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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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darauf, in diesem Genusse gerade mit einander zusammenzutreffen.

Ihre Verhältnisse und ihr Geschmack sind sich einander nicht gleich. Der Herr, der dem Bedienten mit dem wonnevollen Bestreben, ihn zu erfreuen, ein Trinkgelag nach dessen Geschmack bereitet, für sein Auskommen durch eine einträgliche Bedienung sorgt, u. s. w. versetzt sich gewiß nicht dergestalt an dessen Stelle, daß er den Zustand seines Bedienten zu dem seinigen machen, folglich sich so beglückt sehen möchte, wie sein Bedienter beglückt ist. Umgekehrt, wird der Bediente, der mit dem wonnevollen Bestreben, den Herrn zu erfreuen, dessen Vermögen, dessen Ansehn, dessen Bequemlichkeit durch treue Aufwartung vermehrt, nicht daran denken, daß er die Folgen seiner Wohlthätigkeit mit ihm theilen möchte, daß der Herr gerade so glücklich seyn solle, als er für seine Person es zu seyn wünscht.

Eben dieß wird nun der Fall bey unzähligen Verbindungen seyn, die zwischen Personen von ungleichen Naturen und Verhältnissen Statt finden; zwischen Erziehern und Zöglingen, zwischen Fürsten und Unterthanen, ja, sogar zwischen Gatten, die in solchen Staaten leben, worin dem Manne eine große Präeminenz durch die Sitten eingeräumt wird, und die Ehe sich in Patronat und Clientel auflöset. Hier können einzelne Aufwallungen einer solchen Liebe entstehen, wobey der eine Verbündete mit dem andern wirklich in einem Genusse zusammentreffe, eine und dieselbe Begünstigung ihrer wechselseitigen Naturen zu theilen sucht; aber diese Aufwallungen sind nicht häufig genug, um der Verbindung im Ganzen den Charakter der Vereinigung der Naturen zu geben.

darauf, in diesem Genusse gerade mit einander zusammenzutreffen.

Ihre Verhältnisse und ihr Geschmack sind sich einander nicht gleich. Der Herr, der dem Bedienten mit dem wonnevollen Bestreben, ihn zu erfreuen, ein Trinkgelag nach dessen Geschmack bereitet, für sein Auskommen durch eine einträgliche Bedienung sorgt, u. s. w. versetzt sich gewiß nicht dergestalt an dessen Stelle, daß er den Zustand seines Bedienten zu dem seinigen machen, folglich sich so beglückt sehen möchte, wie sein Bedienter beglückt ist. Umgekehrt, wird der Bediente, der mit dem wonnevollen Bestreben, den Herrn zu erfreuen, dessen Vermögen, dessen Ansehn, dessen Bequemlichkeit durch treue Aufwartung vermehrt, nicht daran denken, daß er die Folgen seiner Wohlthätigkeit mit ihm theilen möchte, daß der Herr gerade so glücklich seyn solle, als er für seine Person es zu seyn wünscht.

Eben dieß wird nun der Fall bey unzähligen Verbindungen seyn, die zwischen Personen von ungleichen Naturen und Verhältnissen Statt finden; zwischen Erziehern und Zöglingen, zwischen Fürsten und Unterthanen, ja, sogar zwischen Gatten, die in solchen Staaten leben, worin dem Manne eine große Präeminenz durch die Sitten eingeräumt wird, und die Ehe sich in Patronat und Clientel auflöset. Hier können einzelne Aufwallungen einer solchen Liebe entstehen, wobey der eine Verbündete mit dem andern wirklich in einem Genusse zusammentreffe, eine und dieselbe Begünstigung ihrer wechselseitigen Naturen zu theilen sucht; aber diese Aufwallungen sind nicht häufig genug, um der Verbindung im Ganzen den Charakter der Vereinigung der Naturen zu geben.

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[101/0101] darauf, in diesem Genusse gerade mit einander zusammenzutreffen. Ihre Verhältnisse und ihr Geschmack sind sich einander nicht gleich. Der Herr, der dem Bedienten mit dem wonnevollen Bestreben, ihn zu erfreuen, ein Trinkgelag nach dessen Geschmack bereitet, für sein Auskommen durch eine einträgliche Bedienung sorgt, u. s. w. versetzt sich gewiß nicht dergestalt an dessen Stelle, daß er den Zustand seines Bedienten zu dem seinigen machen, folglich sich so beglückt sehen möchte, wie sein Bedienter beglückt ist. Umgekehrt, wird der Bediente, der mit dem wonnevollen Bestreben, den Herrn zu erfreuen, dessen Vermögen, dessen Ansehn, dessen Bequemlichkeit durch treue Aufwartung vermehrt, nicht daran denken, daß er die Folgen seiner Wohlthätigkeit mit ihm theilen möchte, daß der Herr gerade so glücklich seyn solle, als er für seine Person es zu seyn wünscht. Eben dieß wird nun der Fall bey unzähligen Verbindungen seyn, die zwischen Personen von ungleichen Naturen und Verhältnissen Statt finden; zwischen Erziehern und Zöglingen, zwischen Fürsten und Unterthanen, ja, sogar zwischen Gatten, die in solchen Staaten leben, worin dem Manne eine große Präeminenz durch die Sitten eingeräumt wird, und die Ehe sich in Patronat und Clientel auflöset. Hier können einzelne Aufwallungen einer solchen Liebe entstehen, wobey der eine Verbündete mit dem andern wirklich in einem Genusse zusammentreffe, eine und dieselbe Begünstigung ihrer wechselseitigen Naturen zu theilen sucht; aber diese Aufwallungen sind nicht häufig genug, um der Verbindung im Ganzen den Charakter der Vereinigung der Naturen zu geben.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/101>, abgerufen am 29.03.2024.