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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Sixtus V. Verwaltung.
lebte. Sixtus dagegen war im Einzelnen unerbittlich; über
seine Gesetze hielt er mit einer Strenge, die an Grau-
samkeit grenzte: in allgemeinen Maaßregeln dagegen finden
wir ihn mild, nachgiebig und versöhnend. Unter Gregor
hatte der Gehorsam nichts genützt und die Widersetzlichkeit
nichts geschadet. Unter Sixtus hatte man alles zu fürch-
ten, sobald man ihm Widerstand zeigte; dagegen durfte
man Beweise seiner Gnade erwarten, wenn man in gutem
Vernehmen mit ihm stand. Nichts förderte seine Absich-
ten besser.

Gleich von Anfang ließ er alle die Mißhelligkeiten
fallen, in welche der Vorgänger seiner kirchlichen Ansprüche
halber mit den Nachbarn gerathen war. Er erklärte, ein
Papst müsse die Privilegien, welche den Fürsten gewährt
worden, erhalten und vermehren. Den Mailändern gab er
die Stelle in der Rota zurück, die ihnen Gregor XIII. ent-
reißen wollen; als die Venezianer endlich ein Breve zum
Vorschein brachten, das für ihre Ansprüche in der Sache
von Aquileja entscheidend zu seyn schien, zeigte er sich höch-
lich zufrieden. Jene anstößige Clausel in der Bulle in Coena
Domini war er entschlossen zu tilgen. Die Congregation
über die kirchliche Gerichtsbarkeit, von der die meisten
Streitigkeiten ausgegangen, hob er gradezu auf 1). Ge-

1) Lorenzo Priuli Relatione 1586. E Pontefice che non
cosi leggiermente abbraccia le querele con principi, anzi per
fuggirle ha levata la congregatione della giurisdittione ecclesia-
stica
(an einer andern Stelle sagt er, hauptsächlich aus Rücksicht
auf Spanien) e stima di potere per questa via concluder con
maggior facilita le cose e di sopportare con manco indegnita
quelle che saranno trattate secretamente da lui solo.
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Sixtus V. Verwaltung.
lebte. Sixtus dagegen war im Einzelnen unerbittlich; uͤber
ſeine Geſetze hielt er mit einer Strenge, die an Grau-
ſamkeit grenzte: in allgemeinen Maaßregeln dagegen finden
wir ihn mild, nachgiebig und verſoͤhnend. Unter Gregor
hatte der Gehorſam nichts genuͤtzt und die Widerſetzlichkeit
nichts geſchadet. Unter Sixtus hatte man alles zu fuͤrch-
ten, ſobald man ihm Widerſtand zeigte; dagegen durfte
man Beweiſe ſeiner Gnade erwarten, wenn man in gutem
Vernehmen mit ihm ſtand. Nichts foͤrderte ſeine Abſich-
ten beſſer.

Gleich von Anfang ließ er alle die Mißhelligkeiten
fallen, in welche der Vorgaͤnger ſeiner kirchlichen Anſpruͤche
halber mit den Nachbarn gerathen war. Er erklaͤrte, ein
Papſt muͤſſe die Privilegien, welche den Fuͤrſten gewaͤhrt
worden, erhalten und vermehren. Den Mailaͤndern gab er
die Stelle in der Rota zuruͤck, die ihnen Gregor XIII. ent-
reißen wollen; als die Venezianer endlich ein Breve zum
Vorſchein brachten, das fuͤr ihre Anſpruͤche in der Sache
von Aquileja entſcheidend zu ſeyn ſchien, zeigte er ſich hoͤch-
lich zufrieden. Jene anſtoͤßige Clauſel in der Bulle in Coena
Domini war er entſchloſſen zu tilgen. Die Congregation
uͤber die kirchliche Gerichtsbarkeit, von der die meiſten
Streitigkeiten ausgegangen, hob er gradezu auf 1). Ge-

1) Lorenzo Priuli Relatione 1586. È Pontefice che non
cosi leggiermente abbraccia le querele con principi, anzi per
fuggirle ha levata la congregatione della giurisdittione ecclesia-
stica
(an einer andern Stelle ſagt er, hauptſaͤchlich aus Ruͤckſicht
auf Spanien) e stima di potere per questa via concluder con
maggior facilità le cose e di sopportare con manco indegnità
quelle che saranno trattate secretamente da lui solo.
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[451/0477] Sixtus V. Verwaltung. lebte. Sixtus dagegen war im Einzelnen unerbittlich; uͤber ſeine Geſetze hielt er mit einer Strenge, die an Grau- ſamkeit grenzte: in allgemeinen Maaßregeln dagegen finden wir ihn mild, nachgiebig und verſoͤhnend. Unter Gregor hatte der Gehorſam nichts genuͤtzt und die Widerſetzlichkeit nichts geſchadet. Unter Sixtus hatte man alles zu fuͤrch- ten, ſobald man ihm Widerſtand zeigte; dagegen durfte man Beweiſe ſeiner Gnade erwarten, wenn man in gutem Vernehmen mit ihm ſtand. Nichts foͤrderte ſeine Abſich- ten beſſer. Gleich von Anfang ließ er alle die Mißhelligkeiten fallen, in welche der Vorgaͤnger ſeiner kirchlichen Anſpruͤche halber mit den Nachbarn gerathen war. Er erklaͤrte, ein Papſt muͤſſe die Privilegien, welche den Fuͤrſten gewaͤhrt worden, erhalten und vermehren. Den Mailaͤndern gab er die Stelle in der Rota zuruͤck, die ihnen Gregor XIII. ent- reißen wollen; als die Venezianer endlich ein Breve zum Vorſchein brachten, das fuͤr ihre Anſpruͤche in der Sache von Aquileja entſcheidend zu ſeyn ſchien, zeigte er ſich hoͤch- lich zufrieden. Jene anſtoͤßige Clauſel in der Bulle in Coena Domini war er entſchloſſen zu tilgen. Die Congregation uͤber die kirchliche Gerichtsbarkeit, von der die meiſten Streitigkeiten ausgegangen, hob er gradezu auf 1). Ge- 1) Lorenzo Priuli Relatione 1586. È Pontefice che non cosi leggiermente abbraccia le querele con principi, anzi per fuggirle ha levata la congregatione della giurisdittione ecclesia- stica (an einer andern Stelle ſagt er, hauptſaͤchlich aus Ruͤckſicht auf Spanien) e stima di potere per questa via concluder con maggior facilità le cose e di sopportare con manco indegnità quelle che saranno trattate secretamente da lui solo. 29*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/477>, abgerufen am 25.04.2024.