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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie
sehr mal a propos!



Nachdem ich mich bei allen hohen Herrschaften diesen
Morgen beurlaubt, widmete ich den Rest des Tages
meinem Freunde Sp .., der mit seiner Familie zeigt,
daß man das Hofleben und die große Welt mit der
einfachsten Häuslichkeit und gewinnendsten Herzens-
güte sehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng-
länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutsch
wie seine Muttersprache redet, unterbielt uns mit
launigen Schilderungen der englischen Gesellschaft,
deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig-
keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen-
heit fand, den Deutschen, wie besonders den An-
wesenden Verbindliches zu sagen. So urtheilen
die Engländer jedoch nur im Auslande
.
Zurückgekommen, nehmen sie schnell wieder die ge-
wohnte Kälte und stolze Indifferenz an, die einen
Fremden wie ein geringeres Wesen betrachtet, und
lachen höhnisch der deutschen Bonhomie, die sie frü-
her gelobt, so lange sie der Gegenstand derselben
waren, während sie doch zu jeder Zeit die wahrhaft
lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng-
länder hegen, nur als schuldigen Tribut ihrer hohen
Vorzüge ansehen.

Dies ist der letzte Brief, liebe Julie, den Du von
hier erhältst. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-

den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie
ſehr mal à propos!



Nachdem ich mich bei allen hohen Herrſchaften dieſen
Morgen beurlaubt, widmete ich den Reſt des Tages
meinem Freunde Sp .., der mit ſeiner Familie zeigt,
daß man das Hofleben und die große Welt mit der
einfachſten Häuslichkeit und gewinnendſten Herzens-
güte ſehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng-
länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutſch
wie ſeine Mutterſprache redet, unterbielt uns mit
launigen Schilderungen der engliſchen Geſellſchaft,
deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig-
keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen-
heit fand, den Deutſchen, wie beſonders den An-
weſenden Verbindliches zu ſagen. So urtheilen
die Engländer jedoch nur im Auslande
.
Zurückgekommen, nehmen ſie ſchnell wieder die ge-
wohnte Kälte und ſtolze Indifferenz an, die einen
Fremden wie ein geringeres Weſen betrachtet, und
lachen höhniſch der deutſchen Bonhomie, die ſie frü-
her gelobt, ſo lange ſie der Gegenſtand derſelben
waren, während ſie doch zu jeder Zeit die wahrhaft
lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng-
länder hegen, nur als ſchuldigen Tribut ihrer hohen
Vorzüge anſehen.

Dies iſt der letzte Brief, liebe Julie, den Du von
hier erhältſt. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-

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[21/0061] den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie ſehr mal à propos! Den 16ten. Nachdem ich mich bei allen hohen Herrſchaften dieſen Morgen beurlaubt, widmete ich den Reſt des Tages meinem Freunde Sp .., der mit ſeiner Familie zeigt, daß man das Hofleben und die große Welt mit der einfachſten Häuslichkeit und gewinnendſten Herzens- güte ſehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng- länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutſch wie ſeine Mutterſprache redet, unterbielt uns mit launigen Schilderungen der engliſchen Geſellſchaft, deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig- keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen- heit fand, den Deutſchen, wie beſonders den An- weſenden Verbindliches zu ſagen. So urtheilen die Engländer jedoch nur im Auslande. Zurückgekommen, nehmen ſie ſchnell wieder die ge- wohnte Kälte und ſtolze Indifferenz an, die einen Fremden wie ein geringeres Weſen betrachtet, und lachen höhniſch der deutſchen Bonhomie, die ſie frü- her gelobt, ſo lange ſie der Gegenſtand derſelben waren, während ſie doch zu jeder Zeit die wahrhaft lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng- länder hegen, nur als ſchuldigen Tribut ihrer hohen Vorzüge anſehen. Dies iſt der letzte Brief, liebe Julie, den Du von hier erhältſt. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/61>, abgerufen am 18.04.2024.