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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Kundschaft zu bedienen. Die Sonne stand hell am
Himmel und schien mir auf den Kaffeetisch. Ich
durfte meinem Wirthshausbett in den Heiligen drei
Königen das Kompliment machen, daß ich trotz Allem
einen ausgezeichnet guten Schlaf in ihm gethan hatte;
einerlei wie es zehntausend Andern vor mir darin
ergangen sein mochte.

Es war ein schöner Morgen heraufgekommen
mit Hülfe des Nachtgewitters. So frisch und licht
und leicht in seinem Anfang, daß man die Aussicht
auf einen neuen heißen Tag wohl mit in den Kauf
nehmen konnte.

"Also der alte Störzer ist todt!" seufzte ich be-
haglich-wehmüthig über dem Kaffeetisch und der neuesten
Zeitung, die mir der Kellner mit den Worten gebracht
hatte: "Unser Herr schickt sie dem Herrn zuerst, weil
er meint, sie interessire ihn wohl zuerst im Hause,
da -- Sie so weit aus der Fremde nach Hause
kämen. Es hätte diesmal Zeit damit bis sie in das
Gastzimmer zu den übrigen Herren herunterkäme."

In diesem Worte des jungen höflichen Menschen
kam auch wieder ein Stück Bekanntschaft aus alter
Zeit zum Vorschein. Es war sehr freundlich von
mine host in den Heiligen drei Königen; aber
diesmal verlangte mich nicht gerade allzusehr danach,
das Neueste vom Weltgericht, nämlich von der Welt-
geschichte vor die Nase zu bekommen. Ich schob das
Tagblatt sehr bald zurück und dachte nochmals:

"Der alte Störzer todt! Schade! Den hast Du
nun also schon durch eigene Schuld versäumt, Eduard.

Kundſchaft zu bedienen. Die Sonne ſtand hell am
Himmel und ſchien mir auf den Kaffeetiſch. Ich
durfte meinem Wirthshausbett in den Heiligen drei
Königen das Kompliment machen, daß ich trotz Allem
einen ausgezeichnet guten Schlaf in ihm gethan hatte;
einerlei wie es zehntauſend Andern vor mir darin
ergangen ſein mochte.

Es war ein ſchöner Morgen heraufgekommen
mit Hülfe des Nachtgewitters. So friſch und licht
und leicht in ſeinem Anfang, daß man die Ausſicht
auf einen neuen heißen Tag wohl mit in den Kauf
nehmen konnte.

„Alſo der alte Störzer iſt todt!“ ſeufzte ich be-
haglich-wehmüthig über dem Kaffeetiſch und der neueſten
Zeitung, die mir der Kellner mit den Worten gebracht
hatte: „Unſer Herr ſchickt ſie dem Herrn zuerſt, weil
er meint, ſie intereſſire ihn wohl zuerſt im Hauſe,
da — Sie ſo weit aus der Fremde nach Hauſe
kämen. Es hätte diesmal Zeit damit bis ſie in das
Gaſtzimmer zu den übrigen Herren herunterkäme.“

In dieſem Worte des jungen höflichen Menſchen
kam auch wieder ein Stück Bekanntſchaft aus alter
Zeit zum Vorſchein. Es war ſehr freundlich von
mine host in den Heiligen drei Königen; aber
diesmal verlangte mich nicht gerade allzuſehr danach,
das Neueſte vom Weltgericht, nämlich von der Welt-
geſchichte vor die Naſe zu bekommen. Ich ſchob das
Tagblatt ſehr bald zurück und dachte nochmals:

„Der alte Störzer todt! Schade! Den haſt Du
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[32/0042] Kundſchaft zu bedienen. Die Sonne ſtand hell am Himmel und ſchien mir auf den Kaffeetiſch. Ich durfte meinem Wirthshausbett in den Heiligen drei Königen das Kompliment machen, daß ich trotz Allem einen ausgezeichnet guten Schlaf in ihm gethan hatte; einerlei wie es zehntauſend Andern vor mir darin ergangen ſein mochte. Es war ein ſchöner Morgen heraufgekommen mit Hülfe des Nachtgewitters. So friſch und licht und leicht in ſeinem Anfang, daß man die Ausſicht auf einen neuen heißen Tag wohl mit in den Kauf nehmen konnte. „Alſo der alte Störzer iſt todt!“ ſeufzte ich be- haglich-wehmüthig über dem Kaffeetiſch und der neueſten Zeitung, die mir der Kellner mit den Worten gebracht hatte: „Unſer Herr ſchickt ſie dem Herrn zuerſt, weil er meint, ſie intereſſire ihn wohl zuerſt im Hauſe, da — Sie ſo weit aus der Fremde nach Hauſe kämen. Es hätte diesmal Zeit damit bis ſie in das Gaſtzimmer zu den übrigen Herren herunterkäme.“ In dieſem Worte des jungen höflichen Menſchen kam auch wieder ein Stück Bekanntſchaft aus alter Zeit zum Vorſchein. Es war ſehr freundlich von mine host in den Heiligen drei Königen; aber diesmal verlangte mich nicht gerade allzuſehr danach, das Neueſte vom Weltgericht, nämlich von der Welt- geſchichte vor die Naſe zu bekommen. Ich ſchob das Tagblatt ſehr bald zurück und dachte nochmals: „Der alte Störzer todt! Schade! Den haſt Du nun alſo ſchon durch eigene Schuld verſäumt, Eduard.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/42>, abgerufen am 29.03.2024.