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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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selbst entwickele, und gab mir zuletzt sogar, auf
meine Bitte, uns dort einmal zu besuchen, einige auf-
munternde Hoffnung. Du kannst Dir vorstellen,
Liebste, mit welchem Empressement ich dies aufgriff,
wenn es gleich nur eine facon de parler seyn mochte.
Im fernern Verlauf des Gesprächs, kamen wir auf
Sir Walter Scott. Göthe war eben nicht sehr enthu-
siastisch für den großen Unbekannten eingenommen.
"Er zweifle gar nicht," sagte er, "daß er seine Romane
schreibe, wie die alten Maler mit ihren Schülern
gemeinschaftlich gemalt hätten, nämlich, er gäbe
Plan und Hauptgedanken, das Skelett der Scenen
an, lasse aber die Schüler dann ausführen, und re-
touchire nur zuletzt." Es schien fast, als wäre er
der Meinung, daß es gar nicht der Mühe werth sey,
für einen Mann von Walter Scott's Eminenz seine
Zeit zu so viel fastidieusen Details herzugeben.*)
"Hätte ich," setzte er hinzu, "mich zu bloßem Gewinn-
suchen verstehen mögen, ich hätte früher mit Lenz
und Andern, ja ich wollte noch jetzt Dinge anonym
in die Welt schicken, über welche die Leute nicht
wenig erstaunen, und sich den Kopf über den Autor
zerbrechen sollten, aber am Ende würden es doch
nur Fabrikarbeiten bleiben." Ich äußerte später, daß
es wohlthuend für die Deutschen sey, zu sehen,
wie jetzt unsere Literatur die fremden Nationen

*) Sir Walter's offizielle Erklärung, daß alle jene Schriften
von ihm allein seyen, war damals noch nicht gegeben.
A. d. H.

ſelbſt entwickele, und gab mir zuletzt ſogar, auf
meine Bitte, uns dort einmal zu beſuchen, einige auf-
munternde Hoffnung. Du kannſt Dir vorſtellen,
Liebſte, mit welchem Empreſſement ich dies aufgriff,
wenn es gleich nur eine façon de parler ſeyn mochte.
Im fernern Verlauf des Geſprächs, kamen wir auf
Sir Walter Scott. Göthe war eben nicht ſehr enthu-
ſiaſtiſch für den großen Unbekannten eingenommen.
„Er zweifle gar nicht,“ ſagte er, „daß er ſeine Romane
ſchreibe, wie die alten Maler mit ihren Schülern
gemeinſchaftlich gemalt hätten, nämlich, er gäbe
Plan und Hauptgedanken, das Skelett der Scenen
an, laſſe aber die Schüler dann ausführen, und re-
touchire nur zuletzt.“ Es ſchien faſt, als wäre er
der Meinung, daß es gar nicht der Mühe werth ſey,
für einen Mann von Walter Scott’s Eminenz ſeine
Zeit zu ſo viel faſtidieuſen Details herzugeben.*)
„Hätte ich,“ ſetzte er hinzu, „mich zu bloßem Gewinn-
ſuchen verſtehen mögen, ich hätte früher mit Lenz
und Andern, ja ich wollte noch jetzt Dinge anonym
in die Welt ſchicken, über welche die Leute nicht
wenig erſtaunen, und ſich den Kopf über den Autor
zerbrechen ſollten, aber am Ende würden es doch
nur Fabrikarbeiten bleiben.“ Ich äußerte ſpäter, daß
es wohlthuend für die Deutſchen ſey, zu ſehen,
wie jetzt unſere Literatur die fremden Nationen

*) Sir Walter’s offizielle Erklaͤrung, daß alle jene Schriften
von ihm allein ſeyen, war damals noch nicht gegeben.
A. d. H.
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[14/0054] ſelbſt entwickele, und gab mir zuletzt ſogar, auf meine Bitte, uns dort einmal zu beſuchen, einige auf- munternde Hoffnung. Du kannſt Dir vorſtellen, Liebſte, mit welchem Empreſſement ich dies aufgriff, wenn es gleich nur eine façon de parler ſeyn mochte. Im fernern Verlauf des Geſprächs, kamen wir auf Sir Walter Scott. Göthe war eben nicht ſehr enthu- ſiaſtiſch für den großen Unbekannten eingenommen. „Er zweifle gar nicht,“ ſagte er, „daß er ſeine Romane ſchreibe, wie die alten Maler mit ihren Schülern gemeinſchaftlich gemalt hätten, nämlich, er gäbe Plan und Hauptgedanken, das Skelett der Scenen an, laſſe aber die Schüler dann ausführen, und re- touchire nur zuletzt.“ Es ſchien faſt, als wäre er der Meinung, daß es gar nicht der Mühe werth ſey, für einen Mann von Walter Scott’s Eminenz ſeine Zeit zu ſo viel faſtidieuſen Details herzugeben. *) „Hätte ich,“ ſetzte er hinzu, „mich zu bloßem Gewinn- ſuchen verſtehen mögen, ich hätte früher mit Lenz und Andern, ja ich wollte noch jetzt Dinge anonym in die Welt ſchicken, über welche die Leute nicht wenig erſtaunen, und ſich den Kopf über den Autor zerbrechen ſollten, aber am Ende würden es doch nur Fabrikarbeiten bleiben.“ Ich äußerte ſpäter, daß es wohlthuend für die Deutſchen ſey, zu ſehen, wie jetzt unſere Literatur die fremden Nationen *) Sir Walter’s offizielle Erklaͤrung, daß alle jene Schriften von ihm allein ſeyen, war damals noch nicht gegeben. A. d. H.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/54>, abgerufen am 19.04.2024.