Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VII. Kap. 2. Ausbruch
auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er-
erschüttern.

Europa ist in zwei Welten geschieden, die sich auf je-
den Punkt umfassen, beschränken, ausstoßen, bekämpfen.

Vergleichen wir sie im Allgemeinen, so stellt die ka-
tholische Seite zunächst eine bei weitem größere Einheit dar.
Zwar wissen wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind-
seligkeiten fehlt, aber diese sind doch fürs Erste beschwich-
tigt. Vor allem, zwischen Frankreich und Spanien besteht
ein gutes und sogar vertrauliches Vernehmen: dann will es
nicht viel sagen, daß sich der alte Widerwille von Venedig
oder Savoyen zuweilen regt: selbst so gefährliche Attentate
wie jene Verschwörung gegen Venedig gehn ohne Erschüt-
terung vorüber. Papst Paul V. zeigte sich, nachdem ihm
seine ersten Erfahrungen eine so nachdrückliche Lehre er-
theilt, ruhig und gemäßigt, er verstand es den Frieden
zwischen den katholischen Mächten aufrecht zu erhalten, und
dann und wann gab er einen Moment der gemeinschaftli-
chen Politik an. Die Protestanten dagegen hatten nicht
allein überhaupt keinen Mittelpunkt: seit dem Tode der
englischen Elisabeth und der Thronbesteigung Jakobs I, der
von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete,
nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re-
formirte standen einander mit einem Widerwillen gegenüber,
der nothwendig zu entgegengesetzten politischen Maaßregeln
führte. Aber auch die Reformirten selbst waren unter ein-
ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer
und Gomaristen bekämpften sich mit wildem Haß: in der
Assemblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach

Buch VII. Kap. 2. Ausbruch
auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er-
erſchuͤttern.

Europa iſt in zwei Welten geſchieden, die ſich auf je-
den Punkt umfaſſen, beſchraͤnken, ausſtoßen, bekaͤmpfen.

Vergleichen wir ſie im Allgemeinen, ſo ſtellt die ka-
tholiſche Seite zunaͤchſt eine bei weitem groͤßere Einheit dar.
Zwar wiſſen wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind-
ſeligkeiten fehlt, aber dieſe ſind doch fuͤrs Erſte beſchwich-
tigt. Vor allem, zwiſchen Frankreich und Spanien beſteht
ein gutes und ſogar vertrauliches Vernehmen: dann will es
nicht viel ſagen, daß ſich der alte Widerwille von Venedig
oder Savoyen zuweilen regt: ſelbſt ſo gefaͤhrliche Attentate
wie jene Verſchwoͤrung gegen Venedig gehn ohne Erſchuͤt-
terung voruͤber. Papſt Paul V. zeigte ſich, nachdem ihm
ſeine erſten Erfahrungen eine ſo nachdruͤckliche Lehre er-
theilt, ruhig und gemaͤßigt, er verſtand es den Frieden
zwiſchen den katholiſchen Maͤchten aufrecht zu erhalten, und
dann und wann gab er einen Moment der gemeinſchaftli-
chen Politik an. Die Proteſtanten dagegen hatten nicht
allein uͤberhaupt keinen Mittelpunkt: ſeit dem Tode der
engliſchen Eliſabeth und der Thronbeſteigung Jakobs I, der
von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete,
nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re-
formirte ſtanden einander mit einem Widerwillen gegenuͤber,
der nothwendig zu entgegengeſetzten politiſchen Maaßregeln
fuͤhrte. Aber auch die Reformirten ſelbſt waren unter ein-
ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer
und Gomariſten bekaͤmpften ſich mit wildem Haß: in der
Aſſemblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0452" n="440"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#g">Kap. 2. Ausbruch</hi></fw><lb/>
auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er-<lb/>
er&#x017F;chu&#x0364;ttern.</p><lb/>
            <p>Europa i&#x017F;t in zwei Welten ge&#x017F;chieden, die &#x017F;ich auf je-<lb/>
den Punkt umfa&#x017F;&#x017F;en, be&#x017F;chra&#x0364;nken, aus&#x017F;toßen, beka&#x0364;mpfen.</p><lb/>
            <p>Vergleichen wir &#x017F;ie im Allgemeinen, &#x017F;o &#x017F;tellt die ka-<lb/>
tholi&#x017F;che Seite zuna&#x0364;ch&#x017F;t eine bei weitem gro&#x0364;ßere Einheit dar.<lb/>
Zwar wi&#x017F;&#x017F;en wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind-<lb/>
&#x017F;eligkeiten fehlt, aber die&#x017F;e &#x017F;ind doch fu&#x0364;rs Er&#x017F;te be&#x017F;chwich-<lb/>
tigt. Vor allem, zwi&#x017F;chen Frankreich und Spanien be&#x017F;teht<lb/>
ein gutes und &#x017F;ogar vertrauliches Vernehmen: dann will es<lb/>
nicht viel &#x017F;agen, daß &#x017F;ich der alte Widerwille von Venedig<lb/>
oder Savoyen zuweilen regt: &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o gefa&#x0364;hrliche Attentate<lb/>
wie jene Ver&#x017F;chwo&#x0364;rung gegen Venedig gehn ohne Er&#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
terung voru&#x0364;ber. Pap&#x017F;t Paul <hi rendition="#aq">V.</hi> zeigte &#x017F;ich, nachdem ihm<lb/>
&#x017F;eine er&#x017F;ten Erfahrungen eine &#x017F;o nachdru&#x0364;ckliche Lehre er-<lb/>
theilt, ruhig und gema&#x0364;ßigt, er ver&#x017F;tand es den Frieden<lb/>
zwi&#x017F;chen den katholi&#x017F;chen Ma&#x0364;chten aufrecht zu erhalten, und<lb/>
dann und wann gab er einen Moment der gemein&#x017F;chaftli-<lb/>
chen Politik an. Die Prote&#x017F;tanten dagegen hatten nicht<lb/>
allein u&#x0364;berhaupt keinen Mittelpunkt: &#x017F;eit dem Tode der<lb/>
engli&#x017F;chen Eli&#x017F;abeth und der Thronbe&#x017F;teigung Jakobs <hi rendition="#aq">I</hi>, der<lb/>
von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete,<lb/>
nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re-<lb/>
formirte &#x017F;tanden einander mit einem Widerwillen gegenu&#x0364;ber,<lb/>
der nothwendig zu entgegenge&#x017F;etzten politi&#x017F;chen Maaßregeln<lb/>
fu&#x0364;hrte. Aber auch die Reformirten &#x017F;elb&#x017F;t waren unter ein-<lb/>
ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer<lb/>
und Gomari&#x017F;ten beka&#x0364;mpften &#x017F;ich mit wildem Haß: in der<lb/>
A&#x017F;&#x017F;emblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0452] Buch VII. Kap. 2. Ausbruch auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er- erſchuͤttern. Europa iſt in zwei Welten geſchieden, die ſich auf je- den Punkt umfaſſen, beſchraͤnken, ausſtoßen, bekaͤmpfen. Vergleichen wir ſie im Allgemeinen, ſo ſtellt die ka- tholiſche Seite zunaͤchſt eine bei weitem groͤßere Einheit dar. Zwar wiſſen wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind- ſeligkeiten fehlt, aber dieſe ſind doch fuͤrs Erſte beſchwich- tigt. Vor allem, zwiſchen Frankreich und Spanien beſteht ein gutes und ſogar vertrauliches Vernehmen: dann will es nicht viel ſagen, daß ſich der alte Widerwille von Venedig oder Savoyen zuweilen regt: ſelbſt ſo gefaͤhrliche Attentate wie jene Verſchwoͤrung gegen Venedig gehn ohne Erſchuͤt- terung voruͤber. Papſt Paul V. zeigte ſich, nachdem ihm ſeine erſten Erfahrungen eine ſo nachdruͤckliche Lehre er- theilt, ruhig und gemaͤßigt, er verſtand es den Frieden zwiſchen den katholiſchen Maͤchten aufrecht zu erhalten, und dann und wann gab er einen Moment der gemeinſchaftli- chen Politik an. Die Proteſtanten dagegen hatten nicht allein uͤberhaupt keinen Mittelpunkt: ſeit dem Tode der engliſchen Eliſabeth und der Thronbeſteigung Jakobs I, der von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete, nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re- formirte ſtanden einander mit einem Widerwillen gegenuͤber, der nothwendig zu entgegengeſetzten politiſchen Maaßregeln fuͤhrte. Aber auch die Reformirten ſelbſt waren unter ein- ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer und Gomariſten bekaͤmpften ſich mit wildem Haß: in der Aſſemblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/452
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/452>, abgerufen am 28.03.2024.