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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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theils durch sich selbst, theils als Symbol einer schönen Seele. Aber allgemeiner und auffallender ist derjenige, den die Schönheit in Bewegung mit sich führt. Der Anstand beym Einhergehen, das Spiel des Auges und aller Gesichtsmuskeln, die Bewegung der Glieder, können anmuthig durch sich selbst, und noch mehr durch den Ausdruck des Geistes werden, der sie leitet. Unsere Nerven und Muskeln theilen so gern das freye Spiel dieser Mienen und Geberden, so wie sie sich gern der leckenden Flamme, dem flatternden Segel, den schwankenden Baumästen nachbewegen. Aber wir schließen auch gern aus diesen Aeußerungen eines lebendigen und vernünftigen Wesens auf jede glückliche Anlage des Herzens, über die der Sinn des Edeln und Schönen wacht, und mit denen wir völlig sympathisieren. Diese Anmuth, dieser reitzende Ausdruck, gereichen dem Menschen, den wir zum ersten Mahle sehen, zur Empfehlung, und entschädigen oft für den Mangel an Schönheit. Selbst nach der längsten Bekanntschaft bleiben sie ein gefälliges Bild des Charakters, den wir lieben und verehren!

Alles dieß kann nun selbst der Liebende in ruhigen Momenten von dem Körperlichen der Geliebten mittelst der Contemplation hinnehmen. Mit welcher Wonne faßt er oft ihre Wohlgestalt auf! Wie gern gleitet sein Blick mit ihren Bewegungen fort! Wie süß ist es, sich zu sagen: in diesem Blicke liegt ihre Sanftmuth, in diesem Lächeln ihre himmlische Heiterkeit und Milde! In jedem ihrer Tritte und Züge, in jeder Geberde liegt das unaussprechliche Sie, das nicht uns allein wohlgefällig ist, das es jedem seyn muß der sie sieht. Und von diesem uneigennützigen Gefühle ist Begierde nach körperlicher Vereinigung, ist Stolz des Besitzes noch verschieden.

theils durch sich selbst, theils als Symbol einer schönen Seele. Aber allgemeiner und auffallender ist derjenige, den die Schönheit in Bewegung mit sich führt. Der Anstand beym Einhergehen, das Spiel des Auges und aller Gesichtsmuskeln, die Bewegung der Glieder, können anmuthig durch sich selbst, und noch mehr durch den Ausdruck des Geistes werden, der sie leitet. Unsere Nerven und Muskeln theilen so gern das freye Spiel dieser Mienen und Geberden, so wie sie sich gern der leckenden Flamme, dem flatternden Segel, den schwankenden Baumästen nachbewegen. Aber wir schließen auch gern aus diesen Aeußerungen eines lebendigen und vernünftigen Wesens auf jede glückliche Anlage des Herzens, über die der Sinn des Edeln und Schönen wacht, und mit denen wir völlig sympathisieren. Diese Anmuth, dieser reitzende Ausdruck, gereichen dem Menschen, den wir zum ersten Mahle sehen, zur Empfehlung, und entschädigen oft für den Mangel an Schönheit. Selbst nach der längsten Bekanntschaft bleiben sie ein gefälliges Bild des Charakters, den wir lieben und verehren!

Alles dieß kann nun selbst der Liebende in ruhigen Momenten von dem Körperlichen der Geliebten mittelst der Contemplation hinnehmen. Mit welcher Wonne faßt er oft ihre Wohlgestalt auf! Wie gern gleitet sein Blick mit ihren Bewegungen fort! Wie süß ist es, sich zu sagen: in diesem Blicke liegt ihre Sanftmuth, in diesem Lächeln ihre himmlische Heiterkeit und Milde! In jedem ihrer Tritte und Züge, in jeder Geberde liegt das unaussprechliche Sie, das nicht uns allein wohlgefällig ist, das es jedem seyn muß der sie sieht. Und von diesem uneigennützigen Gefühle ist Begierde nach körperlicher Vereinigung, ist Stolz des Besitzes noch verschieden.

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[298/0298] theils durch sich selbst, theils als Symbol einer schönen Seele. Aber allgemeiner und auffallender ist derjenige, den die Schönheit in Bewegung mit sich führt. Der Anstand beym Einhergehen, das Spiel des Auges und aller Gesichtsmuskeln, die Bewegung der Glieder, können anmuthig durch sich selbst, und noch mehr durch den Ausdruck des Geistes werden, der sie leitet. Unsere Nerven und Muskeln theilen so gern das freye Spiel dieser Mienen und Geberden, so wie sie sich gern der leckenden Flamme, dem flatternden Segel, den schwankenden Baumästen nachbewegen. Aber wir schließen auch gern aus diesen Aeußerungen eines lebendigen und vernünftigen Wesens auf jede glückliche Anlage des Herzens, über die der Sinn des Edeln und Schönen wacht, und mit denen wir völlig sympathisieren. Diese Anmuth, dieser reitzende Ausdruck, gereichen dem Menschen, den wir zum ersten Mahle sehen, zur Empfehlung, und entschädigen oft für den Mangel an Schönheit. Selbst nach der längsten Bekanntschaft bleiben sie ein gefälliges Bild des Charakters, den wir lieben und verehren! Alles dieß kann nun selbst der Liebende in ruhigen Momenten von dem Körperlichen der Geliebten mittelst der Contemplation hinnehmen. Mit welcher Wonne faßt er oft ihre Wohlgestalt auf! Wie gern gleitet sein Blick mit ihren Bewegungen fort! Wie süß ist es, sich zu sagen: in diesem Blicke liegt ihre Sanftmuth, in diesem Lächeln ihre himmlische Heiterkeit und Milde! In jedem ihrer Tritte und Züge, in jeder Geberde liegt das unaussprechliche Sie, das nicht uns allein wohlgefällig ist, das es jedem seyn muß der sie sieht. Und von diesem uneigennützigen Gefühle ist Begierde nach körperlicher Vereinigung, ist Stolz des Besitzes noch verschieden.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/298>, abgerufen am 19.03.2024.