Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

früher kaum glauben wollte, da sie in London ge-
wöhnlich nur zu komischen Scenen Anlaß zu geben
pflegen.

Ein Bekannter hatte mir eins seiner Jagdpferde
geborgt, da die meinigen in London geblieben sind,
und ich nahm mir vor, meine Direktion diesmal nach
einer mir noch unbekannten Seite der Dünen zu
nehmen, die man die Teufelsschlucht nennt, war
auch schon mehrere Meilen durch Berg und Thal
über den glatten Rasen fortgeritten, als plötzlich die
Luft sich zu verfinstern anfing, und in wenigen Mi-
nuten ich nicht mehr 10 Schritt weit vor mir sehen
konnte. Dabei blieb es auch, und war fortan an
keine Aufhellung des Wetters mehr zu denken. So
verging wohl eine Stunde, während ich bald dort,
bald dahin ritt, um einen gebahnten Weg aufzufin-
den. Meine leichte Kleidung war schon durchnäßt,
die Luft eiskalt geworden, und hätte mich die Nacht
übereilt, so war die Perspective eine der unangenehm-
sten. In dieser Noth, und ganz unbekannt mit der
Gegend, fiel es mir glücklicherweise ein, meinem al-
ten Pferde, das so oft hier den Fuchsjagden beige-
wohnt, völlig freien Willen zu lassen. Nach wenig
Schritten, und sobald es sich frei fühlte, drehte es
auch sogleich in einer kurzen Volte um, und setzte
sich in einen ziemlich animirten Gallop, den Berg,
wo ich mich eben befand, grade herunter laufend.
Ich nahm mich wohl in Acht, es nicht mehr zu stö-
ren, ohngeachtet der halben Dunkelheit um mich her,
selbst als es durch ein Feld hohen stachlichten Ginsters

früher kaum glauben wollte, da ſie in London ge-
wöhnlich nur zu komiſchen Scenen Anlaß zu geben
pflegen.

Ein Bekannter hatte mir eins ſeiner Jagdpferde
geborgt, da die meinigen in London geblieben ſind,
und ich nahm mir vor, meine Direktion diesmal nach
einer mir noch unbekannten Seite der Dünen zu
nehmen, die man die Teufelsſchlucht nennt, war
auch ſchon mehrere Meilen durch Berg und Thal
über den glatten Raſen fortgeritten, als plötzlich die
Luft ſich zu verfinſtern anfing, und in wenigen Mi-
nuten ich nicht mehr 10 Schritt weit vor mir ſehen
konnte. Dabei blieb es auch, und war fortan an
keine Aufhellung des Wetters mehr zu denken. So
verging wohl eine Stunde, während ich bald dort,
bald dahin ritt, um einen gebahnten Weg aufzufin-
den. Meine leichte Kleidung war ſchon durchnäßt,
die Luft eiskalt geworden, und hätte mich die Nacht
übereilt, ſo war die Perſpective eine der unangenehm-
ſten. In dieſer Noth, und ganz unbekannt mit der
Gegend, fiel es mir glücklicherweiſe ein, meinem al-
ten Pferde, das ſo oft hier den Fuchsjagden beige-
wohnt, völlig freien Willen zu laſſen. Nach wenig
Schritten, und ſobald es ſich frei fühlte, drehte es
auch ſogleich in einer kurzen Volte um, und ſetzte
ſich in einen ziemlich animirten Gallop, den Berg,
wo ich mich eben befand, grade herunter laufend.
Ich nahm mich wohl in Acht, es nicht mehr zu ſtö-
ren, ohngeachtet der halben Dunkelheit um mich her,
ſelbſt als es durch ein Feld hohen ſtachlichten Ginſters

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="7"/>
früher kaum glauben wollte, da &#x017F;ie in London ge-<lb/>
wöhnlich nur zu komi&#x017F;chen Scenen Anlaß zu geben<lb/>
pflegen.</p><lb/>
          <p>Ein Bekannter hatte mir eins &#x017F;einer Jagdpferde<lb/>
geborgt, da die meinigen in London geblieben &#x017F;ind,<lb/>
und ich nahm mir vor, meine Direktion diesmal nach<lb/>
einer mir noch unbekannten Seite der Dünen zu<lb/>
nehmen, die man die Teufels&#x017F;chlucht nennt, war<lb/>
auch &#x017F;chon mehrere Meilen durch Berg und Thal<lb/>
über den glatten Ra&#x017F;en fortgeritten, als plötzlich die<lb/>
Luft &#x017F;ich zu verfin&#x017F;tern anfing, und in wenigen Mi-<lb/>
nuten ich nicht mehr 10 Schritt weit vor mir &#x017F;ehen<lb/>
konnte. Dabei blieb es auch, und war fortan an<lb/>
keine Aufhellung des Wetters mehr zu denken. So<lb/>
verging wohl eine Stunde, während ich bald dort,<lb/>
bald dahin ritt, um einen gebahnten Weg aufzufin-<lb/>
den. Meine leichte Kleidung war &#x017F;chon durchnäßt,<lb/>
die Luft eiskalt geworden, und hätte mich die Nacht<lb/>
übereilt, &#x017F;o war die Per&#x017F;pective eine der unangenehm-<lb/>
&#x017F;ten. In die&#x017F;er Noth, und ganz unbekannt mit der<lb/>
Gegend, fiel es mir glücklicherwei&#x017F;e ein, meinem al-<lb/>
ten Pferde, das &#x017F;o oft hier den Fuchsjagden beige-<lb/>
wohnt, völlig freien Willen zu la&#x017F;&#x017F;en. Nach wenig<lb/>
Schritten, und &#x017F;obald es &#x017F;ich frei fühlte, drehte es<lb/>
auch &#x017F;ogleich in einer kurzen Volte um, und &#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ich in einen ziemlich animirten Gallop, den Berg,<lb/>
wo ich mich eben befand, grade herunter laufend.<lb/>
Ich nahm mich wohl in Acht, es nicht mehr zu &#x017F;tö-<lb/>
ren, ohngeachtet der halben Dunkelheit um mich her,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t als es durch ein Feld hohen &#x017F;tachlichten Gin&#x017F;ters<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0023] früher kaum glauben wollte, da ſie in London ge- wöhnlich nur zu komiſchen Scenen Anlaß zu geben pflegen. Ein Bekannter hatte mir eins ſeiner Jagdpferde geborgt, da die meinigen in London geblieben ſind, und ich nahm mir vor, meine Direktion diesmal nach einer mir noch unbekannten Seite der Dünen zu nehmen, die man die Teufelsſchlucht nennt, war auch ſchon mehrere Meilen durch Berg und Thal über den glatten Raſen fortgeritten, als plötzlich die Luft ſich zu verfinſtern anfing, und in wenigen Mi- nuten ich nicht mehr 10 Schritt weit vor mir ſehen konnte. Dabei blieb es auch, und war fortan an keine Aufhellung des Wetters mehr zu denken. So verging wohl eine Stunde, während ich bald dort, bald dahin ritt, um einen gebahnten Weg aufzufin- den. Meine leichte Kleidung war ſchon durchnäßt, die Luft eiskalt geworden, und hätte mich die Nacht übereilt, ſo war die Perſpective eine der unangenehm- ſten. In dieſer Noth, und ganz unbekannt mit der Gegend, fiel es mir glücklicherweiſe ein, meinem al- ten Pferde, das ſo oft hier den Fuchsjagden beige- wohnt, völlig freien Willen zu laſſen. Nach wenig Schritten, und ſobald es ſich frei fühlte, drehte es auch ſogleich in einer kurzen Volte um, und ſetzte ſich in einen ziemlich animirten Gallop, den Berg, wo ich mich eben befand, grade herunter laufend. Ich nahm mich wohl in Acht, es nicht mehr zu ſtö- ren, ohngeachtet der halben Dunkelheit um mich her, ſelbſt als es durch ein Feld hohen ſtachlichten Ginſters

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/23
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/23>, abgerufen am 24.04.2024.