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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Drittes Buch.

Nach dem Urtheile der meisten Leser ist
eine Satire ohne Schlüssel ein sehr un-
nützes und unangenehmes Werk. Die-
ses Urtheil würde ungerecht seyn, wenn
man Satiren schriebe, um der Welt eine Ver-
achtung, oder einen Abscheu vor den Thorheiten
beyzubringen, und wenn man Satiren läse, um
sich zu bessern. Da wir aber aus der Erfah-
rung wissen, daß nur wenige in dieser Absicht Sa-
tiren schreiben, und fast niemand in der Absicht
sie liest: So sehe ich nicht, warum ich ein solches
Urtheil verdammen soll. Meine Wahrsagungen
werden um deßwillen gefallen, da ich die Origi-
nale meinen Lesern schon einigermaßen durch die
Anmerkungen kenntlich gemacht habe, und da ich sie
in gegenwärtigem Schlüssel der ganzen Welt bloß
stellen will. Wie sehr wird diese Schrift gelesen wer-
den, da ich keinen Menschen schone, und da die ehr-

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Drittes Buch.

Nach dem Urtheile der meiſten Leſer iſt
eine Satire ohne Schluͤſſel ein ſehr un-
nuͤtzes und unangenehmes Werk. Die-
ſes Urtheil wuͤrde ungerecht ſeyn, wenn
man Satiren ſchriebe, um der Welt eine Ver-
achtung, oder einen Abſcheu vor den Thorheiten
beyzubringen, und wenn man Satiren laͤſe, um
ſich zu beſſern. Da wir aber aus der Erfah-
rung wiſſen, daß nur wenige in dieſer Abſicht Sa-
tiren ſchreiben, und faſt niemand in der Abſicht
ſie lieſt: So ſehe ich nicht, warum ich ein ſolches
Urtheil verdammen ſoll. Meine Wahrſagungen
werden um deßwillen gefallen, da ich die Origi-
nale meinen Leſern ſchon einigermaßen durch die
Anmerkungen kenntlich gemacht habe, und da ich ſie
in gegenwaͤrtigem Schluͤſſel der ganzen Welt bloß
ſtellen will. Wie ſehr wird dieſe Schrift geleſen wer-
den, da ich keinen Menſchen ſchone, und da die ehr-

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[553[551]/0575] Drittes Buch. Nach dem Urtheile der meiſten Leſer iſt eine Satire ohne Schluͤſſel ein ſehr un- nuͤtzes und unangenehmes Werk. Die- ſes Urtheil wuͤrde ungerecht ſeyn, wenn man Satiren ſchriebe, um der Welt eine Ver- achtung, oder einen Abſcheu vor den Thorheiten beyzubringen, und wenn man Satiren laͤſe, um ſich zu beſſern. Da wir aber aus der Erfah- rung wiſſen, daß nur wenige in dieſer Abſicht Sa- tiren ſchreiben, und faſt niemand in der Abſicht ſie lieſt: So ſehe ich nicht, warum ich ein ſolches Urtheil verdammen ſoll. Meine Wahrſagungen werden um deßwillen gefallen, da ich die Origi- nale meinen Leſern ſchon einigermaßen durch die Anmerkungen kenntlich gemacht habe, und da ich ſie in gegenwaͤrtigem Schluͤſſel der ganzen Welt bloß ſtellen will. Wie ſehr wird dieſe Schrift geleſen wer- den, da ich keinen Menſchen ſchone, und da die ehr- wuͤr- M m 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 553[551]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/575>, abgerufen am 29.03.2024.