Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Märchen vom ersten April.
die Geheimnisse, die er ihm ins Ohr sagt, dürfen
alle wissen, nur die Prinzessinn nicht. Gleich-
wohl macht diese gnädige Vertraulichkeit eine
große Bewegung am Hofe, und im Gehirne des
armen Grafen. Der Hof weis, daß der Prinz
den Grafen zu gut kennt, als daß er ihn hoch schäz-
zen, oder ihn seiner Vertraulichkeit würdigen
sollte. Man hält ihn für einen Mann, der zu
den kleinen Belustigungen des Hofs zu trocken,
und zu ernsthaften Verrichtungen zu albern sey;
in der That hat der Prinz auch bisher niemals
mit ihm geredet, als wenn er nach der Uhr, oder
nach dem Wetter fragte. Und gleichwohl redet
er itzo mit ihm allein, und redet ihm ins Ohr, und
klopft ihn auf die Achsel. Nunmehr ändert auch
der Hof seine Begriffe, die er sich von dem Gra-
fen machte. Kaum hat ihn der Prinz verlassen,
so drängt sich die ganze Antichambre zu ihm. Die
Großen reden vertraut mit ihm, und bitten, daß
er morgen mit ihnen speisen möge; die Hofleute
von der mittlern Classe lächeln zu allem, was er
spricht, finden seine Scherze sehr fein, und zucken
die Achseln geheimnißvoll, wenn er seiner Natur
die Gewalt anthut, ernsthaft und vernünftig zu
reden; die Kleinen weichen ihm ehrerbietig aus
dem Wege, damit er desto vornehmer auf und
abgehen, und sie desto mehr bemerken könne. Der
gute Graf taumelt von diesem ungewohnten Glük-
ke. Er kann es noch nicht begreifen, daß er es
ist, dem man alle diese Freundschaft und Hoch-
achtung bezeugt. Endlich läßt er sichs gefallen,

und

Das Maͤrchen vom erſten April.
die Geheimniſſe, die er ihm ins Ohr ſagt, duͤrfen
alle wiſſen, nur die Prinzeſſinn nicht. Gleich-
wohl macht dieſe gnaͤdige Vertraulichkeit eine
große Bewegung am Hofe, und im Gehirne des
armen Grafen. Der Hof weis, daß der Prinz
den Grafen zu gut kennt, als daß er ihn hoch ſchaͤz-
zen, oder ihn ſeiner Vertraulichkeit wuͤrdigen
ſollte. Man haͤlt ihn fuͤr einen Mann, der zu
den kleinen Beluſtigungen des Hofs zu trocken,
und zu ernſthaften Verrichtungen zu albern ſey;
in der That hat der Prinz auch bisher niemals
mit ihm geredet, als wenn er nach der Uhr, oder
nach dem Wetter fragte. Und gleichwohl redet
er itzo mit ihm allein, und redet ihm ins Ohr, und
klopft ihn auf die Achſel. Nunmehr aͤndert auch
der Hof ſeine Begriffe, die er ſich von dem Gra-
fen machte. Kaum hat ihn der Prinz verlaſſen,
ſo draͤngt ſich die ganze Antichambre zu ihm. Die
Großen reden vertraut mit ihm, und bitten, daß
er morgen mit ihnen ſpeiſen moͤge; die Hofleute
von der mittlern Claſſe laͤcheln zu allem, was er
ſpricht, finden ſeine Scherze ſehr fein, und zucken
die Achſeln geheimnißvoll, wenn er ſeiner Natur
die Gewalt anthut, ernſthaft und vernuͤnftig zu
reden; die Kleinen weichen ihm ehrerbietig aus
dem Wege, damit er deſto vornehmer auf und
abgehen, und ſie deſto mehr bemerken koͤnne. Der
gute Graf taumelt von dieſem ungewohnten Gluͤk-
ke. Er kann es noch nicht begreifen, daß er es
iſt, dem man alle dieſe Freundſchaft und Hoch-
achtung bezeugt. Endlich laͤßt er ſichs gefallen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0524" n="502[500]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Ma&#x0364;rchen vom er&#x017F;ten April.</hi></fw><lb/>
die Geheimni&#x017F;&#x017F;e, die er ihm ins Ohr &#x017F;agt, du&#x0364;rfen<lb/>
alle wi&#x017F;&#x017F;en, nur die Prinze&#x017F;&#x017F;inn nicht. Gleich-<lb/>
wohl macht die&#x017F;e gna&#x0364;dige Vertraulichkeit eine<lb/>
große Bewegung am Hofe, und im Gehirne des<lb/>
armen Grafen. Der Hof weis, daß der Prinz<lb/>
den Grafen zu gut kennt, als daß er ihn hoch &#x017F;cha&#x0364;z-<lb/>
zen, oder ihn &#x017F;einer Vertraulichkeit wu&#x0364;rdigen<lb/>
&#x017F;ollte. Man ha&#x0364;lt ihn fu&#x0364;r einen Mann, der zu<lb/>
den kleinen Belu&#x017F;tigungen des Hofs zu trocken,<lb/>
und zu ern&#x017F;thaften Verrichtungen zu albern &#x017F;ey;<lb/>
in der That hat der Prinz auch bisher niemals<lb/>
mit ihm geredet, als wenn er nach der Uhr, oder<lb/>
nach dem Wetter fragte. Und gleichwohl redet<lb/>
er itzo mit ihm allein, und redet ihm ins Ohr, und<lb/>
klopft ihn auf die Ach&#x017F;el. Nunmehr a&#x0364;ndert auch<lb/>
der Hof &#x017F;eine Begriffe, die er &#x017F;ich von dem Gra-<lb/>
fen machte. Kaum hat ihn der Prinz verla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;o dra&#x0364;ngt &#x017F;ich die ganze Antichambre zu ihm. Die<lb/>
Großen reden vertraut mit ihm, und bitten, daß<lb/>
er morgen mit ihnen &#x017F;pei&#x017F;en mo&#x0364;ge; die Hofleute<lb/>
von der mittlern Cla&#x017F;&#x017F;e la&#x0364;cheln zu allem, was er<lb/>
&#x017F;pricht, finden &#x017F;eine Scherze &#x017F;ehr fein, und zucken<lb/>
die Ach&#x017F;eln geheimnißvoll, wenn er &#x017F;einer Natur<lb/>
die Gewalt anthut, ern&#x017F;thaft und vernu&#x0364;nftig zu<lb/>
reden; die Kleinen weichen ihm ehrerbietig aus<lb/>
dem Wege, damit er de&#x017F;to vornehmer auf und<lb/>
abgehen, und &#x017F;ie de&#x017F;to mehr bemerken ko&#x0364;nne. Der<lb/>
gute Graf taumelt von die&#x017F;em ungewohnten Glu&#x0364;k-<lb/>
ke. Er kann es noch nicht begreifen, daß er es<lb/>
i&#x017F;t, dem man alle die&#x017F;e Freund&#x017F;chaft und Hoch-<lb/>
achtung bezeugt. Endlich la&#x0364;ßt er &#x017F;ichs gefallen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502[500]/0524] Das Maͤrchen vom erſten April. die Geheimniſſe, die er ihm ins Ohr ſagt, duͤrfen alle wiſſen, nur die Prinzeſſinn nicht. Gleich- wohl macht dieſe gnaͤdige Vertraulichkeit eine große Bewegung am Hofe, und im Gehirne des armen Grafen. Der Hof weis, daß der Prinz den Grafen zu gut kennt, als daß er ihn hoch ſchaͤz- zen, oder ihn ſeiner Vertraulichkeit wuͤrdigen ſollte. Man haͤlt ihn fuͤr einen Mann, der zu den kleinen Beluſtigungen des Hofs zu trocken, und zu ernſthaften Verrichtungen zu albern ſey; in der That hat der Prinz auch bisher niemals mit ihm geredet, als wenn er nach der Uhr, oder nach dem Wetter fragte. Und gleichwohl redet er itzo mit ihm allein, und redet ihm ins Ohr, und klopft ihn auf die Achſel. Nunmehr aͤndert auch der Hof ſeine Begriffe, die er ſich von dem Gra- fen machte. Kaum hat ihn der Prinz verlaſſen, ſo draͤngt ſich die ganze Antichambre zu ihm. Die Großen reden vertraut mit ihm, und bitten, daß er morgen mit ihnen ſpeiſen moͤge; die Hofleute von der mittlern Claſſe laͤcheln zu allem, was er ſpricht, finden ſeine Scherze ſehr fein, und zucken die Achſeln geheimnißvoll, wenn er ſeiner Natur die Gewalt anthut, ernſthaft und vernuͤnftig zu reden; die Kleinen weichen ihm ehrerbietig aus dem Wege, damit er deſto vornehmer auf und abgehen, und ſie deſto mehr bemerken koͤnne. Der gute Graf taumelt von dieſem ungewohnten Gluͤk- ke. Er kann es noch nicht begreifen, daß er es iſt, dem man alle dieſe Freundſchaft und Hoch- achtung bezeugt. Endlich laͤßt er ſichs gefallen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/524
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 502[500]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/524>, abgerufen am 19.04.2024.