Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
verliert ja seinen ehrlichen Namen dabey? Aber
warum denn? Bey uns wohl nicht, Schwester-
chen. Es ist niemand ehrlicher, als ein muthwillig
bankruter Kaufmann, und niemand glücklicher,
als seine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie
altvätrisch bist Du! Mit einem Worte, Dein Lieb-
haber mag seyn, wie er will, für mich wäre er nicht.
So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann:
so lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue,
was Du willst, mit meinem Willen sollst Du den
alten Jesus Syrach nicht heirathen. Deßwegen
wollen wir nicht sitzen bleiben; ich gebe Dir mein
Wort. Für unser Geld können wir uns einen
Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen
feinen geduldigen, und gehorsamen Mann: das
lasse ich eher gelten. Lebe wohl und übereile Dich
nicht.

Jch bin Deine aufrichtige Freundinn etc.
Jungfer Muhme,

Jhr Herzensbändiger scheint ein allerliebster Pe-
dant zu seyn. Was muß er mit seiner Ord-
nung sagen wollen, die er so einförmig gehalten
wissen will, daß ihm nicht eine Viertelstunde ver-
rückt wird? Der hätte sollen einen guten Schul-
rektor in einem kleinen Städtchen abgeben, wo
die Knaben von früh um sechs Uhr an bis auf den
Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe
sich anziehen, lernen, essen, trinken, und schlafen
müssen, und das heute wie gestern, und morgen

wie

Satyriſche Briefe.
verliert ja ſeinen ehrlichen Namen dabey? Aber
warum denn? Bey uns wohl nicht, Schweſter-
chen. Es iſt niemand ehrlicher, als ein muthwillig
bankruter Kaufmann, und niemand gluͤcklicher,
als ſeine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie
altvaͤtriſch biſt Du! Mit einem Worte, Dein Lieb-
haber mag ſeyn, wie er will, fuͤr mich waͤre er nicht.
So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann:
ſo lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue,
was Du willſt, mit meinem Willen ſollſt Du den
alten Jeſus Syrach nicht heirathen. Deßwegen
wollen wir nicht ſitzen bleiben; ich gebe Dir mein
Wort. Fuͤr unſer Geld koͤnnen wir uns einen
Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen
feinen geduldigen, und gehorſamen Mann: das
laſſe ich eher gelten. Lebe wohl und uͤbereile Dich
nicht.

Jch bin Deine aufrichtige Freundinn ꝛc.
Jungfer Muhme,

Jhr Herzensbaͤndiger ſcheint ein allerliebſter Pe-
dant zu ſeyn. Was muß er mit ſeiner Ord-
nung ſagen wollen, die er ſo einfoͤrmig gehalten
wiſſen will, daß ihm nicht eine Viertelſtunde ver-
ruͤckt wird? Der haͤtte ſollen einen guten Schul-
rektor in einem kleinen Staͤdtchen abgeben, wo
die Knaben von fruͤh um ſechs Uhr an bis auf den
Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe
ſich anziehen, lernen, eſſen, trinken, und ſchlafen
muͤſſen, und das heute wie geſtern, und morgen

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0368" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
verliert ja &#x017F;einen ehrlichen Namen dabey? Aber<lb/>
warum denn? Bey uns wohl nicht, Schwe&#x017F;ter-<lb/>
chen. Es i&#x017F;t niemand ehrlicher, als ein muthwillig<lb/>
bankruter Kaufmann, und niemand glu&#x0364;cklicher,<lb/>
als &#x017F;eine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie<lb/>
altva&#x0364;tri&#x017F;ch bi&#x017F;t Du! Mit einem Worte, Dein Lieb-<lb/>
haber mag &#x017F;eyn, wie er will, fu&#x0364;r mich wa&#x0364;re er nicht.<lb/>
So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann:<lb/>
&#x017F;o lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue,<lb/>
was Du will&#x017F;t, mit meinem Willen &#x017F;oll&#x017F;t Du den<lb/>
alten Je&#x017F;us Syrach nicht heirathen. Deßwegen<lb/>
wollen wir nicht &#x017F;itzen bleiben; ich gebe Dir mein<lb/>
Wort. Fu&#x0364;r un&#x017F;er Geld ko&#x0364;nnen wir uns einen<lb/>
Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen<lb/>
feinen geduldigen, und gehor&#x017F;amen Mann: das<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e ich eher gelten. Lebe wohl und u&#x0364;bereile Dich<lb/>
nicht.</p>
              <closer>
                <salute>Jch bin Deine aufrichtige Freundinn &#xA75B;c.</salute>
              </closer>
            </div><lb/>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Jungfer Muhme,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">J</hi>hr Herzensba&#x0364;ndiger &#x017F;cheint ein allerlieb&#x017F;ter Pe-<lb/>
dant zu &#x017F;eyn. Was muß er mit &#x017F;einer Ord-<lb/>
nung &#x017F;agen wollen, die er &#x017F;o einfo&#x0364;rmig gehalten<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en will, daß ihm nicht eine Viertel&#x017F;tunde ver-<lb/>
ru&#x0364;ckt wird? Der ha&#x0364;tte &#x017F;ollen einen guten Schul-<lb/>
rektor in einem kleinen Sta&#x0364;dtchen abgeben, wo<lb/>
die Knaben von fru&#x0364;h um &#x017F;echs Uhr an bis auf den<lb/>
Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe<lb/>
&#x017F;ich anziehen, lernen, e&#x017F;&#x017F;en, trinken, und &#x017F;chlafen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und das heute wie ge&#x017F;tern, und morgen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0368] Satyriſche Briefe. verliert ja ſeinen ehrlichen Namen dabey? Aber warum denn? Bey uns wohl nicht, Schweſter- chen. Es iſt niemand ehrlicher, als ein muthwillig bankruter Kaufmann, und niemand gluͤcklicher, als ſeine Frau, die ihn dazu gebracht hat. Wie altvaͤtriſch biſt Du! Mit einem Worte, Dein Lieb- haber mag ſeyn, wie er will, fuͤr mich waͤre er nicht. So lange ich noch nach meinem Kopfe leben kann: ſo lange mag ich noch nicht ins Zuchthaus. Thue, was Du willſt, mit meinem Willen ſollſt Du den alten Jeſus Syrach nicht heirathen. Deßwegen wollen wir nicht ſitzen bleiben; ich gebe Dir mein Wort. Fuͤr unſer Geld koͤnnen wir uns einen Mann kaufen, wie wir ihn haben wollen, einen feinen geduldigen, und gehorſamen Mann: das laſſe ich eher gelten. Lebe wohl und uͤbereile Dich nicht. Jch bin Deine aufrichtige Freundinn ꝛc. Jungfer Muhme, Jhr Herzensbaͤndiger ſcheint ein allerliebſter Pe- dant zu ſeyn. Was muß er mit ſeiner Ord- nung ſagen wollen, die er ſo einfoͤrmig gehalten wiſſen will, daß ihm nicht eine Viertelſtunde ver- ruͤckt wird? Der haͤtte ſollen einen guten Schul- rektor in einem kleinen Staͤdtchen abgeben, wo die Knaben von fruͤh um ſechs Uhr an bis auf den Abend um zehn Uhr nach dem Takte der Ruthe ſich anziehen, lernen, eſſen, trinken, und ſchlafen muͤſſen, und das heute wie geſtern, und morgen wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/368
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/368>, abgerufen am 29.03.2024.