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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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nun 14) ihre Verbindung in der Ehe mit der aristokratischen Verfassung eines Staats. "Wenn sie wohlgeordnet ist, so wird der Gatte zwar den Vorrang behaupten, und in demjenigen, was ihm zukommt, regieren, aber die Frau in demjenigen Wirkungskreise, der ihr gebührt, nicht beschränken. Denn wollte der Mann in Allem allein herrschen, so würde die Verbindung, anstatt einer wohlgeordneten Aristokratie zu gleichen, sich einer tadelnswürdigen Oligarchie nähern, worin der Hervorragende seine Anmaßungen übertreibt, und die Uebrigen als Knechte behandelt. Dieß kann aber gar nicht gestattet werden. Die Frau ist durchaus nicht als ein bloßes Mittel zu selbstischen Zwecken des Mannes zu betrachten. Eben so unrecht würde es aber auch seyn, wenn die Frau, etwa weil sie reich und vornehm wäre, sich die Oberherrschaft anmaßen wollte."

"Die Verbindung zwischen den Gatten verdankt ihren Ursprung der Natur. Bey Thieren hat sie nur den Zweck der Fortpflanzung. Aber bey dem Menschen geht ihre Bestimmung ursprünglich weiter. Die Gatten sollen gemeinschaftlich für ihren Unterhalt sorgen, und Jedem ist sein Geschäft dabey angewiesen. Sie greifen sich einander in die Hand, sie bringen ihr Eigenthum zusammen. Ihre Verbindung beruht auf gemeinschaftlichem Nutzen und Vergnügen. Sie kann aber auch auf Tugend beruhen, wenn sie Beyde bieder sind. Denn jedes Geschlecht hat seine ihm eigenthümlichen Vorzüge, deren sich das andere erfreuet. Kinder machen ein neues Band unter

14) De Moribus et Eudemiorum l. c.

nun 14) ihre Verbindung in der Ehe mit der aristokratischen Verfassung eines Staats. „Wenn sie wohlgeordnet ist, so wird der Gatte zwar den Vorrang behaupten, und in demjenigen, was ihm zukommt, regieren, aber die Frau in demjenigen Wirkungskreise, der ihr gebührt, nicht beschränken. Denn wollte der Mann in Allem allein herrschen, so würde die Verbindung, anstatt einer wohlgeordneten Aristokratie zu gleichen, sich einer tadelnswürdigen Oligarchie nähern, worin der Hervorragende seine Anmaßungen übertreibt, und die Uebrigen als Knechte behandelt. Dieß kann aber gar nicht gestattet werden. Die Frau ist durchaus nicht als ein bloßes Mittel zu selbstischen Zwecken des Mannes zu betrachten. Eben so unrecht würde es aber auch seyn, wenn die Frau, etwa weil sie reich und vornehm wäre, sich die Oberherrschaft anmaßen wollte.“

„Die Verbindung zwischen den Gatten verdankt ihren Ursprung der Natur. Bey Thieren hat sie nur den Zweck der Fortpflanzung. Aber bey dem Menschen geht ihre Bestimmung ursprünglich weiter. Die Gatten sollen gemeinschaftlich für ihren Unterhalt sorgen, und Jedem ist sein Geschäft dabey angewiesen. Sie greifen sich einander in die Hand, sie bringen ihr Eigenthum zusammen. Ihre Verbindung beruht auf gemeinschaftlichem Nutzen und Vergnügen. Sie kann aber auch auf Tugend beruhen, wenn sie Beyde bieder sind. Denn jedes Geschlecht hat seine ihm eigenthümlichen Vorzüge, deren sich das andere erfreuet. Kinder machen ein neues Band unter

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[259/0259] nun 14) ihre Verbindung in der Ehe mit der aristokratischen Verfassung eines Staats. „Wenn sie wohlgeordnet ist, so wird der Gatte zwar den Vorrang behaupten, und in demjenigen, was ihm zukommt, regieren, aber die Frau in demjenigen Wirkungskreise, der ihr gebührt, nicht beschränken. Denn wollte der Mann in Allem allein herrschen, so würde die Verbindung, anstatt einer wohlgeordneten Aristokratie zu gleichen, sich einer tadelnswürdigen Oligarchie nähern, worin der Hervorragende seine Anmaßungen übertreibt, und die Uebrigen als Knechte behandelt. Dieß kann aber gar nicht gestattet werden. Die Frau ist durchaus nicht als ein bloßes Mittel zu selbstischen Zwecken des Mannes zu betrachten. Eben so unrecht würde es aber auch seyn, wenn die Frau, etwa weil sie reich und vornehm wäre, sich die Oberherrschaft anmaßen wollte.“ „Die Verbindung zwischen den Gatten verdankt ihren Ursprung der Natur. Bey Thieren hat sie nur den Zweck der Fortpflanzung. Aber bey dem Menschen geht ihre Bestimmung ursprünglich weiter. Die Gatten sollen gemeinschaftlich für ihren Unterhalt sorgen, und Jedem ist sein Geschäft dabey angewiesen. Sie greifen sich einander in die Hand, sie bringen ihr Eigenthum zusammen. Ihre Verbindung beruht auf gemeinschaftlichem Nutzen und Vergnügen. Sie kann aber auch auf Tugend beruhen, wenn sie Beyde bieder sind. Denn jedes Geschlecht hat seine ihm eigenthümlichen Vorzüge, deren sich das andere erfreuet. Kinder machen ein neues Band unter 14) De Moribus et Eudemiorum l. c.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/259>, abgerufen am 29.03.2024.