Methode noch Stimme. Die Herren ſind weit angenehmere Dilettanten, denn bei ihrem Geſang hat man wenigſtens das Vergnügen einer poſſirlichen Farce. Der Matador unter allen ſolchen hieſigen Geſellſchafts-Sängern iſt ein gewiſſer Kapitän H .... Dieſer Mann hat keine andere Stimme als die eines heiſern Bullenbeißers, keine andere Idee vom Sin- gen als ein Bauer in der Kirche, und nicht mehr Gehör als ein Maulwurf. So ausgeſtattet, ſchien er dennoch keinen größern Genuß zu kennen, als ſich hören zu laſſen, und der berühmte David tritt timider auf als er. Das Ori- ginellſte war jedoch die Art ſeines Vortrags. So- bald er ſich ans Clavier geſetzt hatte, ſchlug er mit dem Zeigefinger nur einen Ton auf dem Inſtru- mente an, mit welchem, ſeiner Meinung nach, die Arie anfangen ſollte, und intonirte dann wie ein Ge- witter, jedesmal aber ein oder zwei Töne tiefer als der angeſchlagene Ton, worauf er ohne Raſt noch Pauſe, und ohne alles weitere Accompagnement, die ganze Arie mit den ſeltſamſten Geſichtsverdrehungen durcharbeitete. Man muß ſo etwas ſelbſt geſehen haben, um es für möglich zu halten, und das in ei- ner Geſellſchaft von wenigſtens 50 Perſonen. Dabei wählte er gewöhnlich italiäniſche Terte, obwohl ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/439
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/439>, abgerufen am 28.03.2024.