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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
einem allgemeinen Herkommen zu werden, daß
ein Reichsstand, wider den am Reichshofrathe
oder Cammergerichte ein unangenehmes Erkennt-
niß ergieng, dawider seine Zuflucht an den Reichs-
tag nahm, um wo möglich ein Reichsgutachten zu
bewirken, vermöge dessen der Kaiser ersucht wer-
den möchte, das reichsgerichtliche Erkenntniß auf-
zuheben oder abzuändern.


II.

Wenn Kaiser und Reich eine Sache so be-
schaffen finden, daß ein Reichsgericht die Grän-
zen seiner Gewalt offenbar überschritten hat; so
ist freylich nichts dabey zu erinnern, wenn von we-
gen der höchsten Gewalt ein solcher Schritt ge-
schieht, der auch einem Gerichte, das sonst in der
höchsten und letzten Instanz zu sprechen hat, zur
Belehrung dienen kann, daß es von der gesetzge-
benden Gewalt und höchsten Oberaufsicht nicht
ganz unabhängig sey. Nach der besonderen Ver-
fassung unsers Reichsjustitzwesens scheint das dop-
pelt erheblich zu seyn, da dasjenige Rechtsmittel,
das sonst die Erkenntnisse des Cammergerichts noch
einer Revision ganz anderer Richter unterwirft,
jetzt seit 200. Jahren nicht zum Ausgange ge-
bracht werden können, und da am Reichshofrathe
gar kein Mittel ist, eine Sache zu Erörterung ei-
ner Beschwerde in andere Hände zu bringen. In
solchen Rücksichten konnte es also wohl geschehen,
daß zu Zeiten für Partheyen, die gegen das eine
oder das andere Reichsgericht ihre Beschwerden
beym Reichstage angebracht hatten, ein günsti-
ges Reichsgutachten ergieng. Dergleichen waren
insonderheit in den ersten Jahren des jetzigen Jahr-

hun-

XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
einem allgemeinen Herkommen zu werden, daß
ein Reichsſtand, wider den am Reichshofrathe
oder Cammergerichte ein unangenehmes Erkennt-
niß ergieng, dawider ſeine Zuflucht an den Reichs-
tag nahm, um wo moͤglich ein Reichsgutachten zu
bewirken, vermoͤge deſſen der Kaiſer erſucht wer-
den moͤchte, das reichsgerichtliche Erkenntniß auf-
zuheben oder abzuaͤndern.


II.

Wenn Kaiſer und Reich eine Sache ſo be-
ſchaffen finden, daß ein Reichsgericht die Graͤn-
zen ſeiner Gewalt offenbar uͤberſchritten hat; ſo
iſt freylich nichts dabey zu erinnern, wenn von we-
gen der hoͤchſten Gewalt ein ſolcher Schritt ge-
ſchieht, der auch einem Gerichte, das ſonſt in der
hoͤchſten und letzten Inſtanz zu ſprechen hat, zur
Belehrung dienen kann, daß es von der geſetzge-
benden Gewalt und hoͤchſten Oberaufſicht nicht
ganz unabhaͤngig ſey. Nach der beſonderen Ver-
faſſung unſers Reichsjuſtitzweſens ſcheint das dop-
pelt erheblich zu ſeyn, da dasjenige Rechtsmittel,
das ſonſt die Erkenntniſſe des Cammergerichts noch
einer Reviſion ganz anderer Richter unterwirft,
jetzt ſeit 200. Jahren nicht zum Ausgange ge-
bracht werden koͤnnen, und da am Reichshofrathe
gar kein Mittel iſt, eine Sache zu Eroͤrterung ei-
ner Beſchwerde in andere Haͤnde zu bringen. In
ſolchen Ruͤckſichten konnte es alſo wohl geſchehen,
daß zu Zeiten fuͤr Partheyen, die gegen das eine
oder das andere Reichsgericht ihre Beſchwerden
beym Reichstage angebracht hatten, ein guͤnſti-
ges Reichsgutachten ergieng. Dergleichen waren
inſonderheit in den erſten Jahren des jetzigen Jahr-

hun-
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[48/0082] XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748. einem allgemeinen Herkommen zu werden, daß ein Reichsſtand, wider den am Reichshofrathe oder Cammergerichte ein unangenehmes Erkennt- niß ergieng, dawider ſeine Zuflucht an den Reichs- tag nahm, um wo moͤglich ein Reichsgutachten zu bewirken, vermoͤge deſſen der Kaiſer erſucht wer- den moͤchte, das reichsgerichtliche Erkenntniß auf- zuheben oder abzuaͤndern. Wenn Kaiſer und Reich eine Sache ſo be- ſchaffen finden, daß ein Reichsgericht die Graͤn- zen ſeiner Gewalt offenbar uͤberſchritten hat; ſo iſt freylich nichts dabey zu erinnern, wenn von we- gen der hoͤchſten Gewalt ein ſolcher Schritt ge- ſchieht, der auch einem Gerichte, das ſonſt in der hoͤchſten und letzten Inſtanz zu ſprechen hat, zur Belehrung dienen kann, daß es von der geſetzge- benden Gewalt und hoͤchſten Oberaufſicht nicht ganz unabhaͤngig ſey. Nach der beſonderen Ver- faſſung unſers Reichsjuſtitzweſens ſcheint das dop- pelt erheblich zu ſeyn, da dasjenige Rechtsmittel, das ſonſt die Erkenntniſſe des Cammergerichts noch einer Reviſion ganz anderer Richter unterwirft, jetzt ſeit 200. Jahren nicht zum Ausgange ge- bracht werden koͤnnen, und da am Reichshofrathe gar kein Mittel iſt, eine Sache zu Eroͤrterung ei- ner Beſchwerde in andere Haͤnde zu bringen. In ſolchen Ruͤckſichten konnte es alſo wohl geſchehen, daß zu Zeiten fuͤr Partheyen, die gegen das eine oder das andere Reichsgericht ihre Beſchwerden beym Reichstage angebracht hatten, ein guͤnſti- ges Reichsgutachten ergieng. Dergleichen waren inſonderheit in den erſten Jahren des jetzigen Jahr- hun-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/82>, abgerufen am 29.03.2024.