Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Scudery hat von der Liebe keinen andern Begriff gehabt als den, daß sie eine feinere egoistische Neigung sey, die sich bald in dem edleren Stolze, durch außerordentliche Tugenden und Heldenthaten vor den Augen der Geliebten zu glänzen, bald in geselliger Eitelkeit, und in dem Triebe nach Beschäftigung und Unterhaltung äußert. Die Selbstheit nutzt bey ihr die Geschlechtssympathie zur Befriedigung ihrer edleren und feineren Neigungen. Daher setzt sie das Wesen der Liebe in steter Unruhe des Geistes: daher findet sie nichts langweiliger, als die Unterhaltung zweyer Liebenden, von denen der eine oder der andere nichts zu wünschen, oder sich über nichts zu beklagen hat: daher legt sie besonders einen so großen Werth auf die Galanterie. Diese ist nach ihrer Darstellung nichts weiter als die Kunst, den Empfindungen, welche die beyden Geschlechter sich gegenseitig einflößen, den witzigsten und zugleich nach den Begriffen der Zeit artigsten Ausdruck zu leihen. Die Artigkeit der Scudery und ihr Witz scheinen uns aber steif, umständlich und pretiös zu seyn. -

Ihre Romane so wie die des Calprenede und einiger anderer enthalten mehrere Darstellungen einer Liebe, die sich auf geistigen Genuß beschränkt, und sich in dem Bewußtseyn der gelungenen Vereinigung der Seelen glücklich fühlt. Nirgends werden die Gesetze des strengsten Anstandes beleidigt.

Unstreitig haben diese Werke besonders zu der irrigen Idee beygetragen, daß die Galanterie vom eilften bis zum achtzehnten Jahrhunderte eine reine, oder wenigstens anständige und gesetzmäßige Verbindung zwischen beyden Geschlechtern gewesen sey.

Die Scudery hat von der Liebe keinen andern Begriff gehabt als den, daß sie eine feinere egoistische Neigung sey, die sich bald in dem edleren Stolze, durch außerordentliche Tugenden und Heldenthaten vor den Augen der Geliebten zu glänzen, bald in geselliger Eitelkeit, und in dem Triebe nach Beschäftigung und Unterhaltung äußert. Die Selbstheit nutzt bey ihr die Geschlechtssympathie zur Befriedigung ihrer edleren und feineren Neigungen. Daher setzt sie das Wesen der Liebe in steter Unruhe des Geistes: daher findet sie nichts langweiliger, als die Unterhaltung zweyer Liebenden, von denen der eine oder der andere nichts zu wünschen, oder sich über nichts zu beklagen hat: daher legt sie besonders einen so großen Werth auf die Galanterie. Diese ist nach ihrer Darstellung nichts weiter als die Kunst, den Empfindungen, welche die beyden Geschlechter sich gegenseitig einflößen, den witzigsten und zugleich nach den Begriffen der Zeit artigsten Ausdruck zu leihen. Die Artigkeit der Scudery und ihr Witz scheinen uns aber steif, umständlich und pretiös zu seyn. –

Ihre Romane so wie die des Calprenede und einiger anderer enthalten mehrere Darstellungen einer Liebe, die sich auf geistigen Genuß beschränkt, und sich in dem Bewußtseyn der gelungenen Vereinigung der Seelen glücklich fühlt. Nirgends werden die Gesetze des strengsten Anstandes beleidigt.

Unstreitig haben diese Werke besonders zu der irrigen Idee beygetragen, daß die Galanterie vom eilften bis zum achtzehnten Jahrhunderte eine reine, oder wenigstens anständige und gesetzmäßige Verbindung zwischen beyden Geschlechtern gewesen sey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0200" n="200"/>
          <p>Die Scudery hat von der Liebe keinen andern Begriff gehabt als den, daß sie eine feinere egoistische Neigung sey, die sich bald in dem edleren Stolze, durch außerordentliche Tugenden und Heldenthaten vor den Augen der Geliebten zu glänzen, bald in geselliger Eitelkeit, und in dem Triebe nach Beschäftigung und Unterhaltung äußert. Die Selbstheit nutzt bey ihr die Geschlechtssympathie zur Befriedigung ihrer edleren und feineren Neigungen. Daher setzt sie das Wesen der Liebe in steter Unruhe des Geistes: daher findet sie nichts langweiliger, als die Unterhaltung zweyer Liebenden, von denen der eine oder der andere nichts zu wünschen, oder sich über nichts zu beklagen hat: daher legt sie besonders einen so großen Werth auf die Galanterie. Diese ist nach ihrer Darstellung nichts weiter als die Kunst, den Empfindungen, welche die beyden Geschlechter sich gegenseitig einflößen, den witzigsten und zugleich nach den Begriffen der Zeit artigsten Ausdruck zu leihen. Die Artigkeit der Scudery und ihr Witz scheinen uns aber steif, umständlich und pretiös zu seyn. &#x2013;</p>
          <p>Ihre Romane so wie die des Calprenede und einiger anderer enthalten mehrere Darstellungen einer Liebe, die sich auf geistigen Genuß beschränkt, und sich in dem Bewußtseyn der gelungenen Vereinigung der Seelen glücklich fühlt. Nirgends werden die Gesetze des strengsten Anstandes beleidigt.</p>
          <p>Unstreitig haben diese Werke besonders zu der irrigen Idee beygetragen, daß die Galanterie vom eilften bis zum achtzehnten Jahrhunderte eine reine, oder wenigstens anständige und gesetzmäßige Verbindung zwischen beyden Geschlechtern gewesen sey.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0200] Die Scudery hat von der Liebe keinen andern Begriff gehabt als den, daß sie eine feinere egoistische Neigung sey, die sich bald in dem edleren Stolze, durch außerordentliche Tugenden und Heldenthaten vor den Augen der Geliebten zu glänzen, bald in geselliger Eitelkeit, und in dem Triebe nach Beschäftigung und Unterhaltung äußert. Die Selbstheit nutzt bey ihr die Geschlechtssympathie zur Befriedigung ihrer edleren und feineren Neigungen. Daher setzt sie das Wesen der Liebe in steter Unruhe des Geistes: daher findet sie nichts langweiliger, als die Unterhaltung zweyer Liebenden, von denen der eine oder der andere nichts zu wünschen, oder sich über nichts zu beklagen hat: daher legt sie besonders einen so großen Werth auf die Galanterie. Diese ist nach ihrer Darstellung nichts weiter als die Kunst, den Empfindungen, welche die beyden Geschlechter sich gegenseitig einflößen, den witzigsten und zugleich nach den Begriffen der Zeit artigsten Ausdruck zu leihen. Die Artigkeit der Scudery und ihr Witz scheinen uns aber steif, umständlich und pretiös zu seyn. – Ihre Romane so wie die des Calprenede und einiger anderer enthalten mehrere Darstellungen einer Liebe, die sich auf geistigen Genuß beschränkt, und sich in dem Bewußtseyn der gelungenen Vereinigung der Seelen glücklich fühlt. Nirgends werden die Gesetze des strengsten Anstandes beleidigt. Unstreitig haben diese Werke besonders zu der irrigen Idee beygetragen, daß die Galanterie vom eilften bis zum achtzehnten Jahrhunderte eine reine, oder wenigstens anständige und gesetzmäßige Verbindung zwischen beyden Geschlechtern gewesen sey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/200
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/200>, abgerufen am 29.03.2024.