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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
Im Ganzen können wir sagen, daß er von Neuem eine
lebendige Kraft in sich erzeugt, das Dogma im Geiste des
Jahrhunderts regenerirt, eine Reform ins Leben gerufen
hatte, welche den Forderungen der Zeitgenossen im Allge-
meinen entsprach. Die religiösen Tendenzen, welche in dem
südlichen Europa vorhanden waren, ließ er nicht auch zu
Feindseligkeiten erwachsen: er nahm sie in sich auf, und be-
herrschte sie: so verjüngte er seine Kräfte. Der prote-
stantische Geist hatte bisher allein den Schauplatz der
Welt mit Erfolgen erfüllt, die Gemüther an sich geris-
sen: jetzt trat ein anderer, ihm von einem höhern Stand-
punkt aus vielleicht gleichartig zu achtender, aber zunächst
doch durchaus entgegengesetzter Geist mit ihm in die Schran-
ken, der sich nun auch seinerseits die Gemüther zu eigen
zu machen, sie zur Thätigkeit zu entflammen verstand.

Zuerst bemächtigte sich das restaurirte katholische Sy-
stem der beiden südlichen Halbinseln. Es vermochte dieß
nicht ohne außerordentliche Strenge: der spanischen Inqui-
sition trat die erneuerte römische zur Seite: alle Regungen
des Protestantismus wurden gewaltsam erdrückt. Zugleich
aber waren die Richtungen des innern Lebens, welche der
erneuerte Katholicismus vorzugsweise ansprach und fesselte,
in jenen Ländern besonders mächtig. Auch die Fürsten
schlossen sich dem Interesse der Kirche an.

Besonders war es wichtig, daß sich der mächtigste
von allen, Philipp II., so entschieden an das Papstthum
hielt. Mit dem Stolze eines Spaniers, von welchem tadel-
loser Katholicismus als das Zeichen eines reineren Blutes,
eines edleren Herkommens betrachtet ward, verwarf er alle

Buch V. Gegenreformationen.
Im Ganzen koͤnnen wir ſagen, daß er von Neuem eine
lebendige Kraft in ſich erzeugt, das Dogma im Geiſte des
Jahrhunderts regenerirt, eine Reform ins Leben gerufen
hatte, welche den Forderungen der Zeitgenoſſen im Allge-
meinen entſprach. Die religioͤſen Tendenzen, welche in dem
ſuͤdlichen Europa vorhanden waren, ließ er nicht auch zu
Feindſeligkeiten erwachſen: er nahm ſie in ſich auf, und be-
herrſchte ſie: ſo verjuͤngte er ſeine Kraͤfte. Der prote-
ſtantiſche Geiſt hatte bisher allein den Schauplatz der
Welt mit Erfolgen erfuͤllt, die Gemuͤther an ſich geriſ-
ſen: jetzt trat ein anderer, ihm von einem hoͤhern Stand-
punkt aus vielleicht gleichartig zu achtender, aber zunaͤchſt
doch durchaus entgegengeſetzter Geiſt mit ihm in die Schran-
ken, der ſich nun auch ſeinerſeits die Gemuͤther zu eigen
zu machen, ſie zur Thaͤtigkeit zu entflammen verſtand.

Zuerſt bemaͤchtigte ſich das reſtaurirte katholiſche Sy-
ſtem der beiden ſuͤdlichen Halbinſeln. Es vermochte dieß
nicht ohne außerordentliche Strenge: der ſpaniſchen Inqui-
ſition trat die erneuerte roͤmiſche zur Seite: alle Regungen
des Proteſtantismus wurden gewaltſam erdruͤckt. Zugleich
aber waren die Richtungen des innern Lebens, welche der
erneuerte Katholicismus vorzugsweiſe anſprach und feſſelte,
in jenen Laͤndern beſonders maͤchtig. Auch die Fuͤrſten
ſchloſſen ſich dem Intereſſe der Kirche an.

Beſonders war es wichtig, daß ſich der maͤchtigſte
von allen, Philipp II., ſo entſchieden an das Papſtthum
hielt. Mit dem Stolze eines Spaniers, von welchem tadel-
loſer Katholicismus als das Zeichen eines reineren Blutes,
eines edleren Herkommens betrachtet ward, verwarf er alle

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[20/0032] Buch V. Gegenreformationen. Im Ganzen koͤnnen wir ſagen, daß er von Neuem eine lebendige Kraft in ſich erzeugt, das Dogma im Geiſte des Jahrhunderts regenerirt, eine Reform ins Leben gerufen hatte, welche den Forderungen der Zeitgenoſſen im Allge- meinen entſprach. Die religioͤſen Tendenzen, welche in dem ſuͤdlichen Europa vorhanden waren, ließ er nicht auch zu Feindſeligkeiten erwachſen: er nahm ſie in ſich auf, und be- herrſchte ſie: ſo verjuͤngte er ſeine Kraͤfte. Der prote- ſtantiſche Geiſt hatte bisher allein den Schauplatz der Welt mit Erfolgen erfuͤllt, die Gemuͤther an ſich geriſ- ſen: jetzt trat ein anderer, ihm von einem hoͤhern Stand- punkt aus vielleicht gleichartig zu achtender, aber zunaͤchſt doch durchaus entgegengeſetzter Geiſt mit ihm in die Schran- ken, der ſich nun auch ſeinerſeits die Gemuͤther zu eigen zu machen, ſie zur Thaͤtigkeit zu entflammen verſtand. Zuerſt bemaͤchtigte ſich das reſtaurirte katholiſche Sy- ſtem der beiden ſuͤdlichen Halbinſeln. Es vermochte dieß nicht ohne außerordentliche Strenge: der ſpaniſchen Inqui- ſition trat die erneuerte roͤmiſche zur Seite: alle Regungen des Proteſtantismus wurden gewaltſam erdruͤckt. Zugleich aber waren die Richtungen des innern Lebens, welche der erneuerte Katholicismus vorzugsweiſe anſprach und feſſelte, in jenen Laͤndern beſonders maͤchtig. Auch die Fuͤrſten ſchloſſen ſich dem Intereſſe der Kirche an. Beſonders war es wichtig, daß ſich der maͤchtigſte von allen, Philipp II., ſo entſchieden an das Papſtthum hielt. Mit dem Stolze eines Spaniers, von welchem tadel- loſer Katholicismus als das Zeichen eines reineren Blutes, eines edleren Herkommens betrachtet ward, verwarf er alle

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/32>, abgerufen am 29.03.2024.