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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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zwar eine neue Wunde, führt aber auch einen Balsam mit sich, der ihre Schmerzen lindert.

D'une part m'oingt, d'autre me cuit,
Ainsi il m'aide, ainsi me nuit.

Amor gesellt ihm einige Gehülfen bey: doux penser, doux regard, doux parler. Zugleich öffnet ihm bel accueil, fils de Courteoisie, den Weg durch die Dornenhecke zur Rose, aber unter der ausdrücklichen Verwarnung, sie nicht zu pflücken, nicht einmahl ein Verlangen darnach zu äußern. Unnütze Vorsicht! Kaum hat sich der Liebhaber der Rose bis auf einige Schritte noch genähert, so streckt er schon die Hand nach ihrem Besitze aus. In dem nehmlichen Augenblicke stürzt ein Ungeheuer auf ihn los, mit Nahmen Dangier, und verjagt bel Accueil und den Liebhaber. Zitternd flieht bel Accueil, und sein Freund zieht sich verzweiflungsvoll in einen Winkel, woraus seine Augen kaum den Ort entdecken mögen, der seine Geliebte umschließt. Dame Raison unternimmt es, ihn von seiner Liebe zu heilen; aber umsonst! Williger leiht er sein Ohr dem Trost und dem Rath eines jungen Mannes, Nahmens Ami. Dieser ermuntert ihn, zum Dangier zurückzukehren, und das Ungeheuer zu besänftigen, durch reuige Thränen, und heilige Versicherungen mehrerer Enthaltsamkeit wieder Eingang zu gewinnen. Der Liebhaber folgt dem Rathe. Dangier empfängt Anfangs Beyde mit Vorwürfen und schrecklichen Drohungen: aber auf die Länge widersteht er nicht ihren vereinigten Bitten. Franchise und Pitie, zwey sanfte, liebenswürdige und überredende Nymphen sprechen endlich

zwar eine neue Wunde, führt aber auch einen Balsam mit sich, der ihre Schmerzen lindert.

D’une part m’oingt, d’autre me cuit,
Ainsi il m’aide, ainsi mé nuit.

Amor gesellt ihm einige Gehülfen bey: doux penser, doux regard, doux parler. Zugleich öffnet ihm bel accueil, fils de Courteoisie, den Weg durch die Dornenhecke zur Rose, aber unter der ausdrücklichen Verwarnung, sie nicht zu pflücken, nicht einmahl ein Verlangen darnach zu äußern. Unnütze Vorsicht! Kaum hat sich der Liebhaber der Rose bis auf einige Schritte noch genähert, so streckt er schon die Hand nach ihrem Besitze aus. In dem nehmlichen Augenblicke stürzt ein Ungeheuer auf ihn los, mit Nahmen Dangier, und verjagt bel Accueil und den Liebhaber. Zitternd flieht bel Accueil, und sein Freund zieht sich verzweiflungsvoll in einen Winkel, woraus seine Augen kaum den Ort entdecken mögen, der seine Geliebte umschließt. Dame Raison unternimmt es, ihn von seiner Liebe zu heilen; aber umsonst! Williger leiht er sein Ohr dem Trost und dem Rath eines jungen Mannes, Nahmens Ami. Dieser ermuntert ihn, zum Dangier zurückzukehren, und das Ungeheuer zu besänftigen, durch reuige Thränen, und heilige Versicherungen mehrerer Enthaltsamkeit wieder Eingang zu gewinnen. Der Liebhaber folgt dem Rathe. Dangier empfängt Anfangs Beyde mit Vorwürfen und schrecklichen Drohungen: aber auf die Länge widersteht er nicht ihren vereinigten Bitten. Franchise und Pitié, zwey sanfte, liebenswürdige und überredende Nymphen sprechen endlich

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[105/0105] zwar eine neue Wunde, führt aber auch einen Balsam mit sich, der ihre Schmerzen lindert. D’une part m’oingt, d’autre me cuit, Ainsi il m’aide, ainsi mé nuit. Amor gesellt ihm einige Gehülfen bey: doux penser, doux regard, doux parler. Zugleich öffnet ihm bel accueil, fils de Courteoisie, den Weg durch die Dornenhecke zur Rose, aber unter der ausdrücklichen Verwarnung, sie nicht zu pflücken, nicht einmahl ein Verlangen darnach zu äußern. Unnütze Vorsicht! Kaum hat sich der Liebhaber der Rose bis auf einige Schritte noch genähert, so streckt er schon die Hand nach ihrem Besitze aus. In dem nehmlichen Augenblicke stürzt ein Ungeheuer auf ihn los, mit Nahmen Dangier, und verjagt bel Accueil und den Liebhaber. Zitternd flieht bel Accueil, und sein Freund zieht sich verzweiflungsvoll in einen Winkel, woraus seine Augen kaum den Ort entdecken mögen, der seine Geliebte umschließt. Dame Raison unternimmt es, ihn von seiner Liebe zu heilen; aber umsonst! Williger leiht er sein Ohr dem Trost und dem Rath eines jungen Mannes, Nahmens Ami. Dieser ermuntert ihn, zum Dangier zurückzukehren, und das Ungeheuer zu besänftigen, durch reuige Thränen, und heilige Versicherungen mehrerer Enthaltsamkeit wieder Eingang zu gewinnen. Der Liebhaber folgt dem Rathe. Dangier empfängt Anfangs Beyde mit Vorwürfen und schrecklichen Drohungen: aber auf die Länge widersteht er nicht ihren vereinigten Bitten. Franchise und Pitié, zwey sanfte, liebenswürdige und überredende Nymphen sprechen endlich

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/105>, abgerufen am 29.03.2024.