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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
de mir an, daß ich mir auf eine so gebietrische Art
sollte Lebensregeln vorpredigen lassen. Es wun-
dert mich, daß Dein zärtlicher Tyrann nicht gleich
das Maaß mit geschickt hat, wie weit Dein Reif-
rock seyn soll, wenn Du das Glück hast, seine un-
terthänig gehorsamste Frau zu werden. Alles von
der Welt lasse ich mir gefallen. Aber das mag
sich mein künftiger Mann ja nicht unterstehn, daß
er mir vorschreiben will, was ich für Kleider tra-
gen soll. Dafür ist er mein Mann, und nicht
mein Schneider. Hat er das Herz nicht, eine
Frau zu ernähren, welche so viel braucht, als ich:
so mag er mich nicht nehmen; oder, wenn er mich
doch nimmt, so soll er sehn, wie ich ihm den Kopf
will zurechte setzen. Was hilft uns denn unser
Eingebrachtes? Geben wir das um deßwillen hin,
daß wir die hohe Ehre haben, Frau zu werden?
Sachte, vielkühner Ritter! Heut zu Tage spielt
man die Romane anders! Ein Mädchen, das
dem Manne tausend Thaler zubringt, hat das
Recht, ihm alle Jahre tausend zu verthun. Da-
für hat er auch eine Frau, die ihm Ehre macht.
Soll ich mich um deßwillen nicht so prächtig hal-
ten, als meine Nachbarinn, damit mein Mann ehr-
lich bleibt? Wo kömmt denn diese neue Weishelt
her? Laß es seyn, Schwesterchen, daß der Mann
zum Teufel geht, und bankrut macht: was scha-
det das der Frau? Und wenn alle Gläubiger be-
trogen werden, so gewinnt doch die Frau, oder
sie muß es sehr dumm anfangen. Aber Dein Mann

ver-
Y 2

Satyriſche Briefe.
de mir an, daß ich mir auf eine ſo gebietriſche Art
ſollte Lebensregeln vorpredigen laſſen. Es wun-
dert mich, daß Dein zaͤrtlicher Tyrann nicht gleich
das Maaß mit geſchickt hat, wie weit Dein Reif-
rock ſeyn ſoll, wenn Du das Gluͤck haſt, ſeine un-
terthaͤnig gehorſamſte Frau zu werden. Alles von
der Welt laſſe ich mir gefallen. Aber das mag
ſich mein kuͤnftiger Mann ja nicht unterſtehn, daß
er mir vorſchreiben will, was ich fuͤr Kleider tra-
gen ſoll. Dafuͤr iſt er mein Mann, und nicht
mein Schneider. Hat er das Herz nicht, eine
Frau zu ernaͤhren, welche ſo viel braucht, als ich:
ſo mag er mich nicht nehmen; oder, wenn er mich
doch nimmt, ſo ſoll er ſehn, wie ich ihm den Kopf
will zurechte ſetzen. Was hilft uns denn unſer
Eingebrachtes? Geben wir das um deßwillen hin,
daß wir die hohe Ehre haben, Frau zu werden?
Sachte, vielkuͤhner Ritter! Heut zu Tage ſpielt
man die Romane anders! Ein Maͤdchen, das
dem Manne tauſend Thaler zubringt, hat das
Recht, ihm alle Jahre tauſend zu verthun. Da-
fuͤr hat er auch eine Frau, die ihm Ehre macht.
Soll ich mich um deßwillen nicht ſo praͤchtig hal-
ten, als meine Nachbarinn, damit mein Mann ehr-
lich bleibt? Wo koͤmmt denn dieſe neue Weishelt
her? Laß es ſeyn, Schweſterchen, daß der Mann
zum Teufel geht, und bankrut macht: was ſcha-
det das der Frau? Und wenn alle Glaͤubiger be-
trogen werden, ſo gewinnt doch die Frau, oder
ſie muß es ſehr dumm anfangen. Aber Dein Mann

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[339/0367] Satyriſche Briefe. de mir an, daß ich mir auf eine ſo gebietriſche Art ſollte Lebensregeln vorpredigen laſſen. Es wun- dert mich, daß Dein zaͤrtlicher Tyrann nicht gleich das Maaß mit geſchickt hat, wie weit Dein Reif- rock ſeyn ſoll, wenn Du das Gluͤck haſt, ſeine un- terthaͤnig gehorſamſte Frau zu werden. Alles von der Welt laſſe ich mir gefallen. Aber das mag ſich mein kuͤnftiger Mann ja nicht unterſtehn, daß er mir vorſchreiben will, was ich fuͤr Kleider tra- gen ſoll. Dafuͤr iſt er mein Mann, und nicht mein Schneider. Hat er das Herz nicht, eine Frau zu ernaͤhren, welche ſo viel braucht, als ich: ſo mag er mich nicht nehmen; oder, wenn er mich doch nimmt, ſo ſoll er ſehn, wie ich ihm den Kopf will zurechte ſetzen. Was hilft uns denn unſer Eingebrachtes? Geben wir das um deßwillen hin, daß wir die hohe Ehre haben, Frau zu werden? Sachte, vielkuͤhner Ritter! Heut zu Tage ſpielt man die Romane anders! Ein Maͤdchen, das dem Manne tauſend Thaler zubringt, hat das Recht, ihm alle Jahre tauſend zu verthun. Da- fuͤr hat er auch eine Frau, die ihm Ehre macht. Soll ich mich um deßwillen nicht ſo praͤchtig hal- ten, als meine Nachbarinn, damit mein Mann ehr- lich bleibt? Wo koͤmmt denn dieſe neue Weishelt her? Laß es ſeyn, Schweſterchen, daß der Mann zum Teufel geht, und bankrut macht: was ſcha- det das der Frau? Und wenn alle Glaͤubiger be- trogen werden, ſo gewinnt doch die Frau, oder ſie muß es ſehr dumm anfangen. Aber Dein Mann ver- Y 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/367>, abgerufen am 28.03.2024.