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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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lebhafter Bilder nicht vorhanden seyn mag. Wenn wir Begriffe mühsam zusammensetzen sollen, und erst durch Vergleichungsschlüsse und Urtheile der Vernunft das Außerordentliche, Schöne, Vollkommene auffinden müssen; so wird die Wonne der Beschauung nicht erwachen. Das reitzende Bild muß eben so leicht als auffallend in unserer Seele entstehen, und instinktartig erkannt werden. Wo dieß nicht der Fall ist, da wird zwar wohl eine lebhafte Zufriedenheit über die gelungene Untersuchung, oder über die Vermehrung unserer Kenntnisse, nicht aber unmittelbare Wonne an der Beschauung erweckt werden.

Man denke sich diejenige Wonne, mit der uns das Bild der Gottheit in den auffallendsten Naturkräften rührt, und vergleiche diese mit der Zufriedenheit, die wir nach Beendigung einer metaphysischen Speculation empfinden. Man vergleiche den Eindruck, den die Darstellung der Geschichte des Regulus, als das auffallendste Bild der Aufopferung für Pflicht und Gesetzmäßigkeit, auf uns macht, mit der Beruhigung, die wir der Festsetzung des obersten Grundsatzes der Moral verdanken; - Gewiß! die mühsamen Untersuchungen, die einzelnen zusammengesetzten Begriffe, die uns keine lebhafte Anschauungen darbieten, sind nicht im Stande, uns zur Beschauungswonne zu reitzen. Sie erwecken freylich Lust, und bereiten uns Zufriedenheit, wohl gar Wonne; aber es ist eine Lust, die wir der Ueberlegung der wichtigen Folgen unsers Geschäfts verdanken; es ist die Zufriedenheit nach der Stillung eines Bedürfnisses der Erkenntniß; es ist die Wonne über die Stärke unserer Geisteskräfte, die so viel Schwierigkeiten überwunden,

lebhafter Bilder nicht vorhanden seyn mag. Wenn wir Begriffe mühsam zusammensetzen sollen, und erst durch Vergleichungsschlüsse und Urtheile der Vernunft das Außerordentliche, Schöne, Vollkommene auffinden müssen; so wird die Wonne der Beschauung nicht erwachen. Das reitzende Bild muß eben so leicht als auffallend in unserer Seele entstehen, und instinktartig erkannt werden. Wo dieß nicht der Fall ist, da wird zwar wohl eine lebhafte Zufriedenheit über die gelungene Untersuchung, oder über die Vermehrung unserer Kenntnisse, nicht aber unmittelbare Wonne an der Beschauung erweckt werden.

Man denke sich diejenige Wonne, mit der uns das Bild der Gottheit in den auffallendsten Naturkräften rührt, und vergleiche diese mit der Zufriedenheit, die wir nach Beendigung einer metaphysischen Speculation empfinden. Man vergleiche den Eindruck, den die Darstellung der Geschichte des Regulus, als das auffallendste Bild der Aufopferung für Pflicht und Gesetzmäßigkeit, auf uns macht, mit der Beruhigung, die wir der Festsetzung des obersten Grundsatzes der Moral verdanken; – Gewiß! die mühsamen Untersuchungen, die einzelnen zusammengesetzten Begriffe, die uns keine lebhafte Anschauungen darbieten, sind nicht im Stande, uns zur Beschauungswonne zu reitzen. Sie erwecken freylich Lust, und bereiten uns Zufriedenheit, wohl gar Wonne; aber es ist eine Lust, die wir der Ueberlegung der wichtigen Folgen unsers Geschäfts verdanken; es ist die Zufriedenheit nach der Stillung eines Bedürfnisses der Erkenntniß; es ist die Wonne über die Stärke unserer Geisteskräfte, die so viel Schwierigkeiten überwunden,

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[35/0035] lebhafter Bilder nicht vorhanden seyn mag. Wenn wir Begriffe mühsam zusammensetzen sollen, und erst durch Vergleichungsschlüsse und Urtheile der Vernunft das Außerordentliche, Schöne, Vollkommene auffinden müssen; so wird die Wonne der Beschauung nicht erwachen. Das reitzende Bild muß eben so leicht als auffallend in unserer Seele entstehen, und instinktartig erkannt werden. Wo dieß nicht der Fall ist, da wird zwar wohl eine lebhafte Zufriedenheit über die gelungene Untersuchung, oder über die Vermehrung unserer Kenntnisse, nicht aber unmittelbare Wonne an der Beschauung erweckt werden. Man denke sich diejenige Wonne, mit der uns das Bild der Gottheit in den auffallendsten Naturkräften rührt, und vergleiche diese mit der Zufriedenheit, die wir nach Beendigung einer metaphysischen Speculation empfinden. Man vergleiche den Eindruck, den die Darstellung der Geschichte des Regulus, als das auffallendste Bild der Aufopferung für Pflicht und Gesetzmäßigkeit, auf uns macht, mit der Beruhigung, die wir der Festsetzung des obersten Grundsatzes der Moral verdanken; – Gewiß! die mühsamen Untersuchungen, die einzelnen zusammengesetzten Begriffe, die uns keine lebhafte Anschauungen darbieten, sind nicht im Stande, uns zur Beschauungswonne zu reitzen. Sie erwecken freylich Lust, und bereiten uns Zufriedenheit, wohl gar Wonne; aber es ist eine Lust, die wir der Ueberlegung der wichtigen Folgen unsers Geschäfts verdanken; es ist die Zufriedenheit nach der Stillung eines Bedürfnisses der Erkenntniß; es ist die Wonne über die Stärke unserer Geisteskräfte, die so viel Schwierigkeiten überwunden,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/35>, abgerufen am 19.04.2024.