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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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I, Der und Der! Ob der gute alte Kerl wohl
noch lebt und es ihm nach Verdienst wohl ergeht?...
Und nun -- da -- guck den Stänker -- den hämischen
Schulbankpetzer! wie kommt mir der Bursche in seinen
zu kurzen Hosen und Rockärmeln grade jetzt, hier an
dieser Straßenecke am Hafen in den Sinn? hier
unter den Palmen und Sykomoren und andern
Mohren und bei der äquatorialen Hitze? Aber es
freut Einen doch, grade bei der Hitze und unter dem
exotischen, heidnischen Niggerpack, daß man in kühlerer
Zeit mal mit dem heimathländischen, germanischen
Christen zu thun gehabt hat und von ihm mit der
Nase darauf gestoßen worden ist, wie treuherzig es
in der Welt und unter den Leuten zugeht!...Herr-
gott, da kommt ja Maier!... Maier! aber wie von
einer Theekistenbemalung, mit dem seligen Porzellan-
turm von Nanking hinter sich! wie kommt denn der
liebe alte Junge und Schafskopf zu dem wunder-
vollen Zopf und dem Mandarinenknopf vierter Rang-
klasse?... Herr Je, und Stopfkuchen? wie komme
ich denn gerade hier auf Stopfkuchen? auf meinen
dicken Freund Stopfkuchen, den Ersten auf unserer
Bank in der Tertia von unten auf gerechnet? Ei,
Stopfkuchen!... Stopfkuchen! --

Ich hatte weder in der Stadt noch im Brummer-
summ Alle wieder beieinander angetroffen. Den Einen
hatte der Tod, den Andern das Leben daraus weg-
geholt. Und was den Brummersumm im besondern
anbetraf, so war der Eine zu gut verheirathet und
der Andere zu schlecht, als daß sie noch die gehörige

I, Der und Der! Ob der gute alte Kerl wohl
noch lebt und es ihm nach Verdienſt wohl ergeht?...
Und nun — da — guck den Stänker — den hämiſchen
Schulbankpetzer! wie kommt mir der Burſche in ſeinen
zu kurzen Hoſen und Rockärmeln grade jetzt, hier an
dieſer Straßenecke am Hafen in den Sinn? hier
unter den Palmen und Sykomoren und andern
Mohren und bei der äquatorialen Hitze? Aber es
freut Einen doch, grade bei der Hitze und unter dem
exotiſchen, heidniſchen Niggerpack, daß man in kühlerer
Zeit mal mit dem heimathländiſchen, germaniſchen
Chriſten zu thun gehabt hat und von ihm mit der
Naſe darauf geſtoßen worden iſt, wie treuherzig es
in der Welt und unter den Leuten zugeht!...Herr-
gott, da kommt ja Maier!... Maier! aber wie von
einer Theekiſtenbemalung, mit dem ſeligen Porzellan-
turm von Nanking hinter ſich! wie kommt denn der
liebe alte Junge und Schafskopf zu dem wunder-
vollen Zopf und dem Mandarinenknopf vierter Rang-
klaſſe?... Herr Je, und Stopfkuchen? wie komme
ich denn gerade hier auf Stopfkuchen? auf meinen
dicken Freund Stopfkuchen, den Erſten auf unſerer
Bank in der Tertia von unten auf gerechnet? Ei,
Stopfkuchen!... Stopfkuchen! —

Ich hatte weder in der Stadt noch im Brummer-
ſumm Alle wieder beieinander angetroffen. Den Einen
hatte der Tod, den Andern das Leben daraus weg-
geholt. Und was den Brummerſumm im beſondern
anbetraf, ſo war der Eine zu gut verheirathet und
der Andere zu ſchlecht, als daß ſie noch die gehörige

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[6/0016] I, Der und Der! Ob der gute alte Kerl wohl noch lebt und es ihm nach Verdienſt wohl ergeht?... Und nun — da — guck den Stänker — den hämiſchen Schulbankpetzer! wie kommt mir der Burſche in ſeinen zu kurzen Hoſen und Rockärmeln grade jetzt, hier an dieſer Straßenecke am Hafen in den Sinn? hier unter den Palmen und Sykomoren und andern Mohren und bei der äquatorialen Hitze? Aber es freut Einen doch, grade bei der Hitze und unter dem exotiſchen, heidniſchen Niggerpack, daß man in kühlerer Zeit mal mit dem heimathländiſchen, germaniſchen Chriſten zu thun gehabt hat und von ihm mit der Naſe darauf geſtoßen worden iſt, wie treuherzig es in der Welt und unter den Leuten zugeht!...Herr- gott, da kommt ja Maier!... Maier! aber wie von einer Theekiſtenbemalung, mit dem ſeligen Porzellan- turm von Nanking hinter ſich! wie kommt denn der liebe alte Junge und Schafskopf zu dem wunder- vollen Zopf und dem Mandarinenknopf vierter Rang- klaſſe?... Herr Je, und Stopfkuchen? wie komme ich denn gerade hier auf Stopfkuchen? auf meinen dicken Freund Stopfkuchen, den Erſten auf unſerer Bank in der Tertia von unten auf gerechnet? Ei, Stopfkuchen!... Stopfkuchen! — Ich hatte weder in der Stadt noch im Brummer- ſumm Alle wieder beieinander angetroffen. Den Einen hatte der Tod, den Andern das Leben daraus weg- geholt. Und was den Brummerſumm im beſondern anbetraf, ſo war der Eine zu gut verheirathet und der Andere zu ſchlecht, als daß ſie noch die gehörige

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/16>, abgerufen am 28.03.2024.