Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Zueignungsschrift.
Vorzüge, welche Du, tugendbelobter Esel, vor
allen Eseln und vor vielen Mäcenaten hast!

Mit einem Worte: Der Fleiß ist des
Glücks Vater; das Glück dreht sich geschwinder
herum, als ein Mühlrad; wer immer hart schläft,
liegt auch auf Steinen weich; ehrlich währt am
längsten; hoch macht schwindlicht; wer aufs Gold
sieht, dem vergeht das Gesichte; was hilft das
Laufen, wenn man nicht auf dem Wege ist; süße
getrunken, wird oft sauer bezahlt; auch aus einem
kleinen Loche sieht man den Himmel; wer sich an
einen guten Baum lehnt, hat guten Schatten;
wer das Spiel nicht versteht, soll die Karten nicht
mengen; wer sich selbst zum Schafe macht, den
fressen zuletzt die Wölfe; wer die Augen bey sich
hat, stolpert nicht; der Teufel steht oft hinter dem
Kreuze; guter Weg um, ist keine Krümme; eine
goldne Decke macht den Esel nicht zum Pferde;
wer auf dem Eise tanzt, der strauchelt; wer zu
nahe an das Feuer tritt, versängt sich den Rock;
mancher trägt einen Sack, und heißt seinen Nach-
bar einen Esel - - - - - - Aber Gott
versteht mich!
sagte Vater Panßa.

Jch küsse Ew. Eseley den Huf.


Anton Panßa von Mancha.
Abhand-

Zueignungsſchrift.
Vorzuͤge, welche Du, tugendbelobter Eſel, vor
allen Eſeln und vor vielen Maͤcenaten haſt!

Mit einem Worte: Der Fleiß iſt des
Gluͤcks Vater; das Gluͤck dreht ſich geſchwinder
herum, als ein Muͤhlrad; wer immer hart ſchlaͤft,
liegt auch auf Steinen weich; ehrlich waͤhrt am
laͤngſten; hoch macht ſchwindlicht; wer aufs Gold
ſieht, dem vergeht das Geſichte; was hilft das
Laufen, wenn man nicht auf dem Wege iſt; ſuͤße
getrunken, wird oft ſauer bezahlt; auch aus einem
kleinen Loche ſieht man den Himmel; wer ſich an
einen guten Baum lehnt, hat guten Schatten;
wer das Spiel nicht verſteht, ſoll die Karten nicht
mengen; wer ſich ſelbſt zum Schafe macht, den
freſſen zuletzt die Woͤlfe; wer die Augen bey ſich
hat, ſtolpert nicht; der Teufel ſteht oft hinter dem
Kreuze; guter Weg um, iſt keine Kruͤmme; eine
goldne Decke macht den Eſel nicht zum Pferde;
wer auf dem Eiſe tanzt, der ſtrauchelt; wer zu
nahe an das Feuer tritt, verſaͤngt ſich den Rock;
mancher traͤgt einen Sack, und heißt ſeinen Nach-
bar einen Eſel ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Aber Gott
verſteht mich!
ſagte Vater Panßa.

Jch kuͤſſe Ew. Eſeley den Huf.


Anton Panßa von Mancha.
Abhand-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="dedication">
        <p><pb facs="#f0042" n="20"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zueignungs&#x017F;chrift.</hi></fw><lb/>
Vorzu&#x0364;ge, welche <hi rendition="#fr">Du, tugendbelobter E&#x017F;el,</hi> vor<lb/>
allen E&#x017F;eln und vor vielen Ma&#x0364;cenaten ha&#x017F;t!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Mit einem Worte:</hi> Der Fleiß i&#x017F;t des<lb/>
Glu&#x0364;cks Vater; das Glu&#x0364;ck dreht &#x017F;ich ge&#x017F;chwinder<lb/>
herum, als ein Mu&#x0364;hlrad; wer immer hart &#x017F;chla&#x0364;ft,<lb/>
liegt auch auf Steinen weich; ehrlich wa&#x0364;hrt am<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;ten; hoch macht &#x017F;chwindlicht; wer aufs Gold<lb/>
&#x017F;ieht, dem vergeht das Ge&#x017F;ichte; was hilft das<lb/>
Laufen, wenn man nicht auf dem Wege i&#x017F;t; &#x017F;u&#x0364;ße<lb/>
getrunken, wird oft &#x017F;auer bezahlt; auch aus einem<lb/>
kleinen Loche &#x017F;ieht man den Himmel; wer &#x017F;ich an<lb/>
einen guten Baum lehnt, hat guten Schatten;<lb/>
wer das Spiel nicht ver&#x017F;teht, &#x017F;oll die Karten nicht<lb/>
mengen; wer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zum Schafe macht, den<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;en zuletzt die Wo&#x0364;lfe; wer die Augen bey &#x017F;ich<lb/>
hat, &#x017F;tolpert nicht; der Teufel &#x017F;teht oft hinter dem<lb/>
Kreuze; guter Weg um, i&#x017F;t keine Kru&#x0364;mme; eine<lb/>
goldne Decke macht den E&#x017F;el nicht zum Pferde;<lb/>
wer auf dem Ei&#x017F;e tanzt, der &#x017F;trauchelt; wer zu<lb/>
nahe an das Feuer tritt, ver&#x017F;a&#x0364;ngt &#x017F;ich den Rock;<lb/>
mancher tra&#x0364;gt einen Sack, und heißt &#x017F;einen Nach-<lb/>
bar einen E&#x017F;el &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Aber Gott<lb/>
ver&#x017F;teht mich!</hi> &#x017F;agte Vater Panßa.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Jch ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Ew. E&#x017F;eley</hi> den Huf.</hi> </p><lb/>
        <dateline>J..<lb/>
in We&#x017F;tphalen.</dateline><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Anton Panßa von Mancha.</hi> </hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">Abhand-</fw><lb/>
    </front>
    <body>
</body>
  </text>
</TEI>
[20/0042] Zueignungsſchrift. Vorzuͤge, welche Du, tugendbelobter Eſel, vor allen Eſeln und vor vielen Maͤcenaten haſt! Mit einem Worte: Der Fleiß iſt des Gluͤcks Vater; das Gluͤck dreht ſich geſchwinder herum, als ein Muͤhlrad; wer immer hart ſchlaͤft, liegt auch auf Steinen weich; ehrlich waͤhrt am laͤngſten; hoch macht ſchwindlicht; wer aufs Gold ſieht, dem vergeht das Geſichte; was hilft das Laufen, wenn man nicht auf dem Wege iſt; ſuͤße getrunken, wird oft ſauer bezahlt; auch aus einem kleinen Loche ſieht man den Himmel; wer ſich an einen guten Baum lehnt, hat guten Schatten; wer das Spiel nicht verſteht, ſoll die Karten nicht mengen; wer ſich ſelbſt zum Schafe macht, den freſſen zuletzt die Woͤlfe; wer die Augen bey ſich hat, ſtolpert nicht; der Teufel ſteht oft hinter dem Kreuze; guter Weg um, iſt keine Kruͤmme; eine goldne Decke macht den Eſel nicht zum Pferde; wer auf dem Eiſe tanzt, der ſtrauchelt; wer zu nahe an das Feuer tritt, verſaͤngt ſich den Rock; mancher traͤgt einen Sack, und heißt ſeinen Nach- bar einen Eſel ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Aber Gott verſteht mich! ſagte Vater Panßa. Jch kuͤſſe Ew. Eſeley den Huf. J.. in Weſtphalen. Anton Panßa von Mancha. Abhand-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/42
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/42>, abgerufen am 19.04.2024.