Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
ratheter Personen versteht. Jn der That glaube
ich auch, daß es wider die wahre Bedeutung des
Wortes, und wider den Sprachgebrauch ist,
wenn man die Liebe auf diese Art verstehen will.
Für den Ehestand gehört Pflicht, und für un-
verheirathete Personen Liebe.

Es wäre eine große Uebereilung von meinen
Lesern, wenn sie glaubten, daß ich diese Einschrän-
kung bloß aus einem misvergnügten Andenken
wagte, welches bey mir von einer übelgewählten,
und unglücklichen Ehe herkomme. Es ist vorbey,
und ich habe meiner Frau alle Beleidigungen ver-
geben, da sie so billig gewesen, und gestorben ist.
Jch habe nicht nöthig, mich weiter zu entschuldi-
gen. Der allgemeine Gebrauch unsrer Sprache
ist für mich die beste Entschuldigung. Jch will
nur noch ein paar Exempel anführen.

Vor Liebe sterben: Von wem sagt man
das, als von jungen Personen, die sich noch nicht
verheirathet haben? Ein verliebtes Paar: Sind
das Mann und Frau? Eine ewige Liebe zu-
schwören:
Thut man das nicht vor der Verbin-
dung? Die Liebe ist blind; gewiß nicht in der
Ehe, denn alsdenn sieht eines des andern Fehler
nur gar zu genau. Er schmachtet vor Liebe.
Wer? der Mann? Ja wohl der Mann; aber
vor Liebe zum Kammermädchen. Das laß ich
gelten! Und die gnädige Frau? die ist rasend
verliebt
- - - - - in den Heyducken.

Tau-

Antons Panßa von Mancha
ratheter Perſonen verſteht. Jn der That glaube
ich auch, daß es wider die wahre Bedeutung des
Wortes, und wider den Sprachgebrauch iſt,
wenn man die Liebe auf dieſe Art verſtehen will.
Fuͤr den Eheſtand gehoͤrt Pflicht, und fuͤr un-
verheirathete Perſonen Liebe.

Es waͤre eine große Uebereilung von meinen
Leſern, wenn ſie glaubten, daß ich dieſe Einſchraͤn-
kung bloß aus einem misvergnuͤgten Andenken
wagte, welches bey mir von einer uͤbelgewaͤhlten,
und ungluͤcklichen Ehe herkomme. Es iſt vorbey,
und ich habe meiner Frau alle Beleidigungen ver-
geben, da ſie ſo billig geweſen, und geſtorben iſt.
Jch habe nicht noͤthig, mich weiter zu entſchuldi-
gen. Der allgemeine Gebrauch unſrer Sprache
iſt fuͤr mich die beſte Entſchuldigung. Jch will
nur noch ein paar Exempel anfuͤhren.

Vor Liebe ſterben: Von wem ſagt man
das, als von jungen Perſonen, die ſich noch nicht
verheirathet haben? Ein verliebtes Paar: Sind
das Mann und Frau? Eine ewige Liebe zu-
ſchwoͤren:
Thut man das nicht vor der Verbin-
dung? Die Liebe iſt blind; gewiß nicht in der
Ehe, denn alsdenn ſieht eines des andern Fehler
nur gar zu genau. Er ſchmachtet vor Liebe.
Wer? der Mann? Ja wohl der Mann; aber
vor Liebe zum Kammermaͤdchen. Das laß ich
gelten! Und die gnaͤdige Frau? die iſt raſend
verliebt
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ in den Heyducken.

Tau-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="100"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
ratheter Per&#x017F;onen ver&#x017F;teht. Jn der That glaube<lb/>
ich auch, daß es wider die wahre Bedeutung des<lb/>
Wortes, und wider den Sprachgebrauch i&#x017F;t,<lb/>
wenn man die <hi rendition="#fr">Liebe</hi> auf die&#x017F;e Art ver&#x017F;tehen will.<lb/>
Fu&#x0364;r den Ehe&#x017F;tand geho&#x0364;rt <hi rendition="#fr">Pflicht,</hi> und fu&#x0364;r un-<lb/>
verheirathete Per&#x017F;onen <hi rendition="#fr">Liebe.</hi></p><lb/>
          <p>Es wa&#x0364;re eine große Uebereilung von meinen<lb/>
Le&#x017F;ern, wenn &#x017F;ie glaubten, daß ich die&#x017F;e Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kung bloß aus einem misvergnu&#x0364;gten Andenken<lb/>
wagte, welches bey mir von einer u&#x0364;belgewa&#x0364;hlten,<lb/>
und unglu&#x0364;cklichen Ehe herkomme. Es i&#x017F;t vorbey,<lb/>
und ich habe meiner Frau alle Beleidigungen ver-<lb/>
geben, da &#x017F;ie &#x017F;o billig gewe&#x017F;en, und ge&#x017F;torben i&#x017F;t.<lb/>
Jch habe nicht no&#x0364;thig, mich weiter zu ent&#x017F;chuldi-<lb/>
gen. Der allgemeine Gebrauch un&#x017F;rer Sprache<lb/>
i&#x017F;t fu&#x0364;r mich die be&#x017F;te Ent&#x017F;chuldigung. Jch will<lb/>
nur noch ein paar Exempel anfu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vor Liebe &#x017F;terben:</hi> Von wem &#x017F;agt man<lb/>
das, als von jungen Per&#x017F;onen, die &#x017F;ich noch nicht<lb/>
verheirathet haben? <hi rendition="#fr">Ein verliebtes Paar:</hi> Sind<lb/>
das Mann und Frau? <hi rendition="#fr">Eine ewige Liebe zu-<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;ren:</hi> Thut man das nicht vor der Verbin-<lb/>
dung? <hi rendition="#fr">Die Liebe i&#x017F;t blind;</hi> gewiß nicht in der<lb/>
Ehe, denn alsdenn &#x017F;ieht eines des andern Fehler<lb/>
nur gar zu genau. <hi rendition="#fr">Er &#x017F;chmachtet vor Liebe.</hi><lb/>
Wer? der Mann? Ja wohl der Mann; aber<lb/>
vor Liebe zum Kammerma&#x0364;dchen. Das laß ich<lb/>
gelten! Und die gna&#x0364;dige Frau? die i&#x017F;t <hi rendition="#fr">ra&#x017F;end<lb/>
verliebt</hi> &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; in den Heyducken.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tau-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0122] Antons Panßa von Mancha ratheter Perſonen verſteht. Jn der That glaube ich auch, daß es wider die wahre Bedeutung des Wortes, und wider den Sprachgebrauch iſt, wenn man die Liebe auf dieſe Art verſtehen will. Fuͤr den Eheſtand gehoͤrt Pflicht, und fuͤr un- verheirathete Perſonen Liebe. Es waͤre eine große Uebereilung von meinen Leſern, wenn ſie glaubten, daß ich dieſe Einſchraͤn- kung bloß aus einem misvergnuͤgten Andenken wagte, welches bey mir von einer uͤbelgewaͤhlten, und ungluͤcklichen Ehe herkomme. Es iſt vorbey, und ich habe meiner Frau alle Beleidigungen ver- geben, da ſie ſo billig geweſen, und geſtorben iſt. Jch habe nicht noͤthig, mich weiter zu entſchuldi- gen. Der allgemeine Gebrauch unſrer Sprache iſt fuͤr mich die beſte Entſchuldigung. Jch will nur noch ein paar Exempel anfuͤhren. Vor Liebe ſterben: Von wem ſagt man das, als von jungen Perſonen, die ſich noch nicht verheirathet haben? Ein verliebtes Paar: Sind das Mann und Frau? Eine ewige Liebe zu- ſchwoͤren: Thut man das nicht vor der Verbin- dung? Die Liebe iſt blind; gewiß nicht in der Ehe, denn alsdenn ſieht eines des andern Fehler nur gar zu genau. Er ſchmachtet vor Liebe. Wer? der Mann? Ja wohl der Mann; aber vor Liebe zum Kammermaͤdchen. Das laß ich gelten! Und die gnaͤdige Frau? die iſt raſend verliebt ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ in den Heyducken. Tau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/122
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/122>, abgerufen am 19.04.2024.