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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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seines unversehrten Bestehens für sich, zu verlieren. Ich fühle, daß dieser Körper dem meinigen anliegt, nicht aber dergestalt an ihn angeschlossen ist, daß nicht die Trennung mit jedem Augenblicke möglich wäre, und daß wir dann Beyde wieder in unsere vorige Lage zurücktreten würden. Ja! ich muß sogar während der Berührung das Gefühl eines Widerstandes behalten, den ein nicht durchdrungener Körper leistet, wenn anders das Gefühl wollüstig bleiben soll. Schlaffheit, Gefühl des Versinkens in den betasteten Körper ist widerlich; zerstörendes Angreifen zerstört zugleich mein Vergnügen.

Und o sonderbar! Gerade die Eigenthümlichkeit, die ich an dem Körper außer mir während der Berührung wahrnehme, die geht in die Reitzung über, welche er in mir erweckt. Die Wirkung, welche ich auf ihn hervorzubringen suche, die wirkt er auf mich zurück. Er steckt mich an mit seinen Eigenheiten; er zieht mich in die Lage hinüber, worein ich ihn versetze! Seine Sanftheit reitzt mich sanft; seine Elasticität macht mich elastisch; seine Härte giebt mir eine harte Empfindung; schonende, allmählige Behandlung bringt eine allmählige Reitzung meiner Nerven hervor; ein anprallender Schlag prallt auf mich zurück.

Wie viel auffallender ist dieß noch bey der Berührung solcher Körper, die eines Dunstkreises fähig sind, und ihre Temperatur so leicht in uns ausströmen lassen. Ihre Wärme, ihre Kälte geht in uns über, und wir theilen ihnen unsere Wärme oder Kälte mit. Wie am allerauffallendsten ist dieß bey animalischen Körpern! Daß ich die weiche, sammetne Hand meiner Freundin ergreife! daß ich sie an mich ziehe,

seines unversehrten Bestehens für sich, zu verlieren. Ich fühle, daß dieser Körper dem meinigen anliegt, nicht aber dergestalt an ihn angeschlossen ist, daß nicht die Trennung mit jedem Augenblicke möglich wäre, und daß wir dann Beyde wieder in unsere vorige Lage zurücktreten würden. Ja! ich muß sogar während der Berührung das Gefühl eines Widerstandes behalten, den ein nicht durchdrungener Körper leistet, wenn anders das Gefühl wollüstig bleiben soll. Schlaffheit, Gefühl des Versinkens in den betasteten Körper ist widerlich; zerstörendes Angreifen zerstört zugleich mein Vergnügen.

Und o sonderbar! Gerade die Eigenthümlichkeit, die ich an dem Körper außer mir während der Berührung wahrnehme, die geht in die Reitzung über, welche er in mir erweckt. Die Wirkung, welche ich auf ihn hervorzubringen suche, die wirkt er auf mich zurück. Er steckt mich an mit seinen Eigenheiten; er zieht mich in die Lage hinüber, worein ich ihn versetze! Seine Sanftheit reitzt mich sanft; seine Elasticität macht mich elastisch; seine Härte giebt mir eine harte Empfindung; schonende, allmählige Behandlung bringt eine allmählige Reitzung meiner Nerven hervor; ein anprallender Schlag prallt auf mich zurück.

Wie viel auffallender ist dieß noch bey der Berührung solcher Körper, die eines Dunstkreises fähig sind, und ihre Temperatur so leicht in uns ausströmen lassen. Ihre Wärme, ihre Kälte geht in uns über, und wir theilen ihnen unsere Wärme oder Kälte mit. Wie am allerauffallendsten ist dieß bey animalischen Körpern! Daß ich die weiche, sammetne Hand meiner Freundin ergreife! daß ich sie an mich ziehe,

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seines unversehrten Bestehens für sich, zu verlieren. Ich fühle, daß dieser Körper dem meinigen anliegt, nicht aber dergestalt an ihn angeschlossen ist, daß nicht die Trennung mit jedem Augenblicke möglich wäre, und daß wir dann Beyde wieder in unsere vorige Lage zurücktreten würden. Ja! ich muß sogar während der Berührung das Gefühl eines Widerstandes behalten, den ein nicht durchdrungener Körper leistet, wenn anders das Gefühl wollüstig bleiben soll. Schlaffheit, Gefühl des Versinkens in den betasteten Körper ist widerlich; zerstörendes Angreifen zerstört zugleich mein Vergnügen.</p>
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[30/0030] seines unversehrten Bestehens für sich, zu verlieren. Ich fühle, daß dieser Körper dem meinigen anliegt, nicht aber dergestalt an ihn angeschlossen ist, daß nicht die Trennung mit jedem Augenblicke möglich wäre, und daß wir dann Beyde wieder in unsere vorige Lage zurücktreten würden. Ja! ich muß sogar während der Berührung das Gefühl eines Widerstandes behalten, den ein nicht durchdrungener Körper leistet, wenn anders das Gefühl wollüstig bleiben soll. Schlaffheit, Gefühl des Versinkens in den betasteten Körper ist widerlich; zerstörendes Angreifen zerstört zugleich mein Vergnügen. Und o sonderbar! Gerade die Eigenthümlichkeit, die ich an dem Körper außer mir während der Berührung wahrnehme, die geht in die Reitzung über, welche er in mir erweckt. Die Wirkung, welche ich auf ihn hervorzubringen suche, die wirkt er auf mich zurück. Er steckt mich an mit seinen Eigenheiten; er zieht mich in die Lage hinüber, worein ich ihn versetze! Seine Sanftheit reitzt mich sanft; seine Elasticität macht mich elastisch; seine Härte giebt mir eine harte Empfindung; schonende, allmählige Behandlung bringt eine allmählige Reitzung meiner Nerven hervor; ein anprallender Schlag prallt auf mich zurück. Wie viel auffallender ist dieß noch bey der Berührung solcher Körper, die eines Dunstkreises fähig sind, und ihre Temperatur so leicht in uns ausströmen lassen. Ihre Wärme, ihre Kälte geht in uns über, und wir theilen ihnen unsere Wärme oder Kälte mit. Wie am allerauffallendsten ist dieß bey animalischen Körpern! Daß ich die weiche, sammetne Hand meiner Freundin ergreife! daß ich sie an mich ziehe,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/30>, abgerufen am 19.04.2024.