Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein andres sehenswerthes Haus ist das des großen
Banquier ......, vorzüglich wegen seiner schönen
Gemäldesammlung. Auch bewundert man hier den
Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldsons Jason,
und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Absatz
des Hauses sind hängende Gärten angebracht, und
obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachsen
sie doch sehr üppig. Ihre Besitzerin ist aber keine
Semiramis, il s'en faut, obgleich sie nicht mindere
Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz besitzt,
sc. Geldstolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt
wohl die Gelegenheit.

Ich konnte manchmal nicht umhin, sie deshalb in
Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin
Madame R ... zu vergleichen, und mich zu verwun-
dern, daß die jüdische Geldkönigin weit über der
christlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und
äußerm Anstande stehe.



Was zu der Dullneß der englischen Gesellschaften
viel beiträgt, ist die hochmüthige Weise, nach welcher
Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande,
denn abroad sind sie zuvorkommend genug) nie einen
Unbekannten anreden, und wenn man sie auf diese
Weise anspricht, es fast wie eine Beleidigung marki-
ren. Sie machen sich zuweilen selbst darüber lustig.
ohne doch jemals anders zu handeln, wenn sich die
Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame

Briefe eines Verstorbenen. III. 27

Ein andres ſehenswerthes Haus iſt das des großen
Banquier ......, vorzüglich wegen ſeiner ſchönen
Gemäldeſammlung. Auch bewundert man hier den
Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldſons Jaſon,
und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Abſatz
des Hauſes ſind hängende Gärten angebracht, und
obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachſen
ſie doch ſehr üppig. Ihre Beſitzerin iſt aber keine
Semiramis, il s’en faut, obgleich ſie nicht mindere
Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz beſitzt,
sc. Geldſtolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt
wohl die Gelegenheit.

Ich konnte manchmal nicht umhin, ſie deshalb in
Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin
Madame R … zu vergleichen, und mich zu verwun-
dern, daß die jüdiſche Geldkönigin weit über der
chriſtlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und
äußerm Anſtande ſtehe.



Was zu der Dullneß der engliſchen Geſellſchaften
viel beiträgt, iſt die hochmüthige Weiſe, nach welcher
Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande,
denn abroad ſind ſie zuvorkommend genug) nie einen
Unbekannten anreden, und wenn man ſie auf dieſe
Weiſe anſpricht, es faſt wie eine Beleidigung marki-
ren. Sie machen ſich zuweilen ſelbſt darüber luſtig.
ohne doch jemals anders zu handeln, wenn ſich die
Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame

Briefe eines Verſtorbenen. III. 27
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0463" n="417"/>
          <p>Ein andres &#x017F;ehenswerthes Haus i&#x017F;t das des großen<lb/>
Banquier ......, vorzüglich wegen &#x017F;einer &#x017F;chönen<lb/>
Gemälde&#x017F;ammlung. Auch bewundert man hier den<lb/>
Triumph neuerer Sculptur, Thorwald&#x017F;ons Ja&#x017F;on,<lb/>
und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Ab&#x017F;atz<lb/>
des Hau&#x017F;es &#x017F;ind hängende Gärten angebracht, und<lb/>
obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wach&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie doch &#x017F;ehr üppig. Ihre Be&#x017F;itzerin i&#x017F;t aber keine<lb/>
Semiramis, <hi rendition="#aq">il s&#x2019;en faut,</hi> obgleich &#x017F;ie nicht mindere<lb/>
Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz be&#x017F;itzt,<lb/><hi rendition="#aq">sc.</hi> Geld&#x017F;tolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt<lb/>
wohl die Gelegenheit.</p><lb/>
          <p>Ich konnte manchmal nicht umhin, &#x017F;ie deshalb in<lb/>
Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin<lb/>
Madame R &#x2026; zu vergleichen, und mich zu verwun-<lb/>
dern, daß die <hi rendition="#g">jüdi&#x017F;che</hi> Geldkönigin weit über der<lb/><hi rendition="#g">chri&#x017F;tlichen</hi> an herzlicher Liebenswürdigkeit und<lb/>
äußerm An&#x017F;tande &#x017F;tehe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 8ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Was zu der Dullneß der engli&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften<lb/>
viel beiträgt, i&#x017F;t die hochmüthige Wei&#x017F;e, nach welcher<lb/>
Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande,<lb/>
denn <hi rendition="#aq">abroad</hi> &#x017F;ind &#x017F;ie zuvorkommend genug) nie einen<lb/>
Unbekannten anreden, und wenn man <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> auf die&#x017F;e<lb/>
Wei&#x017F;e an&#x017F;pricht, es fa&#x017F;t wie eine Beleidigung marki-<lb/>
ren. Sie machen &#x017F;ich zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t darüber lu&#x017F;tig.<lb/>
ohne doch jemals anders zu handeln, wenn &#x017F;ich die<lb/>
Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">III.</hi> 27</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0463] Ein andres ſehenswerthes Haus iſt das des großen Banquier ......, vorzüglich wegen ſeiner ſchönen Gemäldeſammlung. Auch bewundert man hier den Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldſons Jaſon, und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Abſatz des Hauſes ſind hängende Gärten angebracht, und obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachſen ſie doch ſehr üppig. Ihre Beſitzerin iſt aber keine Semiramis, il s’en faut, obgleich ſie nicht mindere Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz beſitzt, sc. Geldſtolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt wohl die Gelegenheit. Ich konnte manchmal nicht umhin, ſie deshalb in Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin Madame R … zu vergleichen, und mich zu verwun- dern, daß die jüdiſche Geldkönigin weit über der chriſtlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und äußerm Anſtande ſtehe. Den 8ten. Was zu der Dullneß der engliſchen Geſellſchaften viel beiträgt, iſt die hochmüthige Weiſe, nach welcher Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande, denn abroad ſind ſie zuvorkommend genug) nie einen Unbekannten anreden, und wenn man ſie auf dieſe Weiſe anſpricht, es faſt wie eine Beleidigung marki- ren. Sie machen ſich zuweilen ſelbſt darüber luſtig. ohne doch jemals anders zu handeln, wenn ſich die Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame Briefe eines Verſtorbenen. III. 27

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/463
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/463>, abgerufen am 23.04.2024.