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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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sprechendes Symbol der Sympathie der Herzen! Dieß fühlen Liebende bey ihrem Tanze. Aber unabhängig von dem Genuß des Herzens kann der edlere Ausdruck in Stellung und Geberden, und der wallende Reitz der Formen jedem kälteren Zuschauer und den Liebenden selbst, Wonne der Beschauung gewähren.

Der Triumf der Musik ist der glückliche Ausdruck der Liebe. Keine andere Kunst ist so nahe verwandt mit ihr als diese! Das Vergnügen welches der Spieler oder Sänger genießt, theilt sich unmittelbar denen mit, die seine Töne anhören, und reißt sie zu der nehmlichen Rührung hin, die ihn selbst beseelt. Keine Kunst ist daher mittheilender, keine liefert ein so auffallendes Symbol der Wesenverwebung! Nie sind wir empfänglicher für Liebe, nie fühlen wir ihre Freuden und ihre Schmerzen stärker, als beym Anhören der Musik! Und wenn nun gar eine liebende Seele diese Töne hervorruft, sie mit ihrem Ausdrucke belebt; wenn sie an den geliebten Zuhörer gerichtet werden, und dieser wohl gar mit harmonierenden Tönen, und gleichem Ausdrucke einstimmt! - O! ich behaupte es dreist, eine zärtliche Arie läßt sich vor kalten Zeugen von Liebenden nicht singen, ohne den Anstand zu beleidigen oder die Musik zu verderben. Ein Duo ist die Erfindung der Liebe, ein Vorbild der Art, wie himmlische Geister sich ihre Empfindungen mittheilen!

Poesie! Alles was Liebende sich sagen, trägt für kalte Herzen schon deinen Hauptcharakter, Begeisterung, an sich! Alle Liebenden sind mehr oder weniger Dichter! Schon bey rohen Völkern finden wir Lieder der Liebe, welche das Herz ins Interesse ziehen, und oft selbst den Sinn des Schönen befriedigen. Aber ein Gedicht ohne Declamation und Musik ist ein kalter Buchstabe der selten

sprechendes Symbol der Sympathie der Herzen! Dieß fühlen Liebende bey ihrem Tanze. Aber unabhängig von dem Genuß des Herzens kann der edlere Ausdruck in Stellung und Geberden, und der wallende Reitz der Formen jedem kälteren Zuschauer und den Liebenden selbst, Wonne der Beschauung gewähren.

Der Triumf der Musik ist der glückliche Ausdruck der Liebe. Keine andere Kunst ist so nahe verwandt mit ihr als diese! Das Vergnügen welches der Spieler oder Sänger genießt, theilt sich unmittelbar denen mit, die seine Töne anhören, und reißt sie zu der nehmlichen Rührung hin, die ihn selbst beseelt. Keine Kunst ist daher mittheilender, keine liefert ein so auffallendes Symbol der Wesenverwebung! Nie sind wir empfänglicher für Liebe, nie fühlen wir ihre Freuden und ihre Schmerzen stärker, als beym Anhören der Musik! Und wenn nun gar eine liebende Seele diese Töne hervorruft, sie mit ihrem Ausdrucke belebt; wenn sie an den geliebten Zuhörer gerichtet werden, und dieser wohl gar mit harmonierenden Tönen, und gleichem Ausdrucke einstimmt! – O! ich behaupte es dreist, eine zärtliche Arie läßt sich vor kalten Zeugen von Liebenden nicht singen, ohne den Anstand zu beleidigen oder die Musik zu verderben. Ein Duo ist die Erfindung der Liebe, ein Vorbild der Art, wie himmlische Geister sich ihre Empfindungen mittheilen!

Poesie! Alles was Liebende sich sagen, trägt für kalte Herzen schon deinen Hauptcharakter, Begeisterung, an sich! Alle Liebenden sind mehr oder weniger Dichter! Schon bey rohen Völkern finden wir Lieder der Liebe, welche das Herz ins Interesse ziehen, und oft selbst den Sinn des Schönen befriedigen. Aber ein Gedicht ohne Declamation und Musik ist ein kalter Buchstabe der selten

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[304/0304] sprechendes Symbol der Sympathie der Herzen! Dieß fühlen Liebende bey ihrem Tanze. Aber unabhängig von dem Genuß des Herzens kann der edlere Ausdruck in Stellung und Geberden, und der wallende Reitz der Formen jedem kälteren Zuschauer und den Liebenden selbst, Wonne der Beschauung gewähren. Der Triumf der Musik ist der glückliche Ausdruck der Liebe. Keine andere Kunst ist so nahe verwandt mit ihr als diese! Das Vergnügen welches der Spieler oder Sänger genießt, theilt sich unmittelbar denen mit, die seine Töne anhören, und reißt sie zu der nehmlichen Rührung hin, die ihn selbst beseelt. Keine Kunst ist daher mittheilender, keine liefert ein so auffallendes Symbol der Wesenverwebung! Nie sind wir empfänglicher für Liebe, nie fühlen wir ihre Freuden und ihre Schmerzen stärker, als beym Anhören der Musik! Und wenn nun gar eine liebende Seele diese Töne hervorruft, sie mit ihrem Ausdrucke belebt; wenn sie an den geliebten Zuhörer gerichtet werden, und dieser wohl gar mit harmonierenden Tönen, und gleichem Ausdrucke einstimmt! – O! ich behaupte es dreist, eine zärtliche Arie läßt sich vor kalten Zeugen von Liebenden nicht singen, ohne den Anstand zu beleidigen oder die Musik zu verderben. Ein Duo ist die Erfindung der Liebe, ein Vorbild der Art, wie himmlische Geister sich ihre Empfindungen mittheilen! Poesie! Alles was Liebende sich sagen, trägt für kalte Herzen schon deinen Hauptcharakter, Begeisterung, an sich! Alle Liebenden sind mehr oder weniger Dichter! Schon bey rohen Völkern finden wir Lieder der Liebe, welche das Herz ins Interesse ziehen, und oft selbst den Sinn des Schönen befriedigen. Aber ein Gedicht ohne Declamation und Musik ist ein kalter Buchstabe der selten

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/304>, abgerufen am 23.04.2024.