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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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wird, die schon an sich den Reitz des Schönen mit sich führt! Aber was seh ich! Es ist das Werk der Liebe, welches unter der Hand der schönen Künstlerin entsteht! Der Blumenstrauß, den ich ihr gab, in unendlichen Windungen mit seinem Nahmen durchflochten - ein Gewebe unserer gemischten Haare - zum unnöthigen, aber doch so schätzbaren Denkmahle unserer Liebe bestimmt! - Ich vergesse, daß ich verlorne Freuden beschreibe und mein Auge füllt sich mit Thränen!

Die Mahlerey scheint dem ersten Anblick nach der Liebe nicht nahe anzugehören. Sie giebt dem Beschauer nicht in gleicher Maße mit dem Künstler Freude und Genuß. Aber die Liebe, diese allgewaltige Schöpferin, weiß auch sie zu ihrem Vortheile zu nutzen. Geht mit mir in die Villa Olgiati, in den heiligen Wohnort Raphaels und seiner Geliebten! Unter unzähligen Gestalten findet ihr dort ihr Bildniß, verwebt mit Amorinen, deren reitzende Spiele das Glück seiner Verbindung noch spätern Jahrhunderten sympathetisch verkündigen. Seht, wie Rubens von seiner Gattin bald die Formen der Venus, bald einer Madonna, die mit ihrem lieblichen Kinde koset, entlehnt! Ach! und denkt euch, daß der Liebende mahlt, und sie, die Liebende, an seiner Seite seinen Pinsel durch eine gefühlvolle Declamation aus einem Dichter begeistert! Sie vergessen die Welt um sich her, und verlieren sich in einer neuen Welt von Formen und Gedanken! Die Erfahrung einer ähnlichen Situation hat mir ehemahls oft den Pinsel aus der Hand gebracht; bey der Erinnerung lasse ich hier die Feder fallen! -

wird, die schon an sich den Reitz des Schönen mit sich führt! Aber was seh ich! Es ist das Werk der Liebe, welches unter der Hand der schönen Künstlerin entsteht! Der Blumenstrauß, den ich ihr gab, in unendlichen Windungen mit seinem Nahmen durchflochten – ein Gewebe unserer gemischten Haare – zum unnöthigen, aber doch so schätzbaren Denkmahle unserer Liebe bestimmt! – Ich vergesse, daß ich verlorne Freuden beschreibe und mein Auge füllt sich mit Thränen!

Die Mahlerey scheint dem ersten Anblick nach der Liebe nicht nahe anzugehören. Sie giebt dem Beschauer nicht in gleicher Maße mit dem Künstler Freude und Genuß. Aber die Liebe, diese allgewaltige Schöpferin, weiß auch sie zu ihrem Vortheile zu nutzen. Geht mit mir in die Villa Olgiati, in den heiligen Wohnort Raphaels und seiner Geliebten! Unter unzähligen Gestalten findet ihr dort ihr Bildniß, verwebt mit Amorinen, deren reitzende Spiele das Glück seiner Verbindung noch spätern Jahrhunderten sympathetisch verkündigen. Seht, wie Rubens von seiner Gattin bald die Formen der Venus, bald einer Madonna, die mit ihrem lieblichen Kinde koset, entlehnt! Ach! und denkt euch, daß der Liebende mahlt, und sie, die Liebende, an seiner Seite seinen Pinsel durch eine gefühlvolle Declamation aus einem Dichter begeistert! Sie vergessen die Welt um sich her, und verlieren sich in einer neuen Welt von Formen und Gedanken! Die Erfahrung einer ähnlichen Situation hat mir ehemahls oft den Pinsel aus der Hand gebracht; bey der Erinnerung lasse ich hier die Feder fallen! –

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[306/0306] wird, die schon an sich den Reitz des Schönen mit sich führt! Aber was seh ich! Es ist das Werk der Liebe, welches unter der Hand der schönen Künstlerin entsteht! Der Blumenstrauß, den ich ihr gab, in unendlichen Windungen mit seinem Nahmen durchflochten – ein Gewebe unserer gemischten Haare – zum unnöthigen, aber doch so schätzbaren Denkmahle unserer Liebe bestimmt! – Ich vergesse, daß ich verlorne Freuden beschreibe und mein Auge füllt sich mit Thränen! Die Mahlerey scheint dem ersten Anblick nach der Liebe nicht nahe anzugehören. Sie giebt dem Beschauer nicht in gleicher Maße mit dem Künstler Freude und Genuß. Aber die Liebe, diese allgewaltige Schöpferin, weiß auch sie zu ihrem Vortheile zu nutzen. Geht mit mir in die Villa Olgiati, in den heiligen Wohnort Raphaels und seiner Geliebten! Unter unzähligen Gestalten findet ihr dort ihr Bildniß, verwebt mit Amorinen, deren reitzende Spiele das Glück seiner Verbindung noch spätern Jahrhunderten sympathetisch verkündigen. Seht, wie Rubens von seiner Gattin bald die Formen der Venus, bald einer Madonna, die mit ihrem lieblichen Kinde koset, entlehnt! Ach! und denkt euch, daß der Liebende mahlt, und sie, die Liebende, an seiner Seite seinen Pinsel durch eine gefühlvolle Declamation aus einem Dichter begeistert! Sie vergessen die Welt um sich her, und verlieren sich in einer neuen Welt von Formen und Gedanken! Die Erfahrung einer ähnlichen Situation hat mir ehemahls oft den Pinsel aus der Hand gebracht; bey der Erinnerung lasse ich hier die Feder fallen! –

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/306>, abgerufen am 29.03.2024.