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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Siebentes Kapitel.

Der Herr Magister schlug noch einmal die Hände
zusammen, nachdem sich die Thür hinter den zwei armen
Tröpfen geschlossen hatte. Er schüttelte auch noch ein¬
mal das Haupt und ächzte schwer auf; doch dann zeigte er
sich auch wieder als der Mann, der wußte, daß in dem
Drange der Zeiten mehr als ein Einiges Noth thue.
Er zog den Stuhl an den Tisch, den Napf mit der
kaltgewordenen, nur noch sehr schwach dampfenden Brei¬
suppe heran, ergriff den Löffel, sprach:

"Alle gute Gabe kommt von Oben herab!" und
-- nahm etwa sein Abendmahl bedächtig zu sich? O
nein, er löffelte zu, hieb ab vom Brode und packte sein
Salzfischlein, wenn nicht so gefräßig wie ein Küster, so
doch mit richtigem Schulmeisterappetit! O trotz der
Noth der Zeiten schenkte auch er dem Klosteramtmann
von Amelungsborn nichts, und so war's nicht ganz un¬
gerechtfertigt, daß er vorhin denn auch ein wenig zu
seinen Gunsten redete. Der Streiter vom Odinsfelde,
den sein Hunger jetzt entweder verwogener oder zu¬
traulicher machte und der laut krächzend sein Theil

Siebentes Kapitel.

Der Herr Magiſter ſchlug noch einmal die Hände
zuſammen, nachdem ſich die Thür hinter den zwei armen
Tröpfen geſchloſſen hatte. Er ſchüttelte auch noch ein¬
mal das Haupt und ächzte ſchwer auf; doch dann zeigte er
ſich auch wieder als der Mann, der wußte, daß in dem
Drange der Zeiten mehr als ein Einiges Noth thue.
Er zog den Stuhl an den Tiſch, den Napf mit der
kaltgewordenen, nur noch ſehr ſchwach dampfenden Brei¬
ſuppe heran, ergriff den Löffel, ſprach:

„Alle gute Gabe kommt von Oben herab!“ und
— nahm etwa ſein Abendmahl bedächtig zu ſich? O
nein, er löffelte zu, hieb ab vom Brode und packte ſein
Salzfiſchlein, wenn nicht ſo gefräßig wie ein Küſter, ſo
doch mit richtigem Schulmeiſterappetit! O trotz der
Noth der Zeiten ſchenkte auch er dem Kloſteramtmann
von Amelungsborn nichts, und ſo war's nicht ganz un¬
gerechtfertigt, daß er vorhin denn auch ein wenig zu
ſeinen Gunſten redete. Der Streiter vom Odinsfelde,
den ſein Hunger jetzt entweder verwogener oder zu¬
traulicher machte und der laut krächzend ſein Theil

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[[75]/0083] Siebentes Kapitel. Der Herr Magiſter ſchlug noch einmal die Hände zuſammen, nachdem ſich die Thür hinter den zwei armen Tröpfen geſchloſſen hatte. Er ſchüttelte auch noch ein¬ mal das Haupt und ächzte ſchwer auf; doch dann zeigte er ſich auch wieder als der Mann, der wußte, daß in dem Drange der Zeiten mehr als ein Einiges Noth thue. Er zog den Stuhl an den Tiſch, den Napf mit der kaltgewordenen, nur noch ſehr ſchwach dampfenden Brei¬ ſuppe heran, ergriff den Löffel, ſprach: „Alle gute Gabe kommt von Oben herab!“ und — nahm etwa ſein Abendmahl bedächtig zu ſich? O nein, er löffelte zu, hieb ab vom Brode und packte ſein Salzfiſchlein, wenn nicht ſo gefräßig wie ein Küſter, ſo doch mit richtigem Schulmeiſterappetit! O trotz der Noth der Zeiten ſchenkte auch er dem Kloſteramtmann von Amelungsborn nichts, und ſo war's nicht ganz un¬ gerechtfertigt, daß er vorhin denn auch ein wenig zu ſeinen Gunſten redete. Der Streiter vom Odinsfelde, den ſein Hunger jetzt entweder verwogener oder zu¬ traulicher machte und der laut krächzend ſein Theil

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [75]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/83>, abgerufen am 28.03.2024.